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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Aus dem Boudoir einer Römerin.
Kulturgeschichtliche Skizze von Karl Wartenburg.

Die Boudoirs unserer reichen und eleganten Damenwelt in Wien, Berlin, Hamburg, Paris und London sind nicht die unscheinbarsten Tempel, welche sich die moderne Kultur aufgebaut hat. Gewerbe, Kunst und Wissenschaft: sie alle sind in Dienst genommen worden, um diese reizenden Asyle der Frauen schmücken zu helfen. Von dem Seidenwirker an, der die prachtvolle Tapete gewebt, welche die Wände bedeckt, dem Tischler, der die zierlichen Möbel aus Rosenholz gearbeitet, dem Bildhauer, der jene niedlichen Statuetten des Nipptisches geformt, dem Maler, dessen Pinsel die anmuthigen Genrebilder geschaffen, welche die Fensternische zieren, bis zum Dichter und Naturforscher herauf, deren neueste Werke in rothem Saffianeinband und Goldschnitt auf dem Toilettentisch liegen, hat ein Jeder sein Steinchen zu dem Bau beitragen müssen.

Gewiß, die Boudoirs unserer modernen Frauenwelt sind einzig in ihrer Art! Welche Wunderdinge flüsterten sich z. B. die neugierigen Pariserinnen vor einigen Jahren, kurz vor der Vermählung Louis Napoleon’s mit Eugenie von Montijo in’s Ohr, über die prachtvolle Einrichtung des Boudoirs der jungen Kaiserin, jenes Boudoirs in den Tuilerien, dessen Herrlichkeit und fabelhafte Pracht an die arabischen Feenmärchen der „Tausend und Eine Nacht“ erinnern sollte! Wie horchen unsere einfachen deutschen Frauen erstaunt auf, wenn ihnen die Reisenden von dem üppigen Gemisch europäisch-asiatischen Luxus in den Putzzimmern russischer Gräfinnen und Fürstinnen, bedient von einem Troß von Leibeigenen, von dem Gepränge und dem zahlreichen weiblichen Dienerschwarm, der in Ostindien die Ankleidezimmer der vornehmen englischen Ladys füllt, erzählen! Wie überrascht würden Tausende von schlichten Kleinstädtern sein, wenn sie die glänzenden und schimmernden Herrlichkeiten und Nichtigkeiten des Boudoirs einer Dame von der hohen Finanz oder Aristokratie in Wien und Berlin erblickten; noch einmal: die Boudoirs unserer modernen Damenwelt, angefüllt mit allen den reizenden, kostbaren Tändeleien und Dingen, wie sie die Launen einer jungen, hübschen, reichen Frau und die Mode verlangen, vereinigen in sich das Höchste, was der moderne Luxus nur bieten kann und kosten alljährlich enorme Summen – und dennoch, was bedeuten diese Summen gegen die, welche die Boudoirs der üppigen Patrizierinnen des alten Roms verschlangen? Im Schlafkabinet: Bettgestelle von massivem Silber mit Gold ausgelegt; in dem Ankleidezimmer: hohe Spiegel, in denen sich die ganze Gestalt in Lebensgröße abspiegeln konnte, von starkem, polirtem Silber mit einer Unterlage von Goldblech und rings herum mit den seltensten, kostbarsten Edelsteinen eingefaßt; Toilettentische von afrikanischem Citronenholz, im Werthe von tausend bis zwanzigtausend Ducaten, [1] Fußbänkchen von gediegenem Silber, Leuchter aus Aegina, deren einer so viel kostete, als vielleicht jetzt der jährliche Gehalt des Ministers eines kleinen deutschen Staates beträgt, Bildsäulen und Gemälde griechischer Meister, gegen deren Preise selbst die höchsten unserer Zeit wahre Bagatellen sind, und die Wände der Zimmer von Marmor, mit dicker Vergoldung bedeckt.

Die edeln Metalle wurden überhaupt mit einer Verschwendung gebraucht, die nur dadurch zu erklären ist, wenn man bedenkt, daß das Gold und Silber dreier Erdtheile nach Rom geschleppt worden; daß die reichen Städte Kleinasiens, die Schatzkammern der egyptischen Könige, die Tempel Griechenlands, die Bergwerke Spaniens mit ihrem Gold und Silber die gierigen Römer befriedigen mußten, diese Römer, deren Durst nach dem edlen Metall eben so stark und fibrisch gewesen, als es der der Pizarro’s und Almagro’s in Peru war, und der der Goldgräber in Californien und Australien jetzt ist. Waren doch schon, wie Plinius erzählt, zu des Cicero Zeiten die Fußgestelle zu den Tischen und zu den niedrigen Lagern, um die Speisetafeln her, von massivem Silber. Und ein Gemälde, welches das Zimmer einer römischen Senatorin schmückte, wurde mit 80 Talenten bezahlt, eine Summe, die der Engländer Arbuthnot zu 15500 Pfund Sterling berechnet, und ein Preis, der, wie wir glauben, kaum für irgend eine Zierde der Dresdner Gemälde-Gallerie gezahlt worden ist.

Doch es war nicht allein dieser Luxus, der die Boudoirs der römischen Damen des Alterthums so kostspielig machte. – Wenn eine vornehme Dame unserer Zeit um ihren Toilettentisch vielleicht eine Kammerfrau und zwei Kammermädchen herumflattern sieht, so gehört sie gewiß schon zu den höchsten und vornehmsten Kreisen der Gesellschaft. Eine römische Patrizierin setzte aber jeden Morgen eine ganze kleine Armee von Sklavinnen in Bewegung.

Da gab es Thürsteherinnen (Janitrices), blos dazu bestimmt, den Vorhang von tyrischem Purpur zurückzuschlagen, wenn die Herrin aus dem Schlafgemach in das Ankleidezimmer trat, Schminkmädchen, Roth- und Weißauflegerinnen, Augenbrauenmalerinnen, Zahnputzerinnen, Spiegelhalterinnen, sämmtlich „Kosmeten“ genannt, ein der griechischen Sprache entnommenes Wort, der griechischen Sprache, die bei den römischen Damen der Kaiserzeit genau in derselben Weise gebraucht und als Umgangssprache der feinen Modewelt en vogue war, wie es in unserer Zeit die französische Sprache ist – oder vielmehr, in Bezug auf Deutschland wenigstens, war. So waren auch die griechischen Mädchen bei den römischen Damen als Zofen in demselben Ruf, wie es bei den deutschen Damen des achtzehnten Jahrhunderts die französischen filles de chambre waren, und eine Römerin würde sich für sehr schlecht geschminkt und frisirt gehalten haben, wenn sie nicht griechische Sklavinnen zur Bedienung gehabt hätte. Eine jede dieser Mädchen hatte ihre besondere Bestimmung bei der Toilette ihrer Herrin, ein Amt, das sie täglich üben mußte, um darin die größtmöglichste Geschicklichkeit zu erreichen. Die Eine wusch der Gebieterin mit lauwarmer Eselsmilch den Brotteig ab, mit der die eitle Dame während der Nacht ihr Gesicht beklebt, um die Haut weiß und weich zu erhalten, gerade, wie manche unserer Damen mit frischem Talg bestrichene hirschlederne Handschuhe des Nachts anziehen, um eine schöne Hand zu bekommen; die Andere legte ihr Roth und Weiß auf die Wangen; die Dritte malte mit einem zarten in fein gepulvertem Bleiglanz getauchtem Pinsel jene schwarzen Augenbrauen, die noch jetzt bei den Frauen des Orients als Schönheit gelten, und die ihren Besitzerinnen bei den alten Hellenen den Beinamen einer „farrenäugigen Juno“ verschafften; und die Vierte endlich, die Zahnputzerin, reichte der Dame Mastix aus Chios zum Kauen, ein Mittel, welches die Zähne weiß und schön erhält. Haben die Schminkmädchen ihren Dienst verrichtet, dann nahen sich die Haarschmückerinnen, um die Locken der schönen, gefallsüchtigen Herrin in die modernste Facon zu bringen.

Nicht mannigfaltiger sind in unserer Zeit die Coiffuren der Damenwelt, als es die jener römischen Patrizierinnen des Alterthums waren. Wollte man es versuchen, alle die Veränderungen des Lockenbaues und der Haartouren überhaupt aufzuzählen, welche die Mode in den letzten hundertundachtzig Jahren, von den sogenannten Fontanges an, bis herauf zu den à la chinoise- und Wahnsinnsscheiteln geschaffen, und damit die Zahl der römischen Haarmoden vom Tiberius bis Marc Aurel, also in einem fast gleich großem Zeitraum, als es der obige ist, vergleichen, so würde man finden, daß die Mode in dem klassischen Rom eben so furchtbar und erfinderisch war, als die in dem eleganten, putzsüchtigen Paris unserer Tage.

Eine besondere Vorliebe der römischen Damen der Kaiserzeit – denn von dieser Periode ist in vorliegender Schilderung die Rede – war die für goldblondes Haar. Nun sind aber bekanntlich die Italierinnen, wie die meisten Frauen des Südens, Brünetten, und die Blondinen gehören zu den seltenern Ausnahmen.

Die Kunst mußte also das ersetzen, was die Natur versagt hatte. Da gab es denn nun eine Menge Pomaden und Seifen, mit denen die schwarzen Haare gewaschen und gefärbt, ja gebeizt wurden, um ihnen jene liebliche Modefarbe zu verleihen; denn zu Perrücken, die es damals schon längst gab, nahm man nur höchst ungern, wenn alle andern Mittel nichts helfen wollten, seine Zuflucht. Ja, viele Damen gingen sogar im Luxus und in der Verschwendung so weit, ihr schwarzes Haar mit feinem Goldstaub zu bestreuen, um ihm dadurch jenen beliebten blonden Schimmer zu geben. Nichts ist älter, als die neueste Mode! Wem fällt nicht bei diesen Goldstaub bestreuten Haaren der Römerinnen des Alterthums jener neufranzösische Goldpuder ein, mit dem vor unfähr

  1. Gallus Asinius soll sogar für einen solchen eine Summe von 25000 Dukaten, nach unserem Gelde berechnet, bezahlt haben.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 682. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_682.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)