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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Einige Jahre vor Ausbruch des Streites zwischen den amerikanischen Kolonien und dem Mutterlande befand sich der Kapitain eines englischen Kriegsschiffes auf Station in Boston, von wo aus er zu Zeiten Kreuzfahrten machte, um den englischen Handel zu beschützen. Es traf sich unglücklicherweise, daß er von einer dieser Fahrten gerade an einem Sonntage heimkehrte; und da er seine Frau in Boston gelassen hatte, eilte sie ihm entgegen an den Strand, wo er bei seiner Landung sie zärtlich umarmte und küßte. Dies gab den umstehenden sauertöpfigen Bostonern gewaltigen Anstoß und wurde für eine grobe Unschicklichkeit und schwere Verletzung des Sabbaths angesehen. Der Kapitain wurde denn auch gleich den nächsten Tag vor den Magistrat gefordert, der ihn mit vielen strengen Vorwürfen und frommen Ermahnungen verurtheilte, öffentlich vierzig Streiche weniger einen zu empfangen Der Kapitain verbiß so weit möglich seine Entrüstung, und da diese Strafe, ihrer Häufigkeit wegen, keine besondere Unehre nach sich zog, lebte er wie vorher in der besten Gesellschaft und wurde überall freundlich empfangen.

Endlich war seine Stationszeit abgelaufen und er wurde zurückgerufen. Er ging daher mit anscheinender Bekümmerniß, um Abschied von seinen würdigen Freunden zu nehmen; und damit sie vor ihrer gänzlichen Trennung doch noch einen vergnügten Tag mit einander verlebten, lud er die vornehmsten Magistratspersonen und Stadtältesten für den Tag seiner Abfahrt zu einem Mittagsmahle auf seinem Schiffe ein. Sie nahmen die Einladung an, und nichts konnte heiterer und gemüthlicher sein, als das Fest, welches er ihnen bereitet hatte. Endlich erschien der fatale Augenblick, der sie trennen sollte: der Anker war gelichtet, die Segel waren aufgespannt, und nur das Zeichen zur Abfahrt fehlte noch. Nachdem er gerührt Abschied von ihnen genommen hatte, begleitete der Kapitain seine ehrenwerthen Gäste auf das Verdeck, wo der Hochbootsmann mit seinen Leuten schon zu ihrem Empfange bereit stand. Hier dankte er ihnen nochmals für alle Freundlichkeiten, die sie ihm erwiesen hatten und deren Erinnerung, wie er versicherte, ihm nie entschwinden werde. War es ihm leider auch nicht möglich, das Genossene entsprechend zu erwiedern, so bliebe doch noch eine Artigkeit zwischen ihnen auszugleichen, die, weil es in seiner Macht läge, er ihnen auf’s Genaueste vergelten wolle. Er erinnerte sie nun an das Geschehene, und nachdem er seinen Leuten gewinkt hatte sie zu binden, ließ er Einem nach dem Andern von dem Hochbootsmanne mit der neunschwänzigen Katze vierzig vollwichtige Streiche weniger einen aufzählen. Unter dem Jubelgeschrei der Mannschaft wurden sie hierauf schnell in ihre Boote gepackt, und mit vollen Segeln verließ der Kapitain den Hafen.




 Das Lied von den Rosen.

Wolken kamen gezogen,
Wo sinnend die Jungfrau stand,
Die hatten viel glühende Rosen
Dem Abendrothe entwandt.

Sprach die erste: „Rosen der Freude,
Die bring’ ich, du liebliches Kind,
Zu schmücken zwei schelmische Grübchen –
Nimm! sie verblühen geschwind.“

Die andere: „Rosen der Liebe,
Die hege am Herzen fein!
Dann strahlen dir Wangen und Auge
Im lieblichen Wiederschein.“

Und wie die beiden entflogen,
Da sprach die dritte recht mild,
Und reichte zwei schneeige Blüthen
Noch zart von der Knospe umhüllt:

Sieh hier des Schmerzes Rosen!
Wenn alle die andern verglühn,
Dann werden, im bleichen Schimmer,
Dir meine Blumen erblühn.“

 Hermann Schulze-Delitzsch.[WS 1]




Die Familie als Schule der Natur von Berthold Sigismund heißt ein Büchlein, welches als zweites Bändchen der bereits früher angekündigten „Bücher der Natur“ so eben erschienen ist. Eltern, denen die naturwissenschaftliche Bildung ihrer Kinder am Herzen liegt, möchten wir dieses eben so sinnig wie unterrichtend geschriebene Buch dringend empfehlen. Es wird Allen eine sehr willkommene Gabe sein. Jeder Erwachsene, wenn er auch Grimm’s Grammatik nicht studirt hat, lehrt sein Kind die Sprache. So kann auch jeder schlichte Mensch, der mit der Liebe zu seinem Kinde die Liebe zur Mutter Natur verbindet, sein Kind anleiten, mit der Natur zu verkehren, mit ihr zu reden, sie zu verstehen und zu lieben, wenn er nur offene Sinne und Lust am Lernen hat. Und reichlich belohnt wird er nicht nur durch den spätern Dank des Kindes, sondern auch durch die Freude des Augenblicks. Auge und Herz gehen dem Vater auf, wenn er sein Kind in die Natur einführt, und die seligste Naturfreude weht ihm auf jedem Spaziergange an. „Kein echter Forscher wird alt,“ hat Novalis schön gesagt; der Vater, der auch noch so laienhaft mit seinem Knaben an der Hand zur Natur in die Schule geht, wird selbst zum naiven, morgenfrischen, glücklichen Kinde. Das Büchlein lehrt nun, wie Eltern ihren Kindern die Naturwissenschaften einpflanzen können. Es werden darin keineswegs ideale Anforderungen an Eltern und Kinder gestellt, sondern nur Laien vorausgesetzt, die ihre Kinder so gut als die Natur lieben; Laien, die wissen, daß die süßeste Methode, versäumtes Studium nachzuholen, darin besteht, dasselbe mit den eignen Kindern zu treiben. Wir können das hübsch ausgestattete illustrirte Buch allen Eltern mit Ueberzeugung empfehlen.




Als schönstes Festgeschenke für alle Familienkreise

empfehlen wir die

Gartenlaube. Jahrgang 1855
geh. 2 Thlr.,
eleg. geb. in gepreßte Decke 2⅔ Thlr.

Aus dem reichen Inhalte dieses Jahrganges, der an Gediegenheit den früheren nicht nachsteht, führen wir nur einige vortreffliche Beiträge an. Derselbe enthält unter Anderem:

Novellen von Gerstäcker, Bernd v. Guseck, W. O. v. Horn, Louise Otto, Elise Polko, A. Schrader, Ludwig Storch, A. Temme, (Verfasser der neuen deutschen Zeitbilder), Feodor Wehl u. m. A.

Eine große Reihe Aufsätze von

Professor C. Bock über den menschlichen Körper im gesunden und kranken Zustande,

Naturwissenschaftliche Aufsätze und populär-chemische und physikalische Mittheilungen von Dr. H. Hirzel, Karl Müller, Prof. E. A. Roßmäßler, Dr. Willkomm,

Kulturgeschichtliche Bilder und Mittheilungen über Erziehungswesen von Prof. K. Biedermann,

Musikalische Briefe von Prof. J. C. Lobe,

Schilderungen – Reiseskizzen – Jagdabenteuer – Lebens- und Verkehrsbilder aus London, von Beta – Originalmittheilungen vom russisch-türkischen Kriegsschauplatze, mit Abbildungen – Briefe aus Amerika – Pariser Bilder und Geschichten – Schilderungen aus dem Volksleben – Interessante Mittheilungen aus Asien und Afrika – Skizzen aus Ungarn etc.,

Biographien und Charakteristiken mit vortrefflich ausgeführten ähnlichen Portraits von
Barth und Overweg – Beranger – George Cuvier – Goethe’s Eltern – Iskander Bei – Heinrich König – Palmerston – Jean Paul – Pelissier – Schiller in Volkstädt – Schiller’s Eltern – Schiller’s Frau – v. Schön – K. Simrock – Freiherr v. Stein – Max Waldau (Georg Spiller v. Hauenschild).

Von den zahlreichen künstlerisch-schön ausgeführten Illustrationen nennen wir nur folgende:

Die russische Armee – Die Bersaglieris – Des Adlers Horst – Das Castell der Semiramis in Wan – New-York aus der Vogelschau – Der Krim-Palast des Fürsten Woronzow – Rekrutenwerbungen in England – Die Krim aus der Vogelschau – Der Palast der Industrie-Ausstellung in Paris – Marseille – Ungarische Haideschenke – Galileo Galilei – Sebastopol und der Kampfplatz vom Fort Konstantin aus gesehen – Brest – Baschi-Bozuks vor einem Ueberfall – Helgoland – Verwundeten-Transport der Alliirten nach der Schlacht – Der Comer-See und seine Umgebung – Der Ocean auf dem Tische – König Ludwig von Baiern und Kaulbach – Aus dem Kampfe in der Krim – Französische Garde-Kürassiere – Odessa – Des Hochländers Rache – Sebastopol, Süd- und Nordseite.




Für die langen Winterabende ein Buch der Belehrung und Unterhaltung wie kein zweites.

 Leipzig, im December 1856.
Die Verlagshandlung.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schulz-Delitzsch
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 676. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_676.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2017)