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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Die heißen Quellen zu Karlsbad.
Eine galvanoplastische Werkstatt.

Jahr aus Jahr ein fördern die heißen Quellen zu Karlsbad, denen man schon zu Anfange des 17. Jahrhunderts die Bezeichnung „weltberühmte“ beilegte, eine beträchtliche Menge fester Stoffe aus dem Innern der Erde herauf, die das Wasser, das allgemeinste Auflösungsmittel, auf seinem Wege zum Licht auslöst und mit sich fortführt. Die eine der Quellen, der bekannte Sprudel, soll davon jährlich allein über 204,500 Ctnr. auswerfen und doch finden wir in 1000 Pfunden des Wassers nur 51/2 Pfund feste Bestandtheile. Von diesen werden wiederum nur 1/2 Pfund unmittelbar an Ort und Stelle in fester Form abgelagert, denn in demselben Augenblick, wo das Wasser auf der Erdoberfläche ankommt, lösen sich die lästigen Fesseln, welche die Kohlensäure, das Auflösungsmittel für jene Massen, mit dem Wasser verbanden; sie entweicht frei in die Luft und damit zugleich fällt jener Theil zu Boden. Ist auch die obige Angabe durch mehrere directe Bestimmungen bedeutend verringert, so bleibt für den Sprudel doch noch ein Absatz von über einem Centner in jeder Stunde, – eine Masse, die wohl im Laufe von Jahrhunderten ausreichte, um die kolossale, gewölbartige Decke über den Quellen zu bilden, die unter dem Namen „Sprudelstein“ bekannt ist.

Diese Sinterablagerungen, die zumeist aus kohlensaurem Kalk mit wenig Eisenoxydul, das mit der Zeit Sauerstoff aus der Luft anzieht, und dadurch die rohe, mehr oder weniger ausgesprochene Färbung des Sprudelsteines bedingt, bestehen, erstrecken sich über einen großen Raum; ein Theil der Stadt steht auf diesem natürlichen Bauwerke und ebenso bildet es auf eine weite Strecke hin das Bett des Tegelflusses. Wegen der rastlos bauenden Thätigkeit der Quellen muß man ein wachsames Auge auf sie haben; denn bald sind die Ausflußöffnungen zugebaut und ist man dann nicht gleich bei der Hand durch Bohrungen den wilden Wässern einen Ausweg in’s Freie zu verschaffen, so sprengen sie selbst den beengenden Kerker und brechen oft an der unrechten Stelle durch.

Solche Sprengungen der festen Schale sind zu verschiedenen Zeiten vorgekommen. Als man vor mehr denn hundert Jahren nach einem solchen Durchbruch genauere Nachforschungen anstellte, da fand man das kunstvolle Bauwerk der Natur förmlich in Etagen aufgeführt; d. h. man entdeckte unter der Decke große und kleine Höhlungen mit heißem Wasser gefüllt, denen wieder eine Kalkschale als Unterlage diente und beim Durchbrechen derselben wiederholte sich ein gleiches Vorkommen. Als man die dritte Decke gesprengt hatte, da erfüllten sich die Worte des Dichters:

Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich menget.

Man war auf einen großen Wasserbehälter, den Sprudelkessel, gestoßen. Mit dem Durchbrechen der Decke hatte man das Wasser von einem beträchtlichen Drucke befreit; in Folge dessen konnte jetzt das mit heftigem Brausen kochende Wasser urplötzlich einen beträchtlichen Temperaturüberschuß zur Dampfbildung verwenden, so daß Alles eiligst die Flucht ergreifen mußte vor den gewaltigen Wogen der heißen Dämpfe, die sich aus dem Schooße der Erde hervorwälzten. Und immer von Neuem drängte sich Woge auf Woge empor, die den Fuß des Spähenden in ehrfurchtsvoller Ferne gebannt hielten. Diese Wächter der Geheimnisse der Tiefe machten eine jede weitere Nachforschung unmöglich.

„Arbeit ist Geld,“ diesen Satz wendet der Mensch auch auf das Schaffen der Natur an und da er sich einmal als Herrn der Schöpfung betrachtet, so setzt er sich hier selbst als lachenden Erben ein und erntet gern, wo er nicht säete. So legte man schon in sehr früher Zeit die Elle des Krämers an diese wunderbare Thätigkeit der Natur und war bemüht, das, was hier unausgesetzt geschaffen wurde, zu verwerthen. Die mächtigen Sintermassen der Sprudelschale wurden zuerst als Kalk gebrannt und dann als Mörtel verbraucht; außerdem lieferten die mächtigen Massen auch als Bruchsteine ein treffliches Material zum Bauen selbst.

Mit der Zeit aber, als die Schaaren immer größer wurden, welche dorthin zogen, um „sich vor einem frühzeitigen Tode und allerhand Arten von Krankheiten zu bewahren,“ da fehlte es nicht an pfiffigen Köpfen, die es verstanden den simpeln Kalksteinbruch in eine Goldgrube zu verwandeln. Bald bildete sich eine ausgedehnte und einträgliche Industrie aus, die Vielen die Erwerbung des täglichen Brotes erleichterte. Man verarbeitete den Sprudelstein zu einer Unzahl der zierlichsten Gegenstände und Jeder der vielen Tausende, die Jahr aus Jahr ein dorthin wallfahrten, trägt eine Kleinigkeit mit fort zur Erinnerung an die Stunden, die er in Leid und Freud in diesem lieblichen Thal verlebte.

Daran aber dachte man weniger, sich die Thätigkeit der Natur in ihrem Schaffen selbst dienstbar zu machen; nach wie vor überließ man die Ansinterungen dem Zufall, ohne diesem bestimmte Wege vorzuschreiben. Ganz unthätig war man hier zwar nicht geblieben, aber die Art und Weise, wie man sich dieser natürlichen Quelle der schaffenden Kunst bediente, war bis jetzt doch nur von sehr untergeordneter Bedeutung. Man setzte einige kleinere natürliche Gegenstände dem feinen Sprühregen der Quellen aus, worauf sich dann der Sinter in wundervollen Formen absetzte. Blumen, Kornähren, Laubwerk, Krebse, die man auf diese Art hatte versteinern lassen, waren jedoch das Einzige, was man sah und zu Kauf bekam, um es als Andenken an die merkwürdigen Eigenschaften der karlsbader Quellen in die Heimath mitzunehmen.

Eine künstlerische Ausbildung fehlte diesem Industriezweige jedoch lange Zeit, sie zu finden war den schlauen Italienern vorbehalten. Schon seit Jahren kommen kleine Brustbilder und Medaillen in künstlerischer Vollendung zu uns, die aus dem reinsten schneeweißen Kalksinter bestehen. Die Werkstatt, aus der sie hervorgehen, sind die warmen Bäder zu Filippo im Toskanischen und die ganze Kunst, diese zierlichen Bildwerke zu erhalten, besteht darin, daß man Formen und Modelle aus Schwefel dem herabtriefelnden Kalkwasser aussetzt.

Diese Lehre hat man sich in Karlsbad zu Nutze gemacht und so finden wir auch hier einen der seltsamsten Industriezweige – eine galvanoplastische Anstalt der Natur – in der Entstehung begriffen. Die größte Schwierigkeit war die, ein geeignetes Material zu den Formen zu finden, das der Auflösungskraft des Wassers, der Wärme und der Kohlensäure genügenden Widerstand leistet, an dem Sinter nicht zu stark anhaftet und keine chemische Verbindung mit demselben eingeht. Die sonst zu diesem Zweck gebräuchlichen Mittel zeigten sich hier nicht anwendbar. Gyps z. B. löst sich in dem Sprudelwasser auf, es scheidet sich Schwefel aus und es findet eine Entwickelung von Schwefelwasserstoffgas statt. Schwefel zeigt eine Umlagerung seiner Atome; er wird in kurzer Zeit schwarz, nimmt ein strahliges Ansehen an und zerfällt dann bei der geringsten Berührung mit der Hand in kleine Splitter. Wachs und Stearin werden durch die Einwirkung der Wärme und des Wassers zerlegt; es entwickelt sich Schwefelwasserstoffgas und Kohle scheidet sich aus. Selbst Glas, welches doch so manchen Einwirkungen widersteht, wodurch es für den Chemiker das schätzbarste Material geworden ist, zeigte sich hier nicht unverwundbar. Sein mächtigster Feind, der mit Leichtigkeit Herr darüber wird, ist die Fluorwasserstoffsäure, die sich, wenn auch in geringer Menge, im freien Zustande in den heißen Quellen vorfindet, wofür das Mattwerden der längere Zeit hindurch gebrauchten Trinkgläser spricht.

Dem Scharfsinn eines dortigen Apothekers, den wir als Begründer des neuen und seltsamen Industriezweiges anzusehen haben, war es vorbehalten, einen Ausweg in dieser Noth zu finden. Eine Legirung von Zinn und Silber entsprach allen Anforderungen; man gießt sie entweder in Formen oder walzt sie zu dünnem Blech aus und preßt die Münze oder das Bildwerk dann hinein, um die Hohlformen zu erzeugen, die der Ansinterung, dem Sprühregen oder dem herabträufelnden Wasser ausgesetzt werden. Schon in 2 bis 3 Wochen ist die Sinterkruste eine Linie dick und so fest, daß sie abgenommen werden kann. So stellt man Abdrücke von Münzen, Medaillen, Cameen u. s. w. in beliebiger Auswahl dar. Man läßt auch ebene Flächen ansintern und bereitet so Platten von beliebiger Größe und Dicke, die zu den

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 482. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_482.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)