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dem leicht aufwärts gezogenen Mundwinkel, während der kummervoll sich senkende Mund die Augenbraue ebenfalls an der äußern Seite verzweifelnd sinken sieht. Das Temperament und oft wiederholte Empfindungen drücken sich natürlich den Zügen ebenfalls ein und geben ihnen etwas Festes. Heitere und offene Herzen werden sich deshalb durch offene, gehobene Augenbrauen ankündigen, während die Denker, wie man auf allen Gesichtern derselben sieht, sie herabziehen in dem unablässigen Bemühen, gleichsam in das Licht der Wahrheit hineinzuschauen. An ruhelosen, sehr veränderlichen Personen bemerkt man sogar bisweilen, daß die Brauen in mehrere kleinere Bogen zerbrochen oder durch heftige Leidenschaften gleichsam zerrissen sind.

Von außerordentlicher Bedeutung ist die Farbe des Augapfels und Augensterns. Den erstern sehen wir am liebsten weiß, zwar lebensvoll, aber doch so, daß seine fleckenlose Reinheit unwillkürlich ein reines, fleckenloses inneres Leben anzeigt. Einen ganz andern Eindruck macht eine grauliche oder gelbliche Farbe. Ein bläulicher Schein, der den Kindesaugen eigenthümlich ist, gibt Erwachsenen ein Aussehen von unvollkommener Entwickelung. Wir dürfen indeß nicht vergessen, daß andere Einflüsse diese Erscheinungen herbeigeführt haben können. Der Augapfel, der von starken Adern durchzogen ist, verräth Leidenschaftlichkeit, denn jede Aufregung treibt das Blut im stärkern oder geringern Grade nach dem Kopfe und oft wiederholte solche Blutanhäufungen in die Augenadern lassen endlich Spuren zurück als unverkennbare Charakterzeichen.

Jeder Mensch auf Erden hat einen ihm eigenen Blick. Die Anatomen finden ihn nicht, die Physiologen können ihn nicht erklären, aber wir Alle wissen, daß er da ist. Er ist das Resultat des Gesammtausdrucks aller Theile des Auges, der nach vielfachen Wiederholungen endlich dauernd bleibt. Er wird deshalb der charakteristischste Zug des Menschen, der wirkliche Spiegel seines Lebens, der Dolmetsch aller seiner Gedanken und Gefühle. Er bindet auch einen Menschen an den andern durch das Band der Sympathie. Freilich können wir das weder erklären noch vorzeigen, aber jeder Mensch fühlt es und handelt darnach. Ein Blick oft bindet zu ewiger Liebe; ein Blick scheidet für immer. Seine Macht ist um so größer, je weniger der Wille entwickelt ist. Dieser allein vermag einigermaßen die Macht zu brechen, und lehrt den Menschen, nicht nach seinem Gefühl zu handeln, sondern nach „Berechnung.“ Aber seinen eigenthümlichen Blick behält trotzdem ein Jeder. Jeder große Mann namentlich hat einen Augenausdruck, den Niemand nachzuahmen vermag und der selbst einen Socrates schön machen kann.

Gern und mit Wohlgefallen sehen wir den ruhigen, liebevollen Blick der Freunde, aber den stieren Blick vermögen wir nicht zu ertragen, selbst wenn er nicht auf unser Auge, sondern auf einen Theil unseres Anzuges gerichtet ist. Mit strengem Tadel oder stiller Verurtheilung gleitet der Blick des Vorgesetzten von Kopf bis zu dem Fuße, während das Auge des Neidischen hastig und von der Seite die Größe und Gestalt des Gegenstandes seiner häßlichen Leidenschaft mustert. Der Blick der Verachtung geht über den Gegenstand derselben gleichsam hinaus, als wollte er ihn aus seinem Sehkreise ganz ausschließen. Begeisterung und Fanatismus blickt nach oben zu, nach Höherem, während der Geizige, der Habsüchtige und Selbstsüchtige niederwärts sieht auf den Staub, an dem seine Seele klebt.

Das Auge des Greises hat wie das des Kindes einen unsichern Blick; der erstere fühlt sich allmälig von den Banden des Lebens gelöset und sein Auge wendet sich mehr und mehr von der äußern Welt ab, während das des Kindes noch Alles verwundert anstarrt und noch nicht dahin gekommen ist, Einzelnheiten scharf zu beobachten.

So kann man in dem Blicke des Auges das lesen, was in der Seele des Menschen vorgeht, und was sein Schicksal in der Zukunft bestimmen wird. Ein gewisser Blick wird allmälig feststehend, denn die Augen nehmen, wenn sie nicht zu einem besondern Zweck verwendet werden, den Ausdruck unwillkürlich an, den sie am häufigsten haben. Dieser Blick ist der charakteristische Zug eines Gesichts und darum für den Maler und Bildhauer von der größten Wichtigkeit.


II. Bau des Auges; von Bock.

Daß das Auge, außer Empfindungsorgan für Licht und Farbe (in Bildern) zu sein, auch der Spiegel des Geistes und eine der Hauptpforten ist, durch welche letzterer allmälig in unsern Körper (Gehirn) einzieht, verdankt dasselbe seinem Baue und seinem unmittelbaren nahen Zusammenhange mit dem Gehirne, an welchem es, wie ein Apfel an einem vom Sehnerven gebildeten Stiele ansitzt. Es stellt nämlich das nach den optischen Gesetzen der camera obscura gebaute Sehorgan eine hohle, kugelförmige, von drei zwiebelschalenartig (concentrisch) um einander herumliegenden Hautlagen gebildete Blase oder Hohlkugel, Augapfel genannt, dar, in deren Innerm durchsichtige, mehr und minder feste und flüssige Materien verborgen sind. Diese letzteren, den Lichtberechnungsapparat bildend, brechen die von leuchtenden Punkten nach allen Richtungen hin kegelförmig ausgehenden und in das Äuge fallenden Lichtstrahlen so, daß sich dieselben wieder in einem Punkte (Bilde) sammeln, der auf den hinter diesem Lichtbrechungsapparate hautartig (als Netz- oder Nervenhaut) ausgebreiteten Sehnerven trifft und durch diesen zum Gehirn (Bewußtsein) fortgeleitet wird. – Der Augapfel selbst liegt aber geschützt und umhüllt von einem elastischen Fettpolster in der trichterförmigen knöchernen Augenhöhle, wird äußerlich von den Augenlidern bedeckt, mit Hülfe des Thränenapparates stets rein erhalten und kann durch sechs Muskeln willkürlich nach allen Richtungen hin gedreht werden, wobei dem Bewußtsein durch die mit jeder Bewegung verbundenen Muskelgefühle eine Vorstellung von der Größe und Richtung der geschehenen Bewegung, so aber Aufschluß über Größe und Entfernung der gesehenen Gegenstände verschafft wird.

Die erste oder äußerste Hautlage, welche für sich allein eine vollständig geschlossene Hohlkugel bilden würde, soll dem Augapfel seine Gestalt verleihen und besteht deshalb aus zwei ziemlich derben, starren Häuten, von denen diejenige, welche den größern Theil (fast fünf Sechstel) und den hintern Umfang des Augapfels bildet, die harte oder weiße Augenhaut (Sclerotica; c) heißt, perlmutterweiß, undurchsichtig, von faserigem Baue, sehr gefäß- und nervenarm, und hinten vom Sehnerven (a), dessen Scheide (b) sich unmittelbar in diese Haut fortsetzt, durchbohrt ist, während sich vorn die Augenmuskeln an sie anheften. Sieht man Jemand in das offenstehende Auge, so erblickt man am innern und äußern Augenwinkel und besonders beim Verdrehen des Auges den vordersten Theil dieser Haut als „das Weiße des Auges.“ – Den vordersten (6ten) Theil der äußern Hautlage oder Hohlkugel bildet die durchsichtige, uhrglasähnliche und stärker als die weiße Haut gewölbte Hornhaut (Cornea; d). Sie hängt nach hinten ununterbrochen mit der weißen Augenhaut zusammen, besteht aus einer äußerst gefäß- und nervenarmen knorpelartigen Masse (mit Fasern, Zellen und Flüssigkeit) und wird äußerlich von einem dünnen Oberhäutchen (Bindehaut; f), an ihrer innern ausgehöhlten Fläche aber, welche in die vordere, mit Wasser erfüllte Augenkammer (n) sieht, von der zarten Wasserhaut (e) überkleidet. Die Hornhaut, welche ihrer Durchsichtigkeit wegen den Lichtstrahlen in das Auge einzutreten erlaubt, zeigt sich bei offenem Auge als das Spiegelnde vor dem sogen. Augensterne (der bunten ringförmigen Regenbogenhaut und der schwarzen Pupille).

Die zweite oder mittlere Hautlage, welche eine, vorn platte und mit einer runden Oeffnung (Pupille; m) versehene Hohlkugel darstellt, die innerhalb der äußeren, von der Hornhaut und weißen Augenhaut gebildeten Hohlkugel steckt, besteht aus zwei sehr gefäß- und nervenreichen, dunkelgefärbten und muskulösen Membranen, der Gefäß- und Regenbogenhaut, so daß sie hauptsächlich der Ernährung, Verdunklung und Bewegung der innern Augentheile dient. – Die Aderhaut, Gefäßhaut, schwarze Augenhaut (Chorioidea; g), deren hinterer Theil ebenfalls vom Sehnerven (a) durchbohrt wird, liegt dicht an der innern Fläche der weißen Augenhaut an und reicht vorwärts bis an den Rand der Hornhaut, wo sie sich theils mit einer dickern Portion, mit dem Spannmuskel der Aderhaut (Strahlenbande; i) anheftet, theils nach innen zu einen aus einigen 70 Strahlen zusammengesetzten Faltenkranz (Strahlenkörper; h) rings um die Linse bildet. Was den Bau der Aderhaut betrifft, so besteht ihre äußere Schicht vorzugsweise aus größern Blutgefäßen und sternförmigen, mit schwarzen Körnchen erfüllten Zellen, die mittlere Schicht aus einem sehr engmaschigen Haargefäßnetze und die innerste Schicht aus schwarzen Farbezellen. – Da wo sich vorn die Aderhaut an den Rand der weißen Augenhaut befestigt und wo diese letztere in die Hornhaut übergeht, zieht sich ein Blutkanal (u) kreisförmig in der Augenwand herum, und hier hängt die Regenbogenhaut

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