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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

sehr leicht und rasch in Essigsäure oder in schleimige, fade schmeckende Producte übergeht. Schwache Weine sind daher weit weniger haltbar als starke. Für deutsche und französische Weine ist ein Gehalt von 12–14 oder von wenigstens 11, höchstens 15 Procent Weingeist nothwendig. Weine, welche nur 7–9 Procent enthalten, sind schon sehr werthlos. Der reine Weingeist ist eine aus den drei Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehende, farblose, leicht bewegliche Flüssigkeit; er ist leicht entzündlich und verbrennt mit blaßblauer wenig leuchtender Flamme; er hält sich im reinen Zustande Jahre lang unzersetzt, läßt sich in jedem beliebigen Verhältnisse mit Wasser verdünnen und kann im verdünnten Zustande, wie schon bemerkt, leicht in Essigsäure übergehen. Der reine Weingeist, von den Chemikern auch Alkohol genannt, siedet bei 62–63° R. (781/2° C.), ist bedeutend leichter als Wasser, riecht angenehm weinig, erfrischend, schmeckt brennend-erwärmend und wirkt selbst in kleiner Menge innerlich genossen als heftiges Gift, indem er den zarten Schleimhäuten der Speiseröhre und des Magens das Wasser entzieht, so daß diese zusammenschrumpfen. Ist er dagegen mit einer hinreichenden Menge Wasser verdünnt, so kann er genossen werden und wirkt dann in mäßiger Quantität belebend und stärkend, in übermäßiger berauschend. Wir spüren diese Wirkungen beim Genusse aller sogenannten geistigen oder spirituösen Getränke, deren Hauptbestandtheil der Weingeist ist. Je mehr Weingeist daher ein Wein enthält, desto feuriger und berauschender wirkt er. Es ist natürlich in vielen Fällen von großer Wichtigkeit, den Weingeistgehalt eines Weines genau bestimmen zu können. Auch zu diesem Zwecke ist ein sehr sinnreicher Apparat zusammengestellt worden, dessen nähere Beschreibung wir ebenfalls in dem schon versprochenen Nachtrage geben wollen. – Wir finden ferner in den meisten Weinen noch sogenannte oxydirte Eiweißstoffe, das sind die Ueberreste der eiweißartigen Körper, die im Traubensafte enthalten waren, bei der Gährung desselben in die Hefekügelchen eintraten, während des Verlaufes der Gährung jedoch wieder durch die Wandungen der Hefezellen heraustraten, zum Theil mit anderen Stoffen niederfielen, zum Theil aber noch in dem jungen Weine aufgelöst blieben. Diese Ueberbleibsel der Eiweißstoffe sind dem Weine stets sehr gefährlich; sie wirken zwar weder verbessernd noch verschlechternd auf seinen Geschmack ein; allein sie sind immer noch zur weiteren Zersetzung fähig und im Stande ihre Zersetzungsbewegung auf die Weinbestandtheile überzutragen, was sie namentlich in schwachen Weinen leichter vermögen, als in starken. Der sorgsame Weinfabrikant sucht daher diese Stoffe möglichst vollständig aus dem Weine zu entfernen, was am besten durch eine rasch eingeleitete und durch erhöhte Temperatur zu vollständigem Ende gebrachte Gährung geschieht. – Die Riechstoffe des Weines sind, so wichtig sie dem Weinkenner erscheinen, doch zur Zeit noch nicht genügend bekannt. Alle aus Traubensaft bereiteten Weine enthalten eine sehr durchdringend und stark weinig riechende flüssige Substanz, das sogenannte Weinfuselöl oder Oenanthäther, welche sich neben dem Weingeist während der Gährung erzeugt und dem Weine den eigenthümlichen Weingeruch mittheilt, der besonders in geleerten Weinflaschen oder Weingläsern bemerkbar wird. Einige feine, sogenannte Bouquetweine enthalten außerdem noch sehr geringe Mengen von flüchtigeren wohlriechenden Stoffen, die sich aber erst während des mehrjährigen Lagerns in bemerklicherer Menge zu bilden scheinen und wahrscheinlich durch eine allmälige Einwirkung der Weinsteinsäure oder einer geringen Menge Fett auf den Weingeist oder durch Zersetzung des Oenanthäthers entstehen. Immerhin ist dieses Weinaroma für uns noch räthselhaft, weil die Bouquetweine verschiedener, oft kaum eine Stunde auseinander liegender Lagen ein deutlich verschiedenes Bouquet besitzen und weil ein Wein von einer bestimmten Lage jedes Jahr wieder das nämliche, ihm allein eigenthümliche Bouquet oder Aroma entwickelt. Es ist aber bis jetzt nicht gelungen, alle diese feinen Riechstoffe mit Bestimmtheit aus dem Weine abzuscheiden oder künstlich darzustellen. Vielleicht entspringt das Bouquet nur aus der jedem Weine eigenthümlichen Mischung seiner Bestandtheile. – Ferner sollen die Weine auch Extraktivstoffe enthalten. Extraktivstoffe nennt man in der Chemie gewöhnlich solche Pflanzenbestandtheile, die man noch nicht genauer kennt und die man darstellt, indem man die Pflanzen mit Wasser oder Weingeist auszieht und die erhaltenen Auszüge eindampft. Was nun die Extraktivstoffe der Weine betrifft, so hat man gefunden, daß wenn man einen Wein eindampft, eine extractartige zähe Masse zurückbleibt, welche aber nichts Anderes enthält, als die nicht flüchtigen, beim Eindampfen nicht entweichenden Bestandtheile des Weines, also die Weinsteinsäure, den Zucker, die Eiweißstoffe, Gummi, Gerbsäure in einem zersetzten, in eine sogenannte Humussubstanz umgewandelten Zustande, die Salze und bei den rothen Weinen auch durch das Eindampfen theilweise zersetzten Farbstoff. Andere Stoffe findet man nicht in dem Weinextract (bis zur Trockenheit eingedampften Weine), daher ist die Annahme eines besonderen Extraktivstoffes im Weine unrichtig. – Die Salze des Weines sind die nämlichen, wie die des Mostes, nur sind sie alle in viel geringerer Menge vorhanden und einige, besonders die phosphorsauren und schwefelsauren Salze, die weinsteinsaure Kalkerde und Magnesia haben sich während der Weinbildung ganz ausgeschieden. In einigen Weinen hat man dagegen eine geringe Menge von Ammoniaksalzen aufgefunden, was leicht erklärlich ist, da die Eiweißstoffe bei ihrer fortschreitenden Zersetzung schließlich in Ammoniak übergehen und man schon während der Gährung ganz bestimmt die Bildung von Ammoniak nachweisen kann. – Gewöhnlich nimmt man an, daß die Weine verschiedene Farbstoffe enthalten; doch hat Mulder ganz bestimmt nachgewiesen, daß in den sogenannten weißen Weinen und den bräunlich-gelblichen Liqueurweinen kein bestimmter Farbstoff enthalten ist, sondern daß die Färbung von etwas in einen braunen Humuskörper übergegangener Gerbsäure herrührt. Dagegen enthalten die sogenannten rothen Weine alle ein und denselben blauen Farbstoff, der wie wir schon gesehen haben, ursprünglich in den Hüllen der Beeren sitzt und nur dann in den Wein übergeht, wenn man diese Hüllen mit dem Safte, den sie einschließen, gähren läßt. Je länger man dieselben mit dem gährenden Safte in Berührung läßt, desto intensiver färbt sich der Wein. Der reine Farbstoff ist ein schönes blaues Pulver, ausgezeichnet durch seine große Empfindlichkeit gegen Säuren, welche ihn in einen rothen Körper umwandeln; durch laugenartige Substanzen z. B. durch Soda wird er erst dunkel schwärzlich-violett, später braun gefärbt. – Endlich haben wir noch die Gerbsäure als einen Bestandtheil fast aller, besonders aber der rothen, herben Weine zu erwähnen. Diese Säure macht die Weine sehr beständig, indem sie die zersetzende Wirkung der Eiweißkörper, die sie größtentheils aus dem Weine niederschlägt, verhindert. Sie selbst erhält sich übrigens im Weine auch nicht ganz unzersetzt und verwandelt sich allmälig in eine braune Substanz, welche der Humussäure, wie sie in der Ackererde und im Torfe gefunden wird, gleichkömmt.

Wir haben nun den Uebergang des Mostes in Wein verfolgt, die Bestandtheile des Weines ebenfalls ganz kurz berücksichtigt und gehen nun zu der Betrachtung der Mittel über, welche uns zu Gebote stehen, um auf naturgemäße Weise einen guten Wein, selbst aus nicht ganz reif gewordenen Trauben zu bereiten und zur Erläuterung des Unterschiedes, der zwischen Weinveredlung und Weinverfälschung gemacht werden muß.




Eine Fahrt mit dem alten Jahn.
Von Wilhelm Künstler. – (Schluß.)
Die Neuenburg und ihre lebendige Mauer. – Der Edelacker. – Schomburgk’s Geburtsstätte. – Weiberlist und Weibertreue. – Burgscheidungen, die Hofburg der thüringer Könige. – Der halbe König und sein Untergang. – Jahn’s Urtheil über das thüringer Königreich. – Ein Königshaus, nicht angefüllt mit Haß, Blut und Mord, sondern mit Wohlwollen, Treue und Liebe. – Graf von Schulenburg. – Jahn’s Abschied.

Nachdem wir auf der herrlichen „Umschau“ in Jahn’s Garten den Kaffee eingenommen, führte uns der Besitzer desselben nach dem Schlosse, d. h. nach der von Ludwig dem Salier oder, wir er später genannt wurde, von Ludwig dem Springer im

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_449.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)