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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

gleichfalls mit zahlreichen Schüssen begrüßt. Vor dem Hochzeitshause sind die Eltern und Geschwister des Bräutigams und die im Orte wohnenden nächsten Verwandten, sowie die Schaffer und Köchinnen zum Empfange der Braut versammelt. Diese wird zuvörderst nach Brauch und Sitte aufgefordert, die in Betreff der Aufnahme fremden gesetzlich vorgeschriebenen Legitimationsatteste zu produciren und da solche mangeln, wird ihr Anfangs der Zutritt verweigert, wie man gleichzeitig zu verhindern bemüht ist, daß das inzwischen von einem Nebenwagen genommene Brautbett in’s Haus geführt wird. Nach vielen albernen Umschweifen wird endlich der Ankommenden der Eintritt gestattet. Ein Schaffer reicht darauf mit einem Glase rothen Branntwein, den man für den Winter fast in jedem Hause präparirt, den Willkomm. Die Brautleute trinken und werfen demnächst resp. Flasche und Glas über den Kopf zur Erde. Sind dieselben nicht bereits durch den Fall zerbrochen, was man immerhin schon als eins der bedenklichsten Omina’s zu bezeichnen pflegt, so werden sie zu zahllosen Scherben zertreten. Hiermit ist der Einzug, im plattdeutschen Dialekt „Inschuv“ genannt, beendigt und sofort beginnt man, in dem Brautgemach das Paradebett der Braut aufzuschlagen und mit Blumen und Bändern zu schmücken. Ein „Mangelbret und Mangelstock“ (Zeugrolle) werden neben dem Brautbette hingehängt, wie das Spinnrad und der Haspel der Brautjungfer auf eine im Brautgemach stehende Lade postirt werden.

Am Vorabend, wie am folgenden Morgen gehen wiederum von allen Seiten, wie bei der oben erwähnten Todtenfeier, reiche Spenden an Eiern, Rahm und Butter ein. Mit dem Beginn des Hochzeitstages wird auf dem Hofraume eine für die Zubereitung des Mahles bestimmte Vorkehrung hergestellt. Aufrecht stehende Pfähle oder Stangen werden nämlich in den Boden gesenkt und oben mittelst einer Querstange verbunden. An letztere werden große kupferne Kessel mittelst Haken befestigt, und nachdem nun noch ein Feuer angeschürt worden, beginnt die improvisirte Küche ihre Thätigkeit.

Währenddeß wird im Hause die Braut mit einer goldglänzenden Krone stattlich geschmückt und mit Blumenguirlanden umwunden. Eine vorläufig mit Waldhörnern, Clarinetten und Flöten bewaffnete Musikbande nimmt neben dem Eingange des Hauses Stand, um die sehr zahlreich eintreffenden Gäste successive mit einem feierlichen Tusch zu begrüßen, wie dieselbe später das Brautpaar an die Kirche und nach der Trauung von da zurückbegleitet. Befindet sich das Hochzeitshaus in einem der Kirche mehr oder weniger entlegenen Orte des Sprengels, so wird die von zwei „Beisitzerinnen“ begleitete Braut von zwei muthigen und im sausenden Galopp dahingehenden Rappen, welche bereits seit Wochen daheim aus der Krippe eine angemessene Vorbereitung genossen, nach dem Kirchorte abgeführt, und etwa zehn bis funfzehn Minuten später folgt der Bräutigam gleichfalls in Begleitung von zwei „Beisitzern“ ihr nach. Längs des Weges harrt in gespannter Erwartung bereits eine lange Reihe von Kindern, die gekommen sind, um zu „schnüren.“ Dieselben sind nämlich bewaffnet mit langen Stöcken, welche sie beim Nahen der Wagen über die Spur werfen, wofür ihnen kleine Geldstücke entgegen fliegen. Nach der Trauung eröffnet der Bräutigam den Zug. Heimgekehrt wird Jeder der Burschen, welche während der fast gefahrvollen Brautfahrt ihre Kutschergewandtheit zur Schau stellten, mit einem stattlichen Tuche beschenkt. Zwei- bis vierhundert Personen sind bereits um die inzwischen vollständig servirten Tische versammelt, von denen unter andern die stattlichen Brautkuchen gar freundlich winken.

Alles harrt des Eintritts der Brautleute, die in der Regel der Pfarrer zu begleiten pflegt. Die Braut nimmt in der Mitte ihrer Beisitzerinnen Platz unter dem Spiegel, wo ihr zu Häupten ein Gesangbuch und ein Nadelkissen mittelst farbiger Seidenbänder befestigt worden. Gleich den Schaffern eine saubere Serviette über die Schulter werfend, theilt jetzt der Bräutigam das Geschäft der Aufwärter. Weinsuppe, Mehlbeutel mit Schinken, Rinderbraten und Kuchen machen meistens die verschiedenen Gänge des Hochzeitmahls. Das ganze Haus füllt Klang und Sang und Lust und Leben. Von den außerordentlich reichen Vorräthen des Mahles werden auch jetzt wieder, wie bei allen festlichen Gelegenheiten, angemessene Rationen nach denjenigen Häusern expedirt, aus denen am Morgen eine Beisteuer der erwähnten Art einging, wobei insonderbeit aber die Alten und Leidenden nicht zu vergessen sind und auch Alles, was daheim geblieben, mitspeist. Nachdem am Schlusse durch einige in Circulation gesetzte Teller die Köchinnen ein Douceur sich erbeten, wird die Tafel aufgehoben. Nach und nach finden sich jetzt auch die jungen Tänzer des Dorfes ein und es eröffnen nunmehr die Schaffer und Köchinnen den Reigen. Alles hüpft und springt und singt beim Klange des mitunter freilich etwas hausbackenen Orchesters fröhlich durcheinander und Jedermann scheint eingedenk zu sein, daß nicht alle Tage Hochzeit sei. Zur Mitternachtszeit werden die Brautleute, wie die fremden Gäste hierhin und dorthin zum Kaffee und Abendbrot geladen. Am Schluß der Hochzeitsfeier folgt der Brauttanz, an dem außer dem Brautpaar die Beisitzer und Beisitzerinnen Theil nehmen. Alle Schaffer und Schafferinnen stehen währenddeß im Kreise und halten zwischen zwei und zwei Fingern ein brennendes Licht, also in jeder Hand vier Lichter. Nachdem eine Weile getanzt ist, verliert sich plötzlich forttanzend das Brautpaar in eine neben dem Tanzlokale befindliche Kammer, wird jedoch von allen Anwesenden verfolgt und hervorgezogen, worauf Alles die Braut umringt und unter Musikbekleidung sie ihres Brautschmuckes entledigt, womit die Feier beendigt ist. Nachdem die erfreuten Gäste ihre zum Theil recht werthvollen Gaben gespendet, scheiden dieselben nun mit den herzinnigsten Wünschen für das ganze Lebensglück der Gefeierten.

C. W.


Die Schmarotzer des Menschen.
Der Bandwurm.

Nach dem Tode nicht nur wird unser Körper zur Wohnung und Nahrung von Thieren und Pflanzen, auch schon bei unsern Lebzeiten schmarotzen derartige Geschöpfe auf und in unserm Körper herum. Diese Schmarotzerei macht uns manchmal so große Plage, daß man die Zweckmäßigkeit derselben kaum einzusehen vermag. Von einigen thierischen Schmarotzern, welche auf uns herumkriechen und hüpfen, wie Läuse, Flöhe, Wanzen, Milben, meint Schultz von Schultzenstein, daß dieselben dazu geschaffen, damit sie, wenn der faule Mensch in Schmutz versinkt, diesen durch Jucken zum Kratzen und so zur Mauserung seiner Haut zwingen. Einer meiner Freunde hätschelt seinen Bandwurm deshalb als Mitesser, damit er (nämlich mein Freund) nicht zu dick wird und die Taille verliert. Manche ungebildete Völker, wie die Buschmänner, die Neger und Hottentotten, die Indianer am Missouri und am La-Plata, die Bewohner Neuseelands und der Fuchsinseln, mästen ihr schmarotzendes Ungeziefer, um es als Delikatesse zu verspeisen. Vielleicht haben aber alle Schmarotzer nur den Zweck, zu verhindern, daß es dem Menschen nicht zu wohl werde.

Die Schmarotzer oder Parasiten sind selbstständige, lebende Wesen, welche von eigenen thierischen oder pflanzlichen Eltern abstammen und in oder an einem andern lebenden, menschlichen, thierischen oder vegetabilischen Wesen nicht nur ihren Wohnsitz nehmen, sondern aus demselben auch ihre Nahrung ziehen, um sich entwickeln, gedeihen und fortpflanzen zu können. – Die Parasiten des Menschen stammen also entweder aus dem Thier- oder aus dem Pflanzenreiche; die thierischen Schmarotzer, welche sich’s im Innern des menschlichen Körpers (vorzugsweise im Darmkanale) wohl gehen lassen, nennt man Entozoen, die an der Oberfläche desselben residirenden heißen Epizoen; die pflanzlichen Parasiten sind entweder Entophyten und wachsen dann innerhalb unseres Körpers, oder sie werden Epiphyten genannt, wenn sie am Aeußern des Körpers wuchern. Eine Uebersicht dieser Parasiten folgt im nächsten Aufsatze, vorläufig betrachten wir

den Bandwurm.

Der Bandwurm, welcher den Dünndarm des Menschen bewohnt und dem Einen gar keine, einem Andern nur wenige und einem Dritten zeitweilig sehr große, niemals aber gefährliche Beschwerden macht, stellt einen bandförmig breitgedrückten weißen weichen Strang dar, der aus einem sogenannten Kopfe, der an dem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_007.jpg&oldid=- (Version vom 3.1.2022)