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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Rühlerinnen. Ansicht von Ruhl.

Geschlechts bewundert. In der That, es kann nichts Lieblicheres in der organischen Natur geben, als eine schlank gewachsene Rühlerin mit ihren blonden oder braunen Zöpfen, ihren großen blauen, von Muthwillen und Schalkhaftigkeit lachenden Augen, ihrem frischen von Grazien umgaukelten Mund, in ihrer feinen, kleidsamen Volkstracht mit dem turbanähnlichen Kopfputz. Und dazu die eigenthümlich singenden und schnarrenden Töne der rühler Mundart, in der so Vieles naiv und witzig klingt, was im Hochdeutschen kahl und farblos erscheint, vom spitzen, gewandten Zünglein eines so allerliebsten Bergkindes doppelt, ja zehnfach interessant. Laß Dich nur in ein Gespräch mit ihr ein, und es ist Eins gegen Hundert zu wetten: Du wirst nach einer halben Stunde wie bezaubert von ihr sein. Und am Ende bist Du doch der Gefoppte, der Gegenstand ihres naiven Spottes. Es sind noch keine zwanzig Jahre her, als die unter dem Namen der „schönen Elephantine“ eines schier europäischen Rufes genießende Rühlerin eine große Menge Fremder nach Ruhla (sie war die Gastwirthstochter im Gasthofe zum Elephanten; daher ihr improvisirter Name) und nach Mechterstedt, einem Dorfe an der Straße von Eisenach nach Gotha, wo sie Gastwirthin war, zog, und es gab gewiß Keinen, den sie nicht mit ihrer gewandten, witzigen und köstlichen Unterhaltung entzückte. Kehrten doch im letztern Orte sogar die Königin von England und der Prinz Albert bei ihr ein, um sie, das schönste Weib aus dem Volke in Thüringen, kennen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_353.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)