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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

obgleich blos im schwarzen Leibrock auftretend, und selbst an Höfen der Uniformen keinen Staatsrock anziehend, sich durch den Heiligenschein, den Pomp und die Renommage der englischen Diplomaten nicht blenden und einschüchtern lasse.

Dallas, den 10. Juli 1792 geboren, ist Sohn des Schatzsekretairs Dallas unter Madison und machte eine ähnliche Carrière wie Buchanan. Jurist und Politiker, wie dieser, und ebenfalls Demokrat, wich er in seiner amtlichen Beschäftigung von demselben hauptsächtlich nur durch seinen Gesandtschaftsposten in Petersburg und seine Vice-Präsidentschaft der vereinigten Staaten (1844) ab. Im Uebrigen sind beide amerikanische Staatsmänner von ziemlich gleicher Richtung und Fassung, nur daß Dallas den Vorzug einer imponirenden, vornehmeren, klüger-gemessenen und deshalb energischeren Thätigkeit und Persönlichkeit vor dem Irländer Buchanan voraus hat.

Wir sind viel zu wenig mit den innern politischen Verhältnissen und Stimmungen Amerika’s bekannt, als daß wir genau angeben könnten, welchen speciellen Verdiensten letzterer seine Präsidentschafts-Candidatur verdanke. Wir geben die Physiognomien beider Männer eben nur als solche. So sehen die beiden Männer aus, welche Englands prahlerisches Kriegsgeschrei durch Einfachheit und Energie blamirten und die krim-gedemüthigte englische Diplomatie noch einmal demüthigten. Es sind die beiden bedeutungsvollen Köpfe, mit denen Amerika seine Überlegenheit über die diplomatischen der alten Welt überhaupt bewährte (nicht blos die Englands). Dabei hat das feiste Gesicht Buchanan’s vielleicht noch eine große Bedeutung für die nächsten Jahre, die wahrscheinlich tiefbrennende Lebensfragen Amerika’s und mittelbar auch unserer alten Welt entscheiden.




Spaziergänge auf dem Meeresboden.
(Von einer in England lebenden deutschen Dame.)
Erster Ausflug.

Wir befanden uns an der Südküste von Devonshire; die Ebbe war im Begriff einzutreten und wir dachten nicht daran, welch’ große Welt von Schöpfungswundern sie uns erschließen könnte, sondern schlenderten am Meeresufer, um uns die langwerdende Zeit zu vertreiben. Dieses eintönigen Lebens müde, klagten wir unsere Noth einem eben zu uns gekommenen Freunde, dem Dr. D… , und dieser kam unserm Gedächtniß zu Hülfe, indem er zu unserer großen Freude uns aufforderte, die Ebbe[1] zu benutzen und mit ihm ein Boot zu einer Fahrt auf dem Meere zu betreten, um die Schönheiten seines Grundes, die uns die hochgehenden Wogen verbergen, zu bewundern.

Wir hatten den folgenden Tag zu unserer Fahrt festgesetzt und bestiegen zur verabredeten Stunde mit zwei Ruderern ein schon für uns bereitstehendes Boot, indem wir uns den Befehlen des Steuermanns fügten. Die Wogen des Wassers waren lebhaft und so klar wie Krystall. Erde, See und Himmel schienen sich vereinigt zu haben, unser Vergnügen zu einem vollkommenen zu machen. Der schöne Strand, herrlich in seiner Sommerpracht, war nicht so weit von uns entfernt, daß wir nicht jeden einzelnen Baum und Masten wilder Blumen genau hätten unterscheiden können, während unser Boot nach Livermaid hinschoß, wo unser erster Landungsplatz sein sollte.

„Was sind dieses für Thierchen im Wasser, Herr Doctor?“ fragte eines der Mädchen.

Ein Ausruf allgemeinen Erstaunens war hörbar, indem wir über die eine Seite des Fahrzeuges in die See schauten. Wir sahen einen ungeheuern Schwarm von luftballonähnlich geformten Thierchen. Das Wasser um unser Boot herum war beinahe mit ihnen bedeckt; einige von 3–4 Zoll, andere nicht einen halben Zoll im Durchmesser. Sie sahen der Hälfte einer Scheibe ähnlich, waren von einer halbdurchsichtigen Substanz, auf der Mitte des Rückens mit einem schönen fliederfarbenen Kreuz, aus vier in der Mitte zusammenlaufenden Ringen bestehend, und sonst in verschiedenen Farben spielend. Die Schönheit der Farben war ausgezeichnet und deutlich zu unterscheiden, wenn das Geschöpf auf der Oberfläche des Wasses erschien und ruhig wieder unter dieselbe tauchte. Herr D. nahm eine halbdurchschnittene Glaskugel, tauchte dieselbe unter das Wasser und brachte ein Exemplar in vollkommen gutem Zustande zum Vorschein.

„Sie sind so zart und empfindlich,“ sagte er – indem er das Glas hoch hielt, um es in gleiche Richtung mit den Strahlen der Sonne zu bringen – „daß ich sie immer auf diese Weise fange, denn wollte man sie mit der Hand oder einem Netze fangen, würden sie jedesmal mehr oder weniger beschädigt. Auf diese Weise aber haben wir uns unserer Beute versichert, ohne sie mit etwas Anderem in Berührung zu bringen, als mit ihrem eignen Elemente.“

„Nun sagen Sie mir, ob Sie jemals ein Geschöpf von solcher Schönheit sahen? Wenn wir ein Ding hätten schaffen sollen, allen Stößen des Meeres ausgesetzt, wir würden nicht so etwas Zartes versucht haben. Seht, wie schön es für sein Element eingerichtet ist! Diese ausgezeichneten Bewegungen! Und wie es den Schwankungen des Wassers so geschickt nachgiebt!“

„Aber wie kommt es, Vater,“ fragte die kleine A., „daß wir nicht schon früher einige gesehen haben?“

„Der Grund davon ist,“ antwortete Herr D, „daß sie sich nur bei sehr ruhigem Wasser zeigen und bei unruhigem sich sofort unter die Meeresgewächse verbergen.“

Leser, wenn Du Dich noch niemals in einem Boote, inmitten einer Menge unterseeischer Felsen befunden hast, welche mit allerhand Seekraut dicht überwachsen, an einem Ufer, wo das Wasser sehr klar ist, so gebe ich Dir den Rath, es sobald als möglich zu thun. Schaue hinab in die Scene, welche sich Deinen Augen offenbaret. Nur zur Zeit der außerordentlichen Ebbe ist dieses unterseeische Schauspiel so schön, dann nur sind die Regionen der größern und verschiedenfarbigen Seegewächse dem Auge aufgedeckt. Schau über den Rand Deines Fahrzeuges in das tiefe klare Wasser, Du wirst einen Anblick haben, welcher Dich für die Mühe Deines Weges belohnt. Bist Du ein Dichter, es wird Dir neuen Stoff zu einer Schöpfung geben, welcher einer poetischen Steuer wohl werth ist. Hier fluthen ungeheuere Zweige viele Fuß lang und verhältnißmäßig breit, einige im tiefsten Olivengrün, andere im prachtvollsten Purpur und andere wiederum in jeder Schattirung von Braun und Roth; während einige darunter entweder von der Wirkung


  1. Es haben Manche und selbst Diejenigen, welche am Meere wohnen, nicht immer klare und genaue Kenntniß von den Ursachen der Fluth und Ebbe, oder des hohen und niederen Wasserstandes. Wir hören von hohen Fluthen und tiefen Ebben. Die erstere fällt in die Periode des Neu- oder des Vollmondes, wenn die scheinbare Bewegung der Sonne mit der des Mondes zusammenfällt und daher beide in ihren Anziehungskräften sich vereinigen; die letztere zur Zeit wenn der Mond in der Mitte seiner Bahn steht. Der Ab- oder Zufluß des Wassers braucht je 6 Stunden. Folglich ist in 24 Stunden 2mal hoch und 2mal niedrig Wasser; aber jedesmal 26 oder 27 Minuten später, als vorher, so daß, wenn die Fluth den einen Tag sich um 12 Uhr einstellt, sie den folgenden Tag 3/4 Stunde später kommt, und so fort jeden Tag. Die hohe Fluth, erscheint, wie es sich von selbst versteht, alle 14 Tage. Die Wellen des Meeres nehmen bei niederem Wasser an Größe ab und in demselben Grade zu, wenn das hohe Wasser zurückkehrt. Diese hohe Fluth dauert 3 Tage, zur Zeit des Neu- oder Vollmondes. Das Wasser steigt und fällt dann viel höher und tiefer, schneller und energischer, weil jetzt während der 6 Stunden je ein viel größerer Raum von den Wellen zurückgelegt werden muß, und diejenigen, welche das Ufer besuchen, sollten darauf achten, sonst würden sie sehr leicht vom Wasser überholt werden können. Es versteht sich, daß die Zeit des Tages, wenn der Stand des Wassers am höchsten oder niedrigsten ist, abhängt von der Gegend der Küste, wo man sich befindet. An der Südküste von Devonshire ist die außerordentliche Ebbe um 12 Uhr und die höchste Fluth um 6 Uhr, Morgens und Abends. Dann ist es Zeit für diejenigen, welche sich für die wunderbaren Schöpfungen des Meeres interessiren. Während der Ebbe werden weit in die See hinausliegende Felsen, sonst gewöhnlich mit Wasser bedeckt, trocknes Land, und die vorzüglichsten Zoophyten, Mollusken, Anneliden u. s. w., sowie auch seltene Algen zugänglich. Denn viele interessante Arten existiren blos, insofern sie beständig unter Wasser sein können; daher versteht es sich, daß diese Felsen, welche nur einige Minuten von Wasser entblößt sind, was nur 2mal im Monat vorkommt, sich dazu eignen, solche Arten am leichtesten zu liefern. Im März und September, zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche, bedeckt und entblößt das Wasser den Grund mehr als sonst und bietet demnach dem Marine-Botaniker und Zoophytologisten Gelegenheit für seine Studien.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 402. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_402.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)