Seite:Die Gartenlaube (1857) 010.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

ersten Male das schwarzrothgoldene Banner. Mit wie lauter Stimme aber auch der eherne Mund der Geschütze die Kunde hinausschrie in die Welt: „es gibt nun ein Deutschland! das deutsche Volk hat ein Vaterland! Es ist gerüstet und bewehrt zu Land und zu Meer!“ – noch lauter klang der jubelnde Hurrahruf, der von der versammelten Menge in den Böten aufstieg und von neuem und immer von neuem sich wiederholte. Daß an diesem Tage vielen Tausenden von Weinflaschen der Hals gebrochen wurde, daß man Toaste über Toaste auf das Blühen und Gedeihen der deutschen Flotte, ja sogar auf die erste deutsche Seeschlacht sprach, brauche ich als selbstverständlich gar nicht zu erwähnen.

Ich meiner Seits hatte meinen Lieutenant trotz seiner barschen Rauhheit lieb gewonnen, denn ich wußte schon, daß er das Herz nicht nur auf dem rechten Flecke hatte, sondern daß es auch ein gar liebes freundliches Herz war. Als er zum Kapitain der „Hamburg“ ernannt wurde, bat ich ihn, mich mit dahin zu nehmen.

Er freute sich offenbar dieser meiner Anhänglichkeit und mein Wunsch wurde mir erfüllt. Die „Hamburg“ war ein Dampfer von 180 Pferdekraft, bewaffnet mit einem 56pfündigen Geschütze vorn und einem 32pfündigen hinten, beide auf Drehschlitten, wie sie auf Dampfern gebräuchlich sind, damit ihr Feuer nach allen Seiten gerichtet werden kann, außerdem mit zwei 32pfündigen Karonaden am Back- und Steuerbord. Außer dem Kapitain hatte der Dampfer nur noch zwei Hülfsoffiziere, beide früher Steuerleute auf Kauffahrern, aber aus guter Familie stammend und deshalb nicht so roh und ungebildet wie viele ihrer Kameraden. Sie nahmen mich auf’s Freundlichste in ihren Kreis auf. Wir verbrachten den ganzen Winter in „süßem Nichtsthun,“ das mir aber nichts weniger als süß vorkam, da ich hinaus in See wollte. Im Frühjahr endlich erhielten wir und die „Lübeck“ den Befehl, nach B. zu fahren, um uns mit den aus England erwarteten Dampfern „Barbarossa“ und „Erzherzog Johann“ zu vereinigen. Die Fahrt ging auch glücklich von statten, ohne daß die dänischen Fregatten uns bemerkten, welche die Elbe und die Weser blockirten. Ueberhaupt begann es auf den Schiffen lebendiger zu werden. Der Großherzog von Oldenburg stattete der jungen Flotte einen Besuch ab und er schien große Freude an ihr zu haben. Wir, d. h. die Hamburg, sollten, hieß es, mit der Barbarossa und der Lübeck in See gehen. Ich bekam Cameraden in zwei neuen Seejunkern; auch zwei Schiffsfähndriche erschienen und so wurde der Stab der Hamburg vollständig. Die Mannschaft ebenfalls war ergänzt und mit großem Eifer wurde an den Kanonen exerzirt. Dabei wurde die Uebung mit dem kleinen Feuergewehr und den Handwaffen nichts weniger als vernachlässiget, denn unser Kapitain wollte Ehre mit seinem Schiffe einlegen, er erwartete bald eine Gelegenheit sich zu zeigen und war deshalb von früh bis zum Abend unermüdlich mit dem Einüben seiner Mannschaft beschäftiget. „Wenn nur die Barbarossa käme!“ hieß es täglich wohl zwanzig Mal, denn wir alle sehnten uns sehr, uns mit den Dänen zu messen.

Am Morgen des 4. Juni endlich kam die mit so großer Sehnsucht und Ungeduld erwartete „Barbarossa“ an. Sobald der Rauch ihres Schlotes in der Ferne sichtbar war, wurde auch auf der „Hamburg“ und der „Lübeck“ geheizt. Als sie herangekommen, ging der Admiral an Bord; gleich darauf signalisirte sie: „folgt meinen Bewegungen!“ und alle drei Schiffe dampften der Mündung der Weser zu. Sie sollten und wollten sich mit den dänischen Kriegsschiffen messen, denn sie waren die einzigen, die zur Verfügung standen. Die Dampffregatte „Hansa“ von 800 Pferdekraft, die man in New-York gekauft, hatte auf ihrer Fahrt von dort her Schaden gelitten und lag in Liverpool in Reparatur. Die zweite Dampffregatte „Erzherzog Johann“ war auf der Fahrt von England herüber auf den Sand gerathen, hatte am Rumpfe wie an den Maschinen stark gelitten und lag im Dock; die „Bremen“ hatte ihre Maschine noch nicht, drei andere in England bestellte Dampfcorvetten waren noch nicht fertig. Von Segelschiffen besaßen wir nur die „Deutschland“ und diese wurde zu einem Schulschiffe für Seejunker eingerichtet. Nur die erwähnten drei Dampfer blieben zum Kampfe übrig. Zwar brannte die Mannschaft auf denselben vor Begierde mit den Feinden anzubinden und eine erste deutsche Seeschlacht zu schlagen, aber wir konnten uns kaum mit der Hoffnung schmeicheln, die Dänen aus der Nordsee zu vertreiben, die drei Fregatten, eine Corvette und den Dampfer „Geiser“ von der Größe der „Barbarossa“ hatten. Hätte damals schon der Admiral alle Schiffe beisammen gehabt, es würde vieles anders gekommen, Deutschland viel Leid und Schmach erspart worden sein. Es war das herrlichste Wetter und die See glatt wie ein Spiegel als die drei deutschen Schiffe die Weser verließen und nach Helgoland zu steuerten. Gegen elf Uhr Mittags bekamen wir in der Nähe dieser Insel einen Dreimaster in Sicht, in welchem die dänische Corvette „Walkyre“ erkannt wurde. Die „Barbarossa“ hißte das Signal: „fertig zum Gefecht!“ in die Höhe und alsbald wirbelten auf allen drei Dampfern die Trommeln, die Mannschaft an die Posten zu rufen.

Am Bord der „Hamburg“ war alles in freudiger Bewegung. Die Waffen lagen auf dem Verdeck bei den Geschützen vertheilt; die Mannschaft stand des Kommando’s gewärtig an den Kanonen und die Spritzen waren fertig zum Gebrauch für den Nothfall. Unser Kapitain konnte den Augenblick kaum erwarten, in dem er nahe genug sein würde, den ersten scharfen Schuß von einem deutschen Schiffe gegen Deutschlands Feinde thun zu können. Endlich gab er den Befehl: „Feuer!“ Der erste Schuß aus dem Sechsundfünfzigpfünder der „Hamburg“ donnerte und die Kugel schlug dicht hinter dem Heck der „Walkyre“ in’s Wasser, das hochaufspritzte und die Besahn derselben naß machte. Wir begleiteten den Schuß mit lautem Jubel. Die Leute waren so aufgeregt, obgleich sie außer ihrer gewöhnlichen Ration nichts getrunken, daß sie gar nicht mehr aufhören wollten Hurrah zu schreien. Sicherlich ist, so lange es Kämpfe auf dem Wasser gegeben hat, nie und nirgends die Mannschaft mit so großem und so wahrem Enthusiasmus zu einem Seegefecht gegen den Feind gegangen, als an jenem Tage die Mannschaft der drei deutschen Dampfer.

„Schießt gut, Leute!“ rief der Kapitain. „Schießt gut! So wie nur ein Mast über Bord geht, laufen wir an und entern.“

Welcher neue Hurrahjubel folgte seinen Worten!

Das Feuern mochte etwa eine halbe Stunde gedauert haben und das dänische Schiff hatte mehrere Kugeln von uns bekommen als eine leichte Brise aufsprang, die immer mehr auffrischte. In der Ferne begannen sich die drei dänischen Fregatten nebst dem Dampfer in Schlachtlinie zu zeigen und sie näherten sich uns rasch.

Kamen sie heran, so wurde uns der Feind weit überlegen. Die „Barbarossa“ hißte deshalb das Signal zum Rückzuge auf. Ich war Signalkadet, meldete kleinlaut unserem Kapitain, was uns befohlen sei und fragte, welche Antwort ich signalisiren solle.

„Lassen Sie das Signal: „nicht verstanden!“ hissen,“ antwortete mir der treffliche Mann. „Wir haben noch Zeit genug zum Umkehren, wenn wir denn doch umkehren müssen.“

Ich that wie mir befohlen war, und signalisirte: „nicht verstanden!“ Dabei wurde flott weiter gefeuert. Die „Barbarossa“ hißte nach einiger Zeit zum zweiten Male das Rückzugssignal auf und pflichtschuldigst mußte ich’s abermals melden. Dieses Mal antwortete der Kapitain gar nicht, er schüttelte nur stumm mit dem Kopfe und schnell signalisirte ich wiederum, „nicht verstanden!“ – Und zum dritten Male wiederholte die „Barbarossa“ den Befehl zur Umkehr und zum dritten Male antwortete die „Hamburg“: „nicht verstanden.“ Da endlich lief die „Barbarossa“ der „Hamburg“ längs Seite, und der Admiral wiederholte uns nun den Befehl zum Rückzug durch das Sprachrohr. Jetzt blieb unserm kampflustigen Kapitain nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Er strich sich mit dem Rücken der Hand über die Augen, um ein paar Zornesthränen abzuwischen; dann verließ er seinen Standort und begab sich in seine Kajüte, aus welcher er nicht wieder zum Vorschein kam, bis die Schiffe sich der Elbemündung näherten, wo er selbst das Kommando wieder übernehmen mußte.

Unsere Schiffe hatten in dem kurzen Kampfe nicht den mindesten Schaden gelitten, da die Kugeln der „Walkyre“ theils vor, theils an der Seite von uns in das Wasser geschlagen waren. Zuletzt warf der „Geiser“ noch einige Bomben gegen die „Hamburg“, welche noch am weitesten zurück war, aber auch diese platzten entweder in der Luft oder schlugen in das Wasser ein.

Die Brise hatte unterdeß bedeutend aufgefrischt, und es war für uns die höchste Zeit zum Rückzüge gewesen, wenn man die Schiffe nicht in die Gewalt der Dänen wollte fallen lassen. Dies mußte der Admiral, auf dem so große Verantwortlichkeit ruhete, vor Allem vermeiden, und darum hatte er, wenn auch mit großem Widerstreben, den Befehl zur Umkehr geben müssen. Der Weg nach der Weser blieb uns so schon abgeschnitten, und wir sahen uns genöthigt, Abends auf der Rhede von Cuxhafen vor Anker zu gehen. Vierzehn Tage mußten wir da liegen bleiben, ehe wir

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_010.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)