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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

die Wälle vertheidigten, liegen unbeachtet auf ihren morschen, geborstenen Lafetten oder im Sande, und haben jetzt nur noch die friedliche Bestimmung als Sitze zu dienen. Bei unserer Rückkehr in das Hotel hatten wir die Freude, einen unserer Reisegefährten noch anlangen zu sehen. Derselbe war, von der Hitze ohnmächtig, mehrmals vom Maulthiere gestürzt, und hatte schließlich auf einer hastig aus Aesten hergestellten Trage von Indianern nach Panama getragen werden müssen. Doch erholte er sich hier bald in der Abendkühle und zu unserer Aller Stärkung begaben wir uns zeitig zur Ruhe, um durch einen guten Schlaf die Reisestrapazen zu vergessen. Aber die Moskito’s hatten es anders beschlossen.

Wer je eine Nacht an einem Orte zugebracht hat, wo die Sonne fast senkrecht steht und die Moskito’s in unzähligen Schaaren den Schlafsuchenden überfallen, der kann sich unsere hülflose Lage vorstellen. Anfangs kämpfend gegen diese unsichtbaren Feinde, deren Gesumme schon Grauen erregt und in wirklich nervöse Aufregung versetzt, verzichtet man bald auf jede Vertheidigung und ergibt sich auf Gnade und Ungnade. Es ist merkwürdig, daß besonders die Neuangekommenen zu leiden haben und es scheint, als ob das frische Blut, welches sie mitbringen, den Moskito’s besonders munde. Indeß die Natur forderte von uns ihre Rechte und wir verfielen endlich in Schlaf, aus dem wir allerdings als vollkommene Opfer der Moskito’s erwachten. Die frische Morgenluft, welche ungefähr der Mittagshitze unserer deutschen Sommertage glich, lud uns zu einem Spaziergange ein, welchen wir in Panama’s Straßen vollzogen, um eine Ansicht der Stadt zu haben. Wie alle Städte Amerika’s, die von Spaniern angelegt sind oder unter deren Herrschaft gestanden haben, ist auch Panama sehr reich an Kirchen, von denen jetzt allerdings nur noch wenige benutzt werden; die meisten sind zerfallen und bilden mitunter, wenn auch keine großartigen, doch recht schöne Ruinen. So bietet das ehemalige Jesuitenkloster in seinen zerfallenen Hallen und geborstenen Säulen, von Palmen überschattet und mit Schlingpflanzen umgrünt, einen schönen Anblick dar und zeigt von früherer Blüthe und Pracht. Die noch jetzt benutzte Kathedrale ist einfacher und nur die Thürme haben etwas Besonderes; sie sind nämlich vollständig mit Muscheln bekleidet. Im übrigen ist Panama sowohl im äußern Ansehen als auch in inneren städtischen Einrichtungen bedeutend zurück gegen andre Städte Südamerika’s von viel geringerer Wichtigkeit.

Haartracht eines jungen Mädchens.

Unsre Wanderung durch die Stadt war sehr bald beendigt und schleunigst eilten wir zurück, um uns vor der fast sengenden Hitze (es war erst 9 Uhr Morgens) zu schützen. Wir zogen vor, vom Balkon aus den Strom Wanderer ankommen zu sehen, welcher drei Tage hintereinander ununterbrochen an unserem Hotel vorüberfluthete. – Er glich in der That einer kleinen Völkerwanderung, denn sowohl von Nordamerika als auch von Europa waren über 3000 Auswanderer angelangt, deren gemeinschaftliches Ziel Kalifornien war. Dazu kamen noch die von dort Zurückkehrenden, welche, obgleich in geringerer Anzahl, doch auch zur Vergrößerung des Gewühls beitrugen. Es war eine förmliche Menschenüberschwemmung. Viele kampirten in den Straßen und richteten sich in Zelten oder anderswie häuslich ein, um den Abgang des nächsten Schiffes zu erwarten. Alle Gasthöfe waren überfüllt und in Privathäusern war kein Unterkommen zu finden. Dies dauerte glücklicherweise nur drei Tage. Leicht hätte sich bei einer derartigen Ueberfüllung und zu dieser Jahreszeit das gelbe Fieber entwickeln können. So viel uns bekannt, kam nur ein einziger Fall vor; unser Stubennachbar, ein Franzose, fiel als Opfer. Sein Kranksein währte nicht über zwanzig Stunden. Gegen Abend fing er an zu stöhnen, seine Glieder wurden steif und gegen Mittag war er bereits im Hospital (einem alten, an den Strand gezogenen Schiffe), wohin man ihn am Morgen geschafft, gestorben. Es war dies wirklich keine angenehme Nachbarschaft, die Schmerzenslaute des Unglücklichen verscheuchten jeden Schlaf und brachten die Gedanken immer wieder auf diese Geißel der tropischen Gegenden, des gelben Fiebers und auf die Gefahr, ihr zu unterliegen, zurück. Wir suchten deshalb auch so wenig wie möglich in der verpesteten Luft Panama’s zu leben und unternahmen zu diesem Zwecke täglich Wanderungen in die Umgegend.

Indianerin in Panama.

Besonders reizte uns die Aussicht, welche man vom Gipfel eines hinter Panama gelegenen Berges haben sollte und wir beschlossen sofortige Besteigung. Gut bewaffnet mit Revolvern, Messern, Stöcken, Einige von uns noch ausgerüstet mit Stecknadeln und anderen dergleichen Hülfsmitteln, um harmlose Thiere ihrem naturwissenschaftlichen Hunger zu opfern, machten wir uns auf den Weg. Drei Mal schon hatten wir versucht vorzudringen, immer führte uns der Weg nur bis zu einigen Indianerhütten, die mitten im Walde lagen. Ungefähr ein Dritttheil des Weges hatten wir erreicht, aber dann umgab uns fast undurchdringliches Dickicht, und obgleich wir ein gutes Stück in demselben vordrangen, den Pfaden von Maulthieren folgend, nirgend fanden wir den Weg. Daß es einen solchen gäbe, sahen wir am Fuße des Berges; denn man konnte vom Gipfel herab einen schmalen Steig ein Stück abwärts verfolgen. Aber für die Fruchtlosigkeit unserer Versuche wurden wir entschädigt durch die Pracht der Natur, durch die Herrlichkeit dieses Waldes, der noch in unangetasteter jungfräulicher Schönheit prangte. Mahagoni- und andere mit dem üppigsten Grün belaubte Bäume bildeten ein dichtes Dach, durch welches die schlanken Palmen wie Säulen brachen, um über ihm mit ihren schwankenden Kronen ein zweites luftiges Gewölbe zu schlagen, durch dessen Zwischenräume das dunkle Himmelsblau leuchtete. Wo das Auge hinblickte, fiel es auf Blüthen, von denen eine die andere an Schönheit und Pracht der Farben, an Mannigfaltigkeit der Gestaltung, an süßem Dufte übertraf.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_117.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2022)