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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

nach der Schloßgasse in die Restauration von Kranitzky. Ihr werdet dort etwas sehen, was Tausenden noch nicht vor die Augen gekommen ist, obwohl sie es in nicht großer Entfernung, bei Leipzig z. B. im Universitätsholze, bei Grasdorf und an andern Orten der Nähe in der Natur sehen könnten.“

Neugierig folgten wir der Aufforderung, und befanden uns bald in der freundlich eingerichteten Restauration.

Die Schlangengrotte, denn das bedeutet das Wort „Ophiantrum“, die wir mit einander besuchten, ist ein wenigstens drei Ellen langes und entsprechend breites Behältniß, dessen vier mehrere Ellen hohe Seiten und dessen Decke aus einem durchsichtigen, festen Drahtgitter bestehen. Das Innere bildet drei Abtheilungen, von denen die eine zum trocknen Aufenthalt für die Schlangen dient, die andere ein Wasserbassin ist, in dem sich die Thiere nach Belieben baden können, die dritte endlich, zugleich die kleinste, wird von einem ziemlich bis an die Decke reichenden Stein gebildet, welcher als ein hoher, zackiger, mit Moos bewachsener und hier und da hohler Felsen ein prächtiger Schlupfwinkel für die Reptilien ist. [1]

Bei dem Herantreten und der nähern Besichtigung des Ophiantrums machte es zunächst keinen angenehmen Eindruck. Es lag dies jedenfalls daran, daß dasselbe für die große Menge von Schlangen noch zu wenig Raum zum Ausbreiten bot, daher es offenbar vorzuziehen ist, selbst in einem größern Behältniß, wie das oben angegebene, eine geringere Anzahl dieser Thiere zu halten.

Denn man denke sich auf einem entsetzlichen Knäuel unter und über einander etwa vierhundert Schlangen, die, nebenbei erwähnt, alle unsern hier einheimischen und nicht giftigen Ringelnattern[2] angehören, und durchschnittlich die Länge von ein und einer halben bis zwei Ellen haben. Man kann es wahrlich keinen schönen Anblick nennen, so hübsch das einzelne Thier, für sich betrachtet, auch sein mag, wenn man eine solche Masse in der Regel fast leblos daliegen sieht. Nur einzelne bringen durch ihre Bewegungen Leben hinein; denn bald hebt eine ihren Oberkörper empor, steckt die doppelt gespaltene Zunge wie zwei Fäden aus dem Maule und treibt ein diesen Thieren, wie es scheint, sehr liebsames Zungenspiel; bald windet sich eine mitten aus dem dicksten Haufen heraus, ihren Weg zwischen und unter und über eine große Menge, ihrer Gefährtinnen, von denen sich wohl eine oder die andere häutet, nehmend; bald sieht man mehrere Leiber sich regen und Bogen schlagen, ohne daß man die dazu gehörigen Köpfe entdecken kann.

Einen bei weitem schönern Anblick gewährt dagegen das Ophiantrum, wenn es weniger gefüllt ist und die Schlangen vollkommen Raum haben, sich frei zu bewegen. Ihre verschiedenen Krümmungen und Windungen sind äußerst unterhaltend und schön, namentlich wenn sie sich im Wasser befinden, das sie meist von dem einen Ende zum andern pfeilschnell durchschießen, während sie oft auch den hintern Theil im Bassin lassen und mit dem Kopf neugierig auf dein Ufer umherlugen und züngeln. Ein noch malerisch schöneres Schauspiel ist es, die Schlangen auf den Zweigen des Bäumchens sich wiegen oder in langsamen Windungen den Stamm hinauf winden zu sehen, wie es denn nicht minder reizend aussieht, die glatten, glänzenden Thierchen auf der Spitze der kleinen Felsen zu beobachten, die meist aus Tropfsteinen in den verschiedenartigsten Formen, als Höhlen, Wasserbassins etc. in dem Ophiantrum malerisch angebracht werden können, wie es unser Bild zeigt.

Durchaus verändert wird diese Scene, wenn diese scheinbar ruhige Masse mit ihren Hunderten von Köpfen zur Mahlzeit eingeladen wird. Wir wohnten einige Male diesen Fütterungen bei und wollen versuchen sie unsern Lesern zu schildern:

Die Frösche, welche den Schlangen als Speise vorgeworfen werden, sind von allen Größen; die kleinen werden eben so wenig verschmäht, als sich an recht große und ausgewachsene Burschen wenigstens die größern Schlangen wagen. Und wieder ist der interessanteste Theil einer solchen Fütterung der Kampf zwischen einem größern und stärkern Frosche und einer diesen bei irgend einem Theile des Leibes gepackt habenden und selbst in dieser Situation, wenn irgend möglich, ganz still liegenden Schlange. In der Regel kommen die kleinen zuerst daran, weniger wohl deshalb, weil sie klein und darum vielleicht leichter zu fangen und bequemer zu verzehren sind, als aus einem andern Grunde, der in einem diesen Schlangen eigenthümlichen Jagdverfahren zu suchen ist. Werden nämlich eine Anzahl Frösche, hier mitunter fünfzehn bis fünfundzwanzig Stück, in das Schlangenbehältniß hineingeworfen, so erscheint es natürlich, daß sie, die eben noch in Menschenhände gefangen waren, lebhaft umherspringen, um sich ihrer Freiheit bewußt zu werden und vor der Wiedergefangenschaft sich zu retten. Doppelt mögen sie nun zu diesem eifrigen Hüpfen und Springen veranlaßt werden, wenn sie die neue, viel größere Gefahr erkennen; denn jetzt sind sie aus dem Regen unter die Traufe gekommen, es handelt sich nicht mehr blos um Gefangenschaft, sondern um Leben und Sterben. Und doch beschleunigt gerade dieses Springen ihren Tod.

Wir haben nicht ein einziges Mal gesehen, daß eine Schlange einen sich ruhig verhaltenden Frosch angegriffen halte, vielmehr lauert sie auf eine Bewegung von seiner Seite.

Sobald er nun hüpft, fährt sie ihm wie ein Blitz nach, fängt ihn gewöhnlich in der Luft und zieht ihn zu sich herab. Gerade die kleinern Frösche springen am muntersten und lebhaftesten umher, vielleicht wegen ihrer größern Jugend und Unerfahrenheit. Und so kommt es denn, daß sie zuerst einigen hungrigen Schlangen zur Beute werden müssen. Die andern, die sich von ihrem Schrecken schneller erholt, und auch wohl mehr Erfahrung haben, kommen besser weg. Ja, es ist merkwürdig zu sehen, wie die Frösche mitten auf dem großen Knäuel ihrer Feinde sitzen, oft Kopf an Kopf mit denselben; bisweilen liegen mehrere Schlangenköpfe dicht neben einander und ihnen gegenüber, so daß sie sich mit den Nasen berühren können, läßt sich ganz gemüthlich ein Frosch nieder, als ob er mitten unter seinen besten Freunden fern von jeder Gefahr sich befinde. Und wirklich ist er sogar in dieser Position, so lange er still sitzt, keiner Gefahr ausgesetzt, will er aber wieder einmal einen Sprung versuchen, so hat ihn auch schon eine von den vielen tückisch lauernden Schlangen gepackt.

Nur ein Mal hatten wir zu beobachten Gelegenheit, wie eine Natter einen kleinen Frosch in der Seite gefaßt hatte, und ihn ohne weitere Umstände und besondere Schwierigkeiten in dieser Querlage verzehrte. Gewöhnlich aber haschen sie ihren Fraß am Kopf oder an einem Beine. Im letzteren Falle beginnt eine Art Kampf, der freilich nur von der einen Seite ein Vernichtungskampf, von der andern mehr ein Rettungs und Fluchtversuch ist. Der Frosch, der also an einem Beine von der Schlange festgehalten wird, strampelt mit den andern dreien, ja mit dem ganzen Körper so gewaltig, daß die Schlange sehr fest kneipen muß, wenn er nicht entschlüpfen soll. Dies gelingt nicht selten, wenn sie in Folge des heftigen Sträubens ihrer Beute nicht hatte dazu gelangen können, einen ihrer Zähne, welche rückwärts gebogen sind, in das Fleisch des Gefangenen einzuhauen. Dann hilft freilich auch dem stärksten Frosch all sein Widerstand nichts. Konnte er seine Feindin aber daran hindern, und hält er mit seinen Kräften aus, dann sahen wir manchen gerettet davon eilen, allerdings nur, um früher oder später doch noch seinem Schicksal in einem Schlangenrachen anheim zu fallen. Hat aber, wie gesagt, die Schlange ihn erst mit einem Zahne gefaßt, dann ist dem armen Schlucker nicht mehr zu helfen,

er geht unvermeidlich seinem wahrhaft grauenvollen Tode

  1. Wer zu seiner Unterhaltung oder noch besser, zur Beobachtung und Belehrung ein Ophiantrum anlegen will, kann es ohne große Mühe. Besonders auf dem Lande oder in einem Garten lassen sich dergleichen Grotten sehr gut anlegen. Es genügt ein überdecktes, enggeflochtenes Eisengitter in Form einen länglichen Zeltes oder Miniatur-Glaspalastes, wie unsere Abbildung darstellt, in dessen innern Raum im kleinen Maaßstab Bäume, Felsen malerisch gruppirt angebracht sind, so groß, daß die Schlangen Platz zu freien Bewegungen finden, ohne daß sie, wie in dem Kranitzky’schen Ophiantrum, im Knäuel übereinander liegen. Die schönen Windungen der Schlangen geben ein reizendes Schauspiel ab, das man Stunden lang beobachten kann. Des Monats einmal gibt man den Schlangen Frösche zur Speise, im Winter verfallen sie, wenn sie einigermaßen in gelinder Temperatur gehalten werden, in Erstarrung, brauchen also während dieser Zeit gar keine Pflege. Wer kein Bassin zum Baden und Schwimmen anbringen kann, mag nur von Zeit zu Zeit ein Gefäß mit frischem Wasser hinsetzen, damit sie saufen können.
  2. Man unterscheidet diese durchaus unschädlichen Ringelnattern von den giftigen Kreuzottern dadurch, daß jene hinter dem Kopfe an beiden Seiten gelbe oder weißlichgelbe, halbmondförmige Flecke haben, welche hinten mit einem schwarzen Rande umgeben sind; diese nicht hell gefleckt sind, sondern vom Kopfe an dunkle Striche über den ganzen Rücken bis zum Schwänze hin haben, welche nach Art des Blitzes von einer Seite des Körpers nach der andern zackig hinlaufen und an deren Ende jedesmal ein kleiner schwarzer Punkt sich befindet.
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