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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Graf Rudolf von Bökelnburg.

Kommt her, mein Graf von Bökelnburg, der Bauer bringt den Zins,
Kommt her, mein Graf, und schaut vom Thurm, und seid vergnügten Sinns!

Der Bauer dachte Herr zu sein, – wie schlecht bekam’s ihm doch!
Jetzt kommen sie wie Ochsen dort, im Halfter und im Joch.

5
Frau Walburg saß im seidnen Kleid und zierlichem Gelock,

Der Bauer kam durch Dick und Dünn mit Halfter und mit Pflock.

Sie brachten Wagen voller Korn, und Sack auf Sack gebaut,
Der Graf mit seinem stolzen Weib vom Thurm herniederschaut.

So kommt, Herr Graf, und lass’t uns ein, und nehmt es an in Huld!

10
Der Bauer kommt mit Pflock und Joch, zu zahlen Euch die Schuld!


Da lacht er in den grauen Bart, sie lacht in ihr Gebiß,
Und ging, die Ochsen anzusehn, die man in’s Burgthor ließ.

Sie zogen durch das offne Thor mit Wagen und mit Roß,
Sie zogen ein in langen Reih’n, der Letzte warf’s in’s Schloß.

15
Der Letzte sperrt das Thor und ruft: der Bauer ist kein Sklav’!

Nun rührt die Hand und lös’t das Band und auf den Bökelgraf!

Da wurden Beide kreideweiß, wie die gekalkte Wand,
Da sprang aus jedem Sack ein Kerl, das Messer in der Hand.

Und nun, Herr Graf, nehmt Euren Zins, o nehmt ihn an in Huld!

20
So zahlt der Bauer seinem Herrn die lange, schwere Schuld.[1]
Klaus Groth.
  1. Nach Müllenhof’s Chronik zwang im Jahre 1145 ein Graf Bökelnburg in der That die Bauern, den Zins an Getreide und Früchten zur Burg auf Wagen zu bringen, denen sie sich wie das Vieh mit „Halfter und Kummet“ vorgespannt. Das gemarterte Volk rächte sich auf furchtbare Weise.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 537. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_537.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)