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     „Zieht mir mein Linnenkleid nicht aus,

     „Hab’ mir’s ja selbst gesponnen,
     „Ich webt’ es selbst, und trug’s hinaus,
     „Und bleicht’ es an der Sonnen.“ –

     „Und nimmt der furchtbar schöne Mann,

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     „Von Gold und Glanz umgeben,

     „Auch meine Hand, – das Herze kann
     „Ich nimmermehr ihm geben.“

„Schau her, ein Rock von Goldbrokat
Mit blauen Sammetschleifen!

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Leg’ an den reichgestickten Staat,

Die gold’nen Spang’ und Reifen.

„Nicht schlechte Myrthe sei Dein Kranz,
Wie Du sie zogst im Töpfchen.
Ein güld’ner Zweig und Demantglanz

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Paßt für Dein Engelsköpfchen.


„Ein seid’ner Strumpf, o welche Lust!
Und kleine Atlasschuhe!
Des Grafen Jäger bracht’ es just
In jener blanken Truhe.

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„Auch er war festlich schon geschmückt,

Betreßt mit neuer Borde,
Doch schien er traurig und gedrückt,
Sprach finster diese Worte:

     „Da schickt der Graf das Hochzeitkleid,

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     „Die Krone, das Geschmeide,

     „Daß sich sein glücklich Auge heut’
     „An seinem Bräutchen weide.

     „Sprecht, schlummert Eure Tochter noch?
     – „Wohl ihr! – Und sagt, ich ließe

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     „Ihr diesen Strauß von Blumen noch

     „Und viele heiße Grüße.

„Sagt ihr, sie möcht’s zur Hochzeitgab’
„Von ihrem Diener nehmen,
„Der würde bald in’s kühle Grab

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„Sich nun hinunter grämen.“


„Ich dachte: „Was der Narr wohl will?!“
Warf’s Sträuschen vor die Thüre! - - -
Doch, Kind, Du wirst so bleich, so still?
Preßt Dich das Bandgeschnüre?!

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„Schau’ hin, dort kommt der Reitertroß

Vom Berge schon herunter,
Es lenkt der Graf das schönste Roß,
Und Allen jubelt munter.“

     - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
     Und nah der Hütte wird es laut,

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     Laut wird’s an stiller Stätte.

     Der Graf begrüßt das Haus der Braut
     Mit wallendem Barette.

     Und Orgelton und Glockenklang
     Tönt fern von der Kapelle,

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     Und langsam schreitet zum Empfang

     Die Jungfrau von der Schwelle.

     Doch zögernd bleibt sie noch zurück,
     Ein Schau’r durchzuckt die Glieder,
     Und suchend sinkt der schöne Blick

80
     Zu ihren Füßen nieder.


     Was bringt sie aus dem Staub heraus?
     Sie scheint dabei zu beten!
     Es ist der welke Blumenstrauß,
     Von Rosseshuf zertreten!

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          „So werd’ ich welken und verblüh’n,

          So wird mein Herz gebrochen!“
          Sie seufzet tief und denkt an ihn,
          Dem Treue sie versprochen.

     Und ehe noch ein Jahr verfloß,

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     Seit sie stand am Altare,

     Liegt sie im stolzen Grafenschloß
     Verblühet auf der Bahre.

     Ihr Herze brach, ihr Leid ist aus,
     Gott hört’ ihr endlos Beten. –

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     Am Busen ruht des Liebsten Strauß,

     „Von Rosseshuf zertreten.“




Erinnerungen aus dem Jahre 1806.
Die Schlacht bei Jena und Auerstädt.
II.
Einen Tag nach der Schlacht.
(Schluß.)

Am nächsten Morgen früh, um sechs Uhr ungefähr, ertönte der Allarmschuß. Es war der 14. Oktober. – Die Höhen entleerten sich größtentheils von Kriegern. Sie zogen nach dem Engpasse von Kösen, welchen die Preußen unbegreiflicher Weise gar nicht besetzt hatten; denn da das preußische Hauptquartier in dem von dort nur einige Stunden entfernten Auerstädt war, so hätte die erste Sorge des Kommandirenden sein müssen, dem Davoust’schen Korps den Zuzug durch Besetzung jenes Passes zu wehren, der so beschaffen ist, daß schon eine geringe Truppenzahl eine ganze Armee aufhalten kann; und einen andern Weg nach Auerstädt gibt es gar nicht, wenigstens keinen für eine Armee passirbaren. Oder war es in dem preußischen Hauptquartiere ganz unbekannt geblieben, daß im Rücken oder vielmehr zu seiner linken Seite Davoust stand? Man muß es fast annehmen, wenn man die preußischen Generale nicht der Nachlässigkeit oder der Kriegsunkunde zeihen will. Die Franzosen freilich waren durch ihre Spione gut bedient und ich sprach in der Folge einen derselben, welcher versicherte, unter dem Passe eines Handlungsreisenden in Naumburg gewesen zu sein, als noch das königliche Hauptquartier in der Stadt gestanden hätte. Er habe sich Alles besehen und ausgekundschaftet. Man äußerte damals fast allgemein, daß übelangebrachte Sparsamkeit die Ursache gewesen sei, warum die Preußen keine Spione gehabt hätten. Oder war es vielleicht zu großes Selbstvertrauen, welches sie in’s Verderben führte?

Den Ausgang der Doppelschlacht von Jena und Auerstädt am 14. Oktbr. kennt Jeder und darum füge ich auch nur hier rein Lokales hinzu, was ich selbst gesehen und erlebt habe.

Nach dem Abzuge des Gros der Truppen aus der Stadt und deren allernächsten Umgebung schwebte Naumburg in banger Erwartung der Dinge, die da kommen sollten; denn es drohten ja noch von den Höhen herab die schwarzen ehernen Schlünde und aus der Ferne vernahm man den Donner der beginnenden Schlacht; auch selbst das Gewehrfeuer ließ sich deutlich vernehmen. Gruppen ängstlich horchender Bürger standen auf den Gassen umher und theilten sich ihre Befürchtungen oder die Drangsale mit, welche sie bereits hatten erdulden müssen. Mehrere wagten sich vor die Stadt hinaus auf dem Wege nach dem Dorfe Altenburg – (in der Volkssprache Almrich genannt) – welches eine halbe Stunde vor der Stadt nach Schulpforta und Kösen zu liegt. Ich schloß mich denselben an; allein man sah und hörte da natürlich nicht mehr als in der Stadt selbst. Unbefriedigt ging ich daher allein weiter, um dem Schauplatze der Schlacht etwas näher zu kommen. Ich nahm meinen Weg über die Höhe zuerst nach dem sogenannten Tannenwäldchen

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