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so wenig gelungen, wie seinem Freunde Roebuck. Es fehlte theils ihm, theils dem Parlamente das Zeug dazu. In seinem Eifer blamirte er sich, machte er sich manchmal lächerlich. Und das ist im Parlamente schlimmer, als wenn man, wie das Ministerium Aberdeen, öffentlich des Brieferbrechens bezüchtigt wird. „Brieferbrechen sei schlimmer, als Börsenstehlen,“ sagte man dem Ministerio Aberdeen. Aber dies schadete ihm nicht im Geringsten, während Layard in seinem edlen Eifer sich manchmal einige Ungenauigkeiten in anklagenden Thatsachen zu Schulden kommen ließ und daran zu Grunde ging. Jeder schnappte danach und hielt sich daran, um auf diese Weise von dem assyrischen Stier der Reform los zu kommen.

Austen Layard.

Austen Layard, der Entdecker und Auferwecker des alten Niniveh, vor einigen Jahren der Löwe in der Unterhaltung jeder gebildeten Gesellschaft, ist von französischer Abkunft. Seine Vorfahren flohen vor Bluthochzeiten und Bartholomäusnächten nach England und änderten ihren Namen Raymond in Layard. Die Familie lebte sich bald in englische Verhältnisse ein. Ein Vorfahr zeichnete sich militärisch und unseres Layard Großvater als Geistlicher in Bristol aus. Dessen zweiter Sohn lebte eine Zeit lang in Paris, wo ihm Austen am 5. März 1817 geboren ward. Layard studirte anfangs Rechte, ekelte sich aber bald davor und floh in die Welt hinaus Zunächst wollte er nach Indien, dessen Bewohner unter englischer Tortur nach einer feurigen Schilderung O’Connell’s auf das Entsetzlichste mißhandelt wurden. Layard wollte zur Erlösung der englisirten Indier beitragen, kam aber nur bis Süd-Persien, unter dessen wilden Stämmen er sich zwei Jahre lang neugierig und studirend herumtrieb. Ein Bericht darüber, namentlich über die commerciellen Aussichten, die sich dort für englische Waaren eröffneten, an das Ministerium gesandt, und außerdem veröffentlicht, brachte ihn zuerst vor das Auge der Oeffentlichkeit. Er traf mit einem befreundeten Häuptling im südlichen Persien die nöthigen Vorbereitungen zu Handelsverbindungen, als einer jener häufigen Stammes- und Parteikriege ausbrach, in welchem fast alle Freunde und Begleiter Layard’s ermordet wurden. Er selbst war einer der Wenigen, welche nach Constantinopel entkamen. Hier trat er mit dem englischen Gesandten Stratford de Redcliffe in Verbindung, der ihm Mittel zu seinen berühmten Ausgrabungen Ninivehs gab. Diese Ausgrabungen und deren Schätze sind vielfach geschildert worden. Wer hätte nicht gehört von den Gefahren, denen er von den abergläubischen Eingebornen offen ausgesetzt war, wenn er einen gigantischen Stier, einen Palast nach dem andern der seit zwanzig Jahrhunderten begrabenen Hauptstadt des alten Assyrer-Reichs enthüllte, auferstehen und über Steinblöcke und Sümpfe, Abgründe und Berge auf’s Schiff, in’s britische Museum spediren ließ? Diese Geschichten klangen sehr romantisch, und die antiquarischen und historischen Verdienste der Ausgrabungen sind groß genug; aber wir müssen sie hier bei Seite liegen lassen.

Auch die parlamentarische Thätigkeit Layard’s, in die er als berühmter, hoch protegirter Mann gerufen ward, war bis 1852 ganz bedeutungslos, da er fast alle Zeit der Verfolgung seiner literarischen und antiquarischen Studien opferte. Selbst von 1852 an blieb er als Unterstaatssecretair des Auswärtigen noch ohne parlamentarischen und staatsmännischen Glanz. Die Anerbietungen des Derby- und des Aberdeen- und des Palmerston-Ministeriums, welche ihm alle Staatssecretairstellen anboten, wies er ab, weil ihm deren Schwindeleien und Durchstechereien gar zu widerlich waren. Als Parlamentsmitglied und Vertreter von Aylesbury verhielt er sich auch noch ruhig, bis der Krimschwindel und die „Mißverwaltung“, welcher ganze Armeen geopfert wurden, welcher das ganze historischn Ansehen Englands unterlag, die Herzen aller nicht schwindelnden Engländer empörte. Als Kenner des Ostens hatte er gleich von vorn herein ein besonderes Interesse an der „Rettung der Türkei“ genommen, und zwar ein anderes, als Stratford de Redcliffe, mit dem er 1853 nach Constantinopel gegangen war. Dieser englische Gesandte behandelte die Türkei wie ein gallsüchtiger, spleeniger Hausherr sein Gesinde – und noch schlimmer. Layard kehrte empört über diesen tyrannischen Kauz nach England zurück, und forderte vom Parlamente, daß es Aberdeen entweder absetzen oder ihn zwingen sollte, wirklich etwas Ehrliches für die Türkei zu thun. Er redete stark, aber Parlament und Minister blieben schwach. Beide schienen sich im Geheimen verständigt zu haben, daß die Türkei durchaus nicht gerettet und deshalb die englische Armee lieber ruinirt werden sollte.

Layard hatte keine Ruhe zu Hause, und reiste direct nach dem Kriegsschauplatze, wo er vom Hauptmaste des Kriegsschiffs Agamemnon die erste Schlacht an der Alma mit ansah. Er blieb auf der Krim bis nach der Schlacht bei Inkerman, und berichtete in der Times in lebendiger Schilderung und höchster Empörung darüber. Das gedruckte Wort wirkte wohl auf England, aber nicht auf die Regierung. Deshalb kam er zurück und griff sie im Parlamente an. Monate lang war das Land und mittelbar ganz Europa in Erwartung der großen Dinge, welche aus Layard’s reformatorischen und die Minister beinahe mit Galgen bedrohenden Anträgen hervorgehen sollten. Es kam aber nichts dabei heraus, als die Krim-Untersuchungs-Kommission. Und was kam aus der Krim-Untersuchungs-Kommission? Palmerston blieb, was er gewesen, und er machte den Frieden ganz seinem Charakter gemäß und leitete die Regierung, wie sie seit undenklichen Zeiten geführt worden war, im Interesse der regierenden Klassen, auswärtiger Einflüsse und nicht zum Ruhme Englands. Bei der ganzen Geschichte ward Niemand gehangen, als Layard, nämlich an den Nagel der Vergessenheit! Er spukt zwar noch zuweilen, wie Roebuck, als Reformator, aber nur als „respektabler“ Reformator für Geldsäcke, Banquiers, Eisenbahndirektoren und dergleichen Herren, die er an die Stelle der Aristokratie bringen helfen möchte. Wer aber Beide kennt und zwischen Beiden

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 488. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_488.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)