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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Weiber und Kinder schützten sie aber überall und stellten sie rasch wieder her, wo sie etwa zerriß. Inzwischen kamen die berittnen Jäger heran, sprangen von ihren Pferden, faßten Posto und rückten, ihre „Bolas“ (Büchsen) schwingend, im Kreise vor, einander zurufend, den Angriff zu beginnen. Bald krachten die Büchsen gegen die rathlos umherirrenden Vicuña’s, und der Rasen wurde mit Thieren bedeckt, die im Todeskampfe zuckten. Ein merkwürdiges, höchst lebendiges Bild. Da stand ein Jäger, die Bola über den Kopf wirbelnd, da stürzte ein anderer auf ein getroffenes Vicuña, und ein Dritter beugte sich über ein schon am Boden liegendes mit flammendem Jagdmesser, um es abzufangen, und stürzte sich dann abermals in den Kampf.

Ein interessantes Zwischenspiel bildete es, als mein alter Jagdfreund so gescheut war, das Rudel Guanaco’s gesondert zu verfolgen, um sie aus dem Felde zu treiben. Er jagte sie den Stricken zu, und als die an diesen Stehenden sie zurückjagen wollten, rief er ihnen zu, sie sollten sie laufen lassen. So trieb er sie immer näher an die Stricke, bis sie durchbrachen und verschwanden.

Die armen Vicuña’s, nahe an fünfzig, wurden sämmtlich erlegt oder gefangen. Sie wagten es nie, bis an die Stricke zu laufen oder hinüber zu springen, sondern kehrten immer wieder um und ließen sich umzingeln.

Am Interessantesten wurde die Jagd, als nur noch wenige Thiere übrig waren, denn ihnen wandten sich eine Menge Jäger zu, welche sie nach den verschiedensten Richtungen trieben, bis sie endlich von einer Menge Schüsse zugleich getroffen niederstürzten. Etwa zwanzig Minuten nach dem Beginn der Jagd fiel das letzte Thier. Dann wurden sie abgeledert, die Felle auf einen Haufen gepackt, und das Fleisch an die Familien vertheilt, welche an der Chacu Theil genommen hatten. Mein Pater hatte alle Ursache, mit der Jagd zufrieden zu sein.

Schließlich wurden die Pfähle ausgezogen und mit den Seilen und Lumpen zusammengelegt, damit sie am nächsten Tage den gleichen Dienst leisten können, das Fleisch auf die Pferde und Maulthiere gepackt, und hierauf nach dem Lager gezogen, wo sodann eine Fest- und Freudenscene folgte, wie sie dem armen Volke nur einmal des Jahres zu Theil wird.

Die Jagd dauerte zehn Tage, und ich blieb während dieser ganzen Zeit bei meinen halbwilden Freunden. Im Ganzen wurden etwas mehr als 500 Vicuña’s, ein paar Guanaco’s, einiges Rothwild der Andes (Cervus antisensis) und ein halbes Dutzend schwarze Bären (Ursus ornatus) getödtet. Natürlich wurden nur die Vicuña’s in dem Treiben erlegt, die andern Thiere schossen die Jäger gelegentlich, so wie sie dieselben aufgespürt hatten.

In ähnlicher Weise, wie hier die Vicuña’s, jagen die indianischen Jäger in Nordamerika die Büffel, indem sie dieselben zu Pferde umzingeln und dann einzeln erlegen.




13. Ein Abenteuer auf der Bärenjagd.

Der schwarze oder amerikanische Bär (Ursus americanus) ist der bekannteste von allen. Ihn sieht man am Häufigsten in Menagerien und zoologischen Gärten, weil auf ihn am meisten Jagd gemacht und er überall hin ausgeführt wird. Man unterscheidet ihn leicht von den braunen Bären Europa’s, sowohl durch seine Farbe, seinen geschickteren Gliederbau und durch sein glätteres Fell. Im Norden von Amerika giebt es außerdem noch den grauen, den braunen und den weißen Polarbären. Dem letzteren gleicht er im Bau am meisten, auch sind beider Felle gleich glatt, der schwarze Bär ist jedoch kleiner und erreicht höchstens zwei Drittheile vom Gewicht des Polarbären. Seine Farbe ist gewöhnlich dunkelschwarz, bis auf einen röthlichen Strich um die Schnauze. Er ist sehr gefräßig und verschlingt sowohl Fleisch als Früchte, Nüsse und Wurzeln. Für gewöhnlich frißt er jedoch nicht Fleisch, und wird er durch Hunger dazu getrieben, so zerreißt und verschlingt er sein Opfer, während es noch schreit, und man kann sagen, daß er es zuweilen lebendig verschlingt. Seine Lieblingsspeise bildet bekanntlich Honig und er weiß desselben sehr geschickt habhaft zu werden, indem er die Höhlung der Bäume, in welcher die Bienen bauen, mit seinen scharfen Klauen so erweitert, daß er dazu kann. Die Stiche der Bienen kümmern ihn dabei wenig, da sie ihn nicht verletzen. Er erklimmt die Bäume rutschend, und wenn er hinabsteigt, läßt er sich hinabgleiten, wie es der Mensch thut. Er ist durch die Waldregionen von ganz Nord- und Südamerika verbreitet. In dem letzteren giebt es jedoch auch noch eine andere Art desselben, Ursus ornatus.

In den offenen Prairie-Distrikten haust der graue Bär, und nur in den Waldthälern der Rocky Mountains findet man ihn in Gemeinschaft mit dem schwarzen Bären. Den braunen Bären, der mit dem europäischen identisch ist, findet man in den öden baumlosen Steppen, welche sich im Norden durch den ganzen Kontinent Amerika’s bis zum Eismeere hinziehen. Hohle Bäume bilden gewöhnlich seine Wohnung, häufig genügt ihm auch ein umgestürzter Baumstamm, sich dahinter zu verbergen. Ferner benutzt er Felsenhöhlen, sobald sie ihm einen sichern Versteck bieten. Im Winter schläft er, jedoch nur während der Kälte; sobald das Wetter wärmer wird, wacht er auf, und im südlichern Klima ist er das ganze Jahr hindurch sichtbar.

Man jagt ihn mit Hunden und wenn er sich in seine Höhle rettet, räuchert man ihn hinaus. Ehe er nicht verwundet wird, greift er den Menschen nicht an, aber wenn er es thut, ist er sehr gefährlich. Die Kraft seiner Vorderklauen ist so groß, daß er den Menschen leicht darin erstickt. Er ist jedoch sehr empfindlich an der Schnauze, und wenn der Jäger kaltblütig genug ist, ihm darauf einen tüchtigen Schlag zu versetzen, wendet er sich erschreckt waldeinwärts.

Häufig fängt man ihn in Fallen, welche so eingerichtet sind, daß zwei starke Holzstücke nach Entfernung des Sperrholzes, das sie oben auseinander hält, zusammenschlagen. Oft tödten sie den Bären auf der Stelle, es genügt aber auch, wenn sie nur eine Klaue desselben festhalten, da er nicht im Stande ist, sich daraus zu befreien.

Als ich einmal in den nordamerikanischen Wäldern auf der Bärenjagd war, wo wir das Glück gehabt hatten, einen Bären nach kurzem Spüren von dem Baume herunter zu schießen, auf den er sich gerettet hatte, erzählte uns, nachdem wir uns im Walde gelagert, ein alter Trapper eine merkwürdige Geschichte, die ihm vor Jahren auf der Bärenjagd begegnet war, und ich kann mich nicht enthalten, sie nachzuerzählen, da der alte Mann für durchaus wahrheitsliebend galt, und die Art seiner Mittheilung durchweg davon zeugte, daß er wirklich Erlebtes schilderte.

„Ich wohnte damals,“ begann er, „in Ost-Tennessee am Tennesseefluß, mit einer alten Mutter in einer ärmlichen Hütte, und wenn ich die nöthigsten Feldarbeiten gethan hatte, dachte ich natürlich an nichts Anderes als an die Jagd, denn diese brachte uns immer etwas zu leben, und die Felle rentirten besser als unser Acker. Ich mochte wohl achtzehn Jahre alt sein, als ich einen Morgens am Ufer des Flusses im Schlamme die Spuren eines Bären fand. Ich folgte ihnen, sie gingen mir aber verloren als ich an härteren Boden kam. Da war so dichtes Buschwerk, daß keine Katze, geschweige denn der Bär hätte hinein kriechen können; ich ging daher zurück und spürte nach andern Richtungen. Endlich sah ich einen umgestürzten Baumstamm liegen, der Spuren von Schmutz hatte, den war der Bär offenbar entlang gelaufen. Ich folgte, ging bis an’s Ende und sah die Höhlung, die sich der Bär gemacht hatte, als er durch dns Buschwerk kroch. Da mußte ich nach, kostete es auch, was es wolle. Es war keine leichte Arbeit, denn da waren Disteln, Brennesseln und Dornen, so scharf wie ein Angelhaken.

„Mit Mühe und Noth kroch ich durch das Dickicht, wobei ich ein paar Mal daran dachte, wie angenehm es sein würde, wenn mir der Bär auf diesem Wege entgegen käme. Es geschah aber nicht, und als das Gesträuch dünner wurde, sah ich plötzlich ein Stück Fels vor mir. Darin mußte der Bär seine Höhle haben, und richtig, bald sah ich auch den Eingang, vor den der Bär Steine und Lehm gehäuft hatte, um ihn zu verdecken. Natürlich lauerte ich nun noch eine Weile, ob der Bär sich nicht zeigen würde und hielt meine Büchse fertig, um ihm eine Hand voll Blei zuzuschicken, wenn er seine Schnautze zeigte. Er kam aber nicht, und ich mußte an meinen Rückzug denken, weil es allmälig dunkelte und ich sonst den Weg nicht wieder gefunden hätte.

„Ich ging also nach Hause. Der Bär lag mir aber fortwährend im Sinn, und es stand fest bei mir, ich mußte ihn aus seinen Schuhen treiben und sollte ich ihm auch acht Tage nachstellen. Am nächsten Morgen machte ich mich daher wieder nach der Höhle auf und nahm außer meiner Büchse noch eine Axt, einen Topf

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