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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

zu verursachen und mit der Seelenruhe eines Nabob verschwendete er in kurzer Zeit die Summen Goldes, deren Erwerb ihn kurz zuvor zu dem größten Fleiß und den anhaltendsten Anstrengungen getrieben hatte. War das Gold von den Geschenken, die er armen Teufeln mit fürstlicher Generosität machte oder von den lucullischen Gastmählern, die er gab, bis auf den letzten Sou verausgabt, so pflegte Balzac in seinem glänzenden Negligee, die Hände in den Taschen und die Haare weit nach hinten gestrichen, durch die Reihe seiner prächtigen Zimmer zu schreiten und den Teppich mit einer Art von Verzweiflung zu stampfen. Ohne Gewissensbisse über den Leichtsinn seiner Verschwendung zu empfinden, fühlte er sich gleichwohl als der unglücklichste aller Menschen und erregte seine Phantasie mit den Hoffnungen auf noch zu erwerbenden Reichthum, die sich nie anders als auf dem Piedestal von Millionen erhoben. Kam irgend Jemand in diesen Tagen zu Balzac, so konnte er sicherlich den Anblick eines der ärmsten Teufel genießen, der mit der ganzen Gesellschaft in Hader, die mährchenhaftesten Träume von Reichthum und Luxus zum Besten gab. Auch ließ er alsdann nichts von der Pracht seiner Wohnung erblicken.

Ich wurde gerade in einem solchen Momente zu Balzac eingeführt, und war erstaunt, von ihm in dem reichsten Morgenanzuge aber in einem so bescheiden möblirten Zimmer empfangen zu werden, daß ich die Mittheilungen von der Pracht seiner Wohnung für eine Phantasie Derjenigen hielt, die sie mir gemacht. Ueberhaupt zeigte sich Balzac sehr unglücklich und rechtete mit dem Himmel, der ihm Schätze verweigere für die Arbeiten, die er geliefert; er entschuldigte sich, nur mit einer Tasse Bouillon aufwarten zu können und lud mich zur Entschädigung dafür, mit demselben Athemzuge, zu einem Gastmahle ein, welches er nach acht Tagen geben werde. In der That hatte Balzac bis zu jener Zeit wieder Schätze gesammelt; seine Prachtzimmer waren geöffnet; die Grooms bedienten wie kleine Gnomen und bei dem lucullischen Mahle, inmitten der Parfüms und Blumendüfte war Balzac der glücklichste Marschall aller Marschälle, deren Stab ein Gänsekiel bildet.

Dem Leser der Sue’schen Romane mußte, ebenso wie bei Balzac, eine große Ueberraschung geboten werden, wenn er das Glück erreichte, in die Wohnung dieses Sozialisten zu treten, der in seinen Schriften so viel Theorie für die Armuth entwickelt und so unendliche Schuld auf die Reichen häuft. Wie? fragt man sich geblendet und verwundert, wohnt hier Herr Eugen Sue, hier in dem Palais des Faubourg St. Honoré, hier, wo der Flur ein prachtvolles Vorgemach ist und Diener in seidenen Strümpfen und fein aristokratischen Livreen empfangen?

In der That, hier wohnt Herr Eugen Sue, Sozialist, sagt man darauf.

Eugen Sue war 1850 noch überdies Volksrepräsentant; ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als der Diener meine Visitenkarte auf silbernem Teller und mit weißen Handschuhen dem Verächter und Richter des Reichthums, des Luxus und der Verschwendung hineintrug. Herr Eugen Sue schien mir ein sehr ausgebildeter Aristokrat zu sein.

Der Reichthum seiner Wohnung mußte etwas unangenehm berühren, wenn man die Anathemata kannte, welche Sue in seinen Schriften gegen den Reichthum schleudert. Wie ein Fürst hatte dieser Socialist sein Haus dekorirt, hinter dem ein reizender Garten lag; die Zimmer waren durch die schwerseidenen Fenstervorhänge und die reichen Blumen in jenem echt aristokratischen Dunkel gehalten, welches einen bedeutenden Vorschub der Sinnlichkeit bildet; die Möbel waren die glänzendsten, die je einen Salon des legitimistischen Faubourg geziert haben; große Oelgemälde, Statuen und Skulpturen schmückten die tapezirten Wände jeder Piece, die ich sah, und eine kostbare Gallerie von Vasen, Zierräthen, Porzellan und Nippsachen war auf den Tafeln der Kommoden, den Tischen und Spinden, welche die Zimmer mit ihrer Sauberkeit und ihrer luxuriösen Arbeit verschönten. Ein lieblicher Wohlgeruch herrschte im ganzen Hause und überhaupt zeigte sich in Allem ein so ausgebildeter Aristokratismus, daß mir die sozialistische Brandfackel, welche Sue so wild in seinen Romanen schwang, der schmachvollste Hohn zu sein schien, den je ein Talent gegen das arme Volk ausgeübt.

Endlich führte mich der Diener in das Arbeitskabinet des sozialistischen Marschalls der Literatur.

Eugen Sue war früher ein Abgott der Damen gewesen, man sagt, wegen seiner Schönheit, die zu dem Calembourg le beau Sue (bossu) Anlaß gegeben. Mein Erstaunen war deshalb nicht gering, als ich, dicht vor dem gezähmten Autor, in eine der unangenehmsten und häßlichsten Physiognomien blickte. Das ganze Gesicht hatte eine lächerliche Aehnlichkeit mit dem eines Laubfrosches; breit und ohne feine Züge, sah eine gewisse Stupidität aus den Augen, eine aufgeblasene Vornehmheit, die mehr zum Lachen als zum Imponiren reizte. Trotz aller Eleganz, welche Eugen Sue in seiner Garderobe entfaltete, sah man dennoch einen plebejischen Aristokraten heraus, dessen Manirirtheit einen sehr widerlichen Eindruck macht. Die Haare waren parfümirt und frisirt, aber ihre Tracht kleidete durchaus nicht dem Antlitz, welches durch einen sauber gepflegten Backenbart noch breiter gemacht wurde. Die blendend weißen Kragen, die seidene Kravatte, das weiße Vorhemd und die Weste, waren gewiß tadellos; aber ich mußte auf die Lippen beißen, als ich den Sozialisten mit den feinsten Jouoin’schen Handschuhen bekleidet fand und zwar mit der Feder zwischen den Fingern. Sue treibt die aristokratische Noblesse so weit, daß er seine Theorien für die Armuth, seine sozialistischen Reformen und seinen Haß gegen den Luxus und Reichthum nicht anders als mit Glacehandschuhen auf den Fingern niederschreibt, als habe er Furcht, daß er sich mit seinem Stoff die Hände beschmutze. Freilich verdient der Verfasser der Geheimnisse von Paris so riesige Summen jährlich durch seine berühmte Feder und besitzt selber ein so bedeutendes Vermögen, daß man es ihm nicht verdenken kann, sich mit allem raffinirten Luxus zu umgeben; schade nur, daß er diesen Luxus selbst in seinen Schriften gebrandmarkt hat und daß dieser Freund des Volkes, so verschwenderisch im Almosengeben seiner Theorien, so geizig im Wohlthun mit seinem Reichthum ist.

Das Nabobthum eines änderen literarischen Marschalles, Alexander Dumas, welches sich vornehmlich in dem grotesken Schlosse Monte Christo zeigte, hat dagegen gar nichts Beleidigendes für die übrigen armen Teufel. Alexander Dumas hat bewiesen, wieweit es ein industrielles Talent in allen Zweigen zu bringen vermag, und selbst auf dem hungrigen Gebiet der Literatur, auf dem mehr Proletarier des Geistes vor Elend umgekommen sind, als irgendwo anders. Es ist wahr, daß derjenige ein dummer Kerl ist, der aus Ehrgeiz und um des Nachruhms willen hienieden hungert; aber wer kann für diese Schwäche? Alexander Dumas hat dergleichen nie gekannt; er hat in der Literatur einen Marschallsstab erhalten und Millionen erworben, die ihm selbst die Ausführung eines Planes seiner grotesken Phantasie gestatteten und den glücklichen Chef des literarischen Industrialismus erlaubten, bei St. Germain die berühmte Villa Monte Christo zu bauen, dessen sonderbare Bauart sie beim ersten Anblick sogleich für das Kind eines wilden phantastischen Kopfes erkennen ließ.

Diese Villa, zu deren Bau die fabelhaftesten Summen von Dumas erworben werden mußten, enthielt Alles, was die Phantasie einem Nabob nur in den Sinn kommen ließ. Dumas berief selbst zwei Araber zu sich, welche ihm ein Zimmer ganz in maurischer Manier auszieren mußten, die Wände desselben mit Koransprüchen beschrieben und sich schriftlich verpflichteten, niemals eine ähnliche Arbeit in Europa auszuführen. Die feenhafte Pracht von Monte Christo mit seinen kostbaren Malereien, gothischen Pavillons, Glockenthürmen, Irrgärten, Inseln, Wasserfällen und jenem berühmten Kiosk inmitten dieser Krösusschöpfung, in welchem Dumas zu arbeiten pflegte und dessen Wände mit reich gemeiselten Medaillons geziert waren, deren jedes den Titel seiner Werke trug, ragte mit aller Sonderbarkeit wie ein Monument des literarischen Schelmenthums in die Luft, dem Millionen vernünftige und gebildete Kreaturen Weihrauch streuten, was beweist, daß das wahre Verdienst Eselsohren hat und die große Masse vor demjenigen sich beugt, der es am besten an der Nase umherführt.

Die Villa Monte Christo, deren bloße Unterhaltung jährlich eines fürstlichen Vermögens bedurfte, hatte ein Atelier für die Maler, zwölf Besuchszimmer, einen kleinen, aber kostbaren Palast für die Affen, nämlich die vierbeinigen; ein reizendes Haus für die Papageien, nämlich die gefiederten; ein drittes Schlößchen für die Hunde, nämlich die angenehmen; einen königlichen Marstall mit recht kostbaren Pferden, Wagenhäuser mit Tilbury’s und Kabriolets.

Der große Salon der Villa bot unglaubliche Pracht dar, sowohl in der Dekorirung, wie auch in dem Reichthum der Ornamente;

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_122.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)