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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

aufgestellt, daß auf diesem Wege ihre Spur nicht verfolgt werden konnte.

Es wurde hierauf wirklich von den Verwandten ein Bote mit Geld abgeschickt und drei der Gefangenen wurden für das verlangte Lösegeld von 500 Unzen freigegeben und auf denselben Schlangenwegen nach Hause geführt; die beiden andern wurden zurückbehalten. Man führte sie indeß zu größerer Sicherheit aus dem Brunnen weg und in die enge Höhle eines Weinberges, wo man sie abermals auf alle mögliche Weise bedrohte und mißhandelte, bis endlich auch für sie das Lösegeld gekommen war.

Inzwischen hatte die Polizei alle zur Entdeckung führen könnenden Anzeichen benutzt, alle Mittel dazu in Bewegung gesetzt und überhaupt eine Thätigkeit entwickelt, die ihr diesmal alle Ehre machte. Sämmtliche benachbarte Gebirge und Höhlen wurden untersucht – und an solchen ist ganz Catalonien überreich – man nahm einige verdächtige Personen gefangen, kam aber während mehrerer Tage zu keinem Ziel und es schien fast, als ob alle Bemühungen vergeblich sein sollten. Endlich, von zwei der gewesenen Gefangenen begleitet, fanden der Sicherheitscommissar und seine Agenten in der nahe gelegenen Stadt Badalona den bewußten Brunnen, in dessen Seitenwände jene während ihres traurigen Aufenthalts mit den Fingernageln Zeichen eingegraben hatten, die sie gleich wieder erkannten. Der Eigenthümer und die Frau des Hauses mit einer vierzehnjährigen Tochter, welche später bekannte, die Geliebte eines der Bandeleros zu sein, wurden festgenommen und bei der Haussuchung fand man 200 Unzen in Gold, die Leuchte und den Korb, die man in den Brunnen hinabgelassen, wenn man den Eingesperrten zu essen gegeben, ein Taschentuch und mehrere andere Beweisstücke in dem Koffer des Mädchens verborgen. Man erfährt, daß das Oberhaupt der Bande, der das Unternehmen geleitet, Jaime Battle, sich in Arenys befinde, einem Städtchen am Meere ungefähr 6 Leguas von Barcelona; der Commissär Ramon Lerra eilte mit einem Trupp mozos de escuadra (einer vortrefflich organisirten Landgensd’armerie) in das bezeichnete Haus. Man klopft an die Thür, heischt zu öffnen und da dies nicht geschieht, stößt man sie ein. Es war zur Zeit der Dämmerung und die in dem Hause befindlichen Räuber wehrten sich aufs Verzweifeltste, schießen auf die Mozos und verwunden mehrere, müssen sich aber bald ergeben. Zwei der Banditen versuchten es noch, sich über das Dach zu retten; die tapfern Mozos aber eilen ihnen nach und erschießen den Einen, den zweiten Anführer der Bande, Anternio Roura aus Vich, der vom Dach herunter auf die Straße stürzt und nehmen den Andern Jaime Battle, der eine herkulische Stärke besitzt, nachdem er bereits verwundet ist und sich furchtbar vertheidigt hat, gefangen.

Binnen wenigen Tagen wurden auch noch die übrigen bei dem Raube und dem Verhehlen des Gestohlenen Betheiligten gefangen genommen und nach Barcelona geführt und Allen der Proceß gemacht. Eilf von den Thätern wurden öffentlich mit der Garotte erdrosselt, und zwar vier, unter denen der Anführer, vor den Thoren von Barcelona; drei in Sans vor dem Kaffeehause, wo die That stattgefunden und die übrigen vier neben dem erwähnten Brunnen in Badalona.

Schon im Jahre 1849 zeigte sich ein merkwürdiger Unterschied in der Sicherheit der Landstraßen und seitdem gehörten Raubanfälle auf öffentlichen Straßen immer mehr zu den Seltenheiten.

(R.) 




Ein Besuch auf Liu-Kiu.

Auf der Abendseite des großen europäisch-asiatischen Festlandes liegt das britische, auf der Morgenseite dagegen das japanische Inselreich, beide jedoch so weit von einander verschieden, als sie es kaum der Entfernung nach sind. Vom Inselreiche des Westens aus hat das Volk Englands eine Herrschaft gegründet, welche den ganzen Erdball umspannt, in deren Gebiete die Sonne nie untergeht. Wandere, wohin du willst, in allen Theilen der Erde, in allen Zonen, allen Gegenden findest du englische Kolonieen; auf allen Meeren weht Englands Flagge, in allen Ländern findest du Albions Sohn als Kaufmann. Besuche die Häfen Englands und du findest Schiffe, die von den verschiedensten Ländern des Erdballs heimgekehrt sind, oder im Begriff stehen, dahin abzufahren. Durchreise die Häfen seiner Kolonieen und Stationen und du findest die Fahrzeuge aller Nationen, vom Kanot des Neuseeländers und Südseeinsulaners bis zu dem stattlichen Schraubendampfer des Europäers. Wie verschieden dagegen das Inselreich des Ostens! Der Japaner hat sich von der ganzen übrigen Welt streng abgesondert, nur einigen wenigen Völkern einen äußerst kärglichen Handelsverkehr gestattet, seine Flagge einzig auf seine Meere beschränkt, und so einen Handelsstaat gegründet, wie er nicht allein nicht zum zweiten Male existirt, sondern sich selbst kaum denken läßt. Ein buchtenreiches Land von außerordentlicher Fruchtbarkeit, eine zahlreiche Bevölkerung (7–8000 Bewohner auf die Quadratmeile) von nicht unbedeutender geistiger Befähigung und Ausbildung, großen metallischen Reichthum im Innern der Berge, Steinkohlen, der große Betriebsfaktor des britischen Inselreichs, in außerordentlicher Menge, eine fleißige, geschickte und betriebsame Bevölkerung und dennoch kein Handelsverkehr mit den Nationen des Erdballs!

In solcher Abgeschlossenheit hat Japan viele Jahrhunderte verbracht, denn nur auf wenige Jahre trat es vor fast 300 Jahren mit den Portugiesen in Verkehr, um nach dessen gänzlicher Abbrechung im Jahre 1637 eine äußerst beschränkte Handelsverbindung mit den Holländern einzugehen, die unter dem Vorwande, „Holländer, aber nicht Christen“ zu sein, für Gewährung einiger unbedeutender Handelsvortheile die schmachvollsten Bedingungen eingingen. Mit Schlauheit und Konsequenz wies Japan die lockendsten Anerbietungen Englands, Rußlands und China’s zurück, gestattete seinen eigenen Bewohnern keinen Aufenthalt in fremden Ländern, und weigerte sich selbst, die von Stürmen nach benachbarten Küsten verschlagenen eigenen Bewohner wieder aufzunehmen, wenn sie auf fremden Fahrzeugen in ihr Heimathsland zurückgebracht wurden. Diese Hartnäckigkeit versuchten in unsern Tagen die nordamerikanischen Freistaaten durch Absendung eines Geschwaders unter dem Commodore M. C. Perry zu brechen, und ob Bruder Jonathan das, was ihm anscheinend gelang, auch in Wirklichkeit gelungen ist, muß die Zeit lehren. Wir aber begleiten den Commodore Perry an der Hand unseres deutschen Landsmannes W. Heine auf seiner Expeditionsreise und nehmen zugleich Gelegenheit, des letzteren trefflichen Bericht [1] auf’s Wärmste zu empfehlen.

Commodore Perry nahete sich dem japanischen Gebiete am 26. Mai 1854, als am Morgen mit Tagesanbruch man vom Schiffe aus eine der Liu-Kiu-Inseln in Sicht bekam. Ihre Südwestspitze besteht aus senkrecht aus dem Meere emporsteigenden Felsen, während die andern Seiten sich ziemlich sanft in üppig grünende von schönen Baumgruppen unterbrochene Felder abflachten, und so einen überaus anmuthigen Anblick gewährten. Man fuhr vorüber, wie im Laufe des Tages wohl noch an zwanzig andern, bis endlich um fünf Uhr die Ankerketten im Hafen von Napa fielen.

Schon am nächsten Morgen kamen zwei Boote aus Napa und überbrachten die Geschenke des Hadji-madji oder Bürgermeisters, in zwei Ochsen, einigen hundert Eiern, Gemüsen und süßen Kartoffeln bestehend. Auf dies Verfahren bereits durch frühere Reisende aufmerksam gemacht, war beschlossen worden, ohne Entschädigung dafür nichts anzunehmen, und so mußte der Hadji-madji sich bequemen, ein Gegengeschenk anzunehmen. Nur Wenige von der Mannschaft waren an diesem Tage an’s Land gegangen, wogegen am folgenden einer weit größeren Anzahl die Erlaubniß dazu gegeben ward. Unter ihnen war auch unser Landsmann Heine.

Die Stadt Napa, deren Häusergruppen sich auf unserer Illustration links im Mittelgrunde zeigen, ist der bedeutendste Handelsplatz der Liu-Kiu-Gruppe und liegt auf der Hauptinsel dieses Namens. Ein Fluß, für chinesische Dschunken tief genug, bildet den innern mit steinernen Vertheidigungswerken versehenen Hafen, während der äußere, in welchem die amerikanischen Schiffe ankerten, durch eine halbmondförmige Krümmung der Küste von dem


  1. Reise um die Erde nach Japan am Bord der Expeditions-Escadre unter Commodore M. C. Perry in den Jahren 1853–1855. Deutsche Original-Ausgabe von W. Heine. Erster Band. Leipzig, Costenoble. Der von uns gegebene Holzschnitt von Kretzschmar, gezeichnet nach der Natur von Heine, ist diesem Werke entnommen.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_345.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)