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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

und mit brünstigem Verlangen nach einem ähnlichen segensvollen Wirken entflammt. Diese demuthsvollen, mild leuchtenden Vorbilder aber, weit entfernt, den Schwachen kalt und stolz in seine Nichtigkeit zurückzuweisen, sprechen vornehmlich und aufmunternd zu einem Jeden: „Du kannst es auch, sobald Du willst; darum gehe hin, und thue desgleichen!“




Bessemer’s Eisenfegfeuer.

In natürlichem Zustande findet man das Eisen so massenhaft auf der Erde, ja als ganze Gebirge in Amerika, daß es, außer dem Preise des Aufnehmens und Fortschaffens, fast gar nichts kosten würde. Aber in diesem natürlichen Zustande klammert sich eine Menge schlechte Gesellschaft an das noble Eisen, wie Speichellecker und Spione an jede noble Größe, und zwar so fest, daß es durch eine ganze Menge Fegfeuer getrieben werden muß, ehe man es erträglich von dieser schlechten Gesellschaft reinigen und in seinem noblen, zähen, dauerhaften, festen und scharfen reinen Zustande gewinnen kann. Ohne uns hier auf die Technik der Eisenproduktions-Industrieen – eine gar gewaltige Industrie und Wissenschaft – einzulassen, bemerken wir nur, daß das natürliche Roheisen im Durchschnitt erst durch sechs höllenheiße Fegfeuer – jedes ein kostbarer industrieller, chemischer Prozeß – schwitzen und fließen muß, ehe es nur als rohe Eisenbarre vom Grobschmied verarbeitet werden kann. Und der macht noch lange keine Damascener Klingen, keine haardünne Nähnadeln und andere Eisenkunstwerke, in welchen der Preis der Eisenbarre um mehr als das Zehntausendfache erhöht und veredelt erscheint. Das Haupthinderniß für den Eisenverbrauch d. h. die Civilisation, den Wohlstand und die Völker im Groben und Großen, für Acker- und Handwerkszeuge, Bauten und Bildungen aller Art, Großindustrie, kosmopolitische Straßen und Brücken zu Wasser und zu Lande, liegt bisher in der Kostbarkeit der sechs ersten Fegfeuer, aus welchen es zuerst für den Hammer brauchbar hervorgeht.

Wer diese sechs Fegfeuer vereinfachte, aus sechs wohl gar eins machte, der wäre auf einmal einer der größten Wohlthäter der Menschheit. Die Meisten werden wohl schon gelesen haben, wie sich die Engländer seit mehreren Wochen rühmen, in dem Londoner Civil-Ingenieur Mr. Bessemer diesen Heiland gefunden und der Welt geliefert zu haben. Wir bemerken hier gleich, daß die Erfindung Bessemer’s selbst noch eines bedeutenden Fegfeuers bedarf, da sie in der Ausführung bis jetzt sehr unsicher ist und oft mißlingt. In der Sache selbst ist sie aber richtig. Das Mittel, diese sechs kostbaren Fegfeuer in ein verhältnißmäßig billiges einziges zusammenzudrängen und so die Hauptwaffen der Civilisation aller Menschheit zugänglicher zu machen, ist gefunden.


Suchen wir hier, mit Vermeidung bestimmter wissenschaftlicher und praktischer Technik, die Sache durch Bild und Wort klar zu machen.

Der große praktische Werth des Eisens vor allen anderen Metallen besteht hauptsächlich in der ungeheueren Zähigkeit und Zärtlichkeit, womit dessen Molekulen, Atome oder kleinste Theile an- und ineinander haften. Eine Eisen- und eine Eichenstange von derselben Große, Länge und Dicke verhalten sich in ihrer Kraft wie fünf zu eins; d. h. um erstere zu zerbrechen, gehört fünf Mal mehr Kraft dazu, als zur Durchbrechung der letzteren. Zu dieser fünffachen Eichenkraft des Eisens kommt aber auch als Haupttugend die unerschöpfliche Hämmerbarkeit, so daß es sich in jeder Form und Fassung, in jede Größe ziehen, verdichten, verdicken, verdünnen, biegen und schmiegen läßt. Der ungeheuere hohle Eisenbalken, der über die Menai-Meerenge hin England mit einer Meeresinsel verbindet, läßt Eisenbahnzüge durch sich hindurchschießen, ohne daß er sich nur rührt. Aber vorher war das Eisen nachgiebig genug, sich um diesen großen, hohlen Gedanken herumschmiegen zu lassen, die „Theorie hohl“ zu lassen, aber auch eine ungeheuere Praxis mit Dampf solid durch sich hin- und herzutragen.

Aber diese Festigkeit und Gefügigkeit des edelsten (nicht blos eines edeln) Metalles hängt von seiner Reinheit und, da es in


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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 673. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_673.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)