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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Ludwig Devrient und E. T. A. Hoffmann.

Ludwig Devrient, nach der Vorstellung des Kaufmanns von Venedig, an – und von dieser Stunde umschlang ein Band der Freundschaft zwei Männer, welches nur der Tod zerreißen sollte. – Ludwig Devrient, der genialste Schauspieler Deutschlands, heute ein König, morgen ein Bettler, bald der arme Lorenz Kindlein mit dem weichen Gemüth, bald der furchtbare Richard, der tödtlichhassende Shylock, der wahnsinnige Lear, – schuf sich eine Welt auf den Brettern – und ein Königreich im menschlichen Herzen, welches er durch seine Kunst unbeschränkt beherrschte, in allen Fibern beben und erzittern ließ, und in einem Augenblicke zum Weinen oder Lachen brachte.

Die tragische, wie die komische Muse hielten gleichen Schritt mit seinem Genius – er war zum Schauspieler geboren, wie Rafael zum Maler, Shakespeare zum Dichter. Er gehörte nicht zu den sogenannten denkenden Schauspielern unserer Tage, welche den Mangel an Darstellungskraft und Beruf durch erkünsteltes Studium und kleinliche Detailmalerei zu übertünchen suchen, er schaffte aus dem Ganzen und Vollen, begabt mit dem Götterfunken des Genies und einer fast dämonischen Schöpferkraft.

Kein Wunder, daß sich dieser, man möchte fast sagen, in ihrer Art unbändigen Natur, die ihr verwandte eines Hoffmann anschließen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 665. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_665.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)