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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Blätter und Blüthen.

Das Heer der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Es dürfte den Lesern der „Gartenlaube“ nicht unwillkommen sein, über das Heer der Vereinigten Staaten von Nordamerika aus der Feder eines Militärs die nähern Angaben kennen zu lernen, die wir einem größern Artikel einer wiener militärischen Zeitschrift in geeignetem Auszuge entnehmen.

Die ganze Stärke dieses Heeres beträgt nur 17,000 Mann, wovon 12,000 Mann aus zwölf Infanterieregimenter, 2000 Mann auf die Artillerie, in zwei Regimenter formirt, und 3000 Mann auf die Cavallerie kommen. Letztere zählt vier Dragonerregimenter, wozu noch die in Texas befindlichen berittenen Ranchos kommen. Obercommandant dieser Armee ist Generalmajor Winfield Scott; derselbe hängt jedoch in Allem von dem jedesmaligen Kriegssecretär in Washington ab, der im Namen des Präsidenten die Befehle ertheilt.

Was den Zweck dieses Heeres betrifft, so ist es der, die westlichen und südwestlichen Ansiedler gegen die Indianer zu schützen, sowie die nördlichen und östlichen Plätze besetzt zu halten.

Die Armee ergänzt sich durch freiwillige Werbung; die Dienstzeit beträgt fünf Jahre; nach Ablauf derselben kann der Mann sich wieder anwerben lassen, und dann noch ein drittes Mal. In letzterem Falle kann er dann nicht wegen Alters oder Gebrechen entlassen werden, und die Regierung ist verpflichtet, ihn lebenslänglich zu versorgen.

Die Verpflegung und Bezahlung ist äußerst splendid. Bei der Infanterie erhält der Mann bei seiner drei Mal täglich verabreichten Kost, die früh in Kaffee, Speck und Brot, Mittags in Suppe, Rindfleisch und Brot, Abends in Kaffee und Brot besteht, monatlich an ordinärer Löhnung 11 Dollars (1 Dollar – 1 Thlr 13 Sgr.). Von diesen wird ihm monatlich ein Dollar zurückbehalten, um ihm, falls er bei Ablauf seiner Dienstzeit sich auf einer Außenstation befindet, die Rückunkosten bis nur ersten Hauptstation zu sichern. Außerdem erhält er für eine solche Reise für jeden Tag eine bestimmte Quantität Nahrungsmittel. Von der Löhnung werden noch 21 Cents (1/4 Dollars) für das Hospital und 50 Cents für die Reinigung der Wäsche abgezogen.

Trotz dieser günstigen Stellungen sind Desertionen doch sehr zahlreich, wozu hauptsächlich die schlechte geringschätzende Behandlung durch die Offiziere und Unteroffiziere veranlaßt.

Die Ausrüstung des nordamerikanischen Soldaten besteht in dem gewöhnlichen percussionirten Gewehr, welches jetzt der Miniébüchse weichen wird. Die Armatur ist schwarz, von wasserdichtem gepreßten Filz. Statt den Bayonnets hat man eine Art Hirschfänger, welcher, wie auch die Patrontasche, in welcher vierzig scharfe Patronen geführt werden, nebst einem schwarzledernen, vorn befindlichen Täschchen, in welchem die Kapseln sind, an einem Gurt um die Mitte des Leibes getragen wird.

Der Waffenrock ist von dunkelblauer Farbe mit hellblauen Aufschlägen und Epauletten; die Beinkleider sind hellblau mit dunkelblauen Streifen. Kopfbedeckung ist der Czako. Der Tornister ist von gepreßter Wachsleinewand. Während der fünf Dienstjahre erhält der Mann drei Kotzen.

Zu den Schießübungen werden so viele Patronen verabreicht, bis der Mann darin vollkommen eingeübt ist. Es wird in dieser Beziehung nichts gespart.

Die Kasernen in den Depots sind vortrefflich; ebenso die Spitäler. Auswärts hat jeder Posten sein Marodehaus.

Zur Versorgung alter ausgedienter Leute dient das Invalidenhaus zu Washington, welches, für 12,000 Mann berechnet, noch seiner Vollendung entgegensieht. Wer im Verwundungsfalle nicht in’s Hospital gehen will, erhält monatlich zwischen 8 bis 11 Dollars Pension.

Die Löhnung der Unteroffiziere ist folgende: der Color oder erste Sergeant erhält 20, der Sergeant 17, der Korporal 15 Dollars für jeden Monat.

Die Auszeichnung der Unteroffiziere ist folgende: der Color trägt drei lichtblaue Streifen mit einem dito Viereck oberhalb der Streifen; der Sergeant hat drei, der Korporal zwei Streifen, sämmtlich am linken Oberarm.

Jedem Soldaten steht es frei, sich zu verheirathen, doch sind die Verheirateten in zwei Classen geschieden. Auf die erste Classe, wozu die specielle Erlaubniß des Compagniecommandanten erforderlich ist, können nur fünf Mann Anspruch machen. Ein solcher Mann bezieht für sein Weib eine, für jedes Kind eine halbe Ration, bei freiem Quartier, welche letztere jedoch der Frau entzogen werden kann, wenn sie sich unordentlich aufführt. In die zweite Classe gehören alle verheiratheten Soldaten, deren Frauen vom Staate gar nichts beansprechen dürfen und auch außerhalb der Kaserne wohnen.

Bei Bestrafzufällen entscheiden von Offizieren zusammengesetzte Garnisons- und Generalkriegsgerichte.

Das Garnisonskriegsgericht ist kompetent bei Trunkenheit, Subordinationsvergehen im mindern Grade, Ausgehen nach dem Zapfenstreiche etc. Es kann Strafen bis zu 30 Tagen einsamer Haft, mit ganzem, halbem oder noch geringerem Löhnungsabzug für diese Zeit verhängen.

Das Generalkriegsgericht entscheidet bei Nichtbefolgung der Befehle, Subordinationsvergehen in höherm Grade, habitueller Trunkenheit, Meuterei, Desertion, Verkaufen der Montursstücke, auch wenn es die eigenen sind.

Das Generalkriegsgericht erkennt mindestens zu zwei Monaten einsamer Haft, mit 20–30 Dollars Löhnungsabzug, verschärft durch harte Arbeit bei Wasser und Brot, mit Decken und Mantel im Arrest; sechs Monat Arrest mit 24- oder 45pfündigen eisernen Kugeln an den Beinen; dann 50 Hiebe auf den bloßen Rücken.

Zu Offizierstellen können ausschließlich nur Amerikaner, hoher, guter Familien erst dann gelangen, wenn sie als Kadetten den fünfjährigen Kursus in der Militärschule zu Westpoint mit gutem Erfolge zurückgelegt haben. Die Bezahlung der Offiziere ist folgende: ein Generalmajor erhält monatlich 265 Dollars, ein Brigadegeneral 135, der Oberstlieutenant 115, der Major 95, der Kavalleriekapitain 85, ein Kapitain der Artillerie und Infanterie 75, ein erster Lieutenant der Kavallerie 65. ein erster Lieutenant der Artillerie und Infanterie 57, ein zweiter Lieutenant der Kavallerie und Infanterie 47, ein Kadett 33 Dollars bei freiem Quartier, Licht, Feuerung, und für die Subalternen Bedienung.

Jeder Offizier ist verpflichtet, in einer der Außenstationen seines Regiments zu dienen; nach Ablauf dieser Zeit ist er zu zwei Jahren Urlaub mit Fortbezug der Gage nach irgend einem Theile der Union berechtigt.

Jedes Regiment führt die Regimentsnummer an den Rockkragen; zwei Bataillone bilden ein Regiment, fünf Kompagnien ein Bataillon, hundert Mann mit Einschluß der Chargen und Spielleute eine Kompagnie.

Die Musikchöre sind größtentheils aus Deutschen gebildet und zählen zwischen 18 und 24 Mann.

Das Exercirreglement ist das französische. Das divisions- und compagnieweise Exerciren ist gut, das Zielen und Treffen der Soldaten vortrefflich und im Tirailliren sind sie Meister.



Naives Bekenntniß. Bei einer öffentlichen Gerichtsverhandlung, welche vor einigen Tagen in Wien stattfand, erklärte der Angeklagte, der Redakteur des „Teufels“ in Wien, Anton Töger, wörtlich: „Die erbärmliche Wirthschaft der hiesigen Theater hat mir die Lust des Theaterlebens verleidet und ich wendete mich der Journalistik zu. Ich trat mit einem Blatte in Verbindung und schrieb für dasselbe einen Roman. Nach der achten Fortsetzung kam ich zu dem betreffenden Redakteur, und er sprach mich barsch an: „Sie müssen den Roman abbrechen, acht Fortsetzungen schon und noch keinen Mord! Ich muß ja zu Grunde gehen, wir verlieren unsere Abonnenten! Sie müssen morden!“ – Ich schrieb demnach anstatt wie verabredet vier Bände nur zwei und mordete! Das hatte mir aber einen solchen Ekel vor der wiener Literatur beigebracht, daß ich mich entschlossen habe, gegen sie zu Felde zu ziehen. – Ein Seitenstück passirte vor einigen Jahren in Leipzig. Ein leipziger Buchhändler bestellte bei einem namhaften Schriftsteller ein Geschichtswerk, worin das Leben einen berühmten Generals geschildert wurde, der als Feldherr ganz brav, als Staatsmann aber ein Pfuscher war. Der Historiker hatte sich streng an die Geschichte gehalten und ein treues Bild aller Vorzüge und Fehler des Feldherrn geliefert. Der Buchhändler aber war anderer Meinung. Er verlangte vom Autor den alten General auch als ausgezeichneten Staatsmann geschildert, und als dieser empört ob dieses Frevels an der Geschichte, ihm das Manuscript vor die Füße warf, ließ er ruhig einen andern Schriftsteller kommen, der weniger gewissenhaft war, und beauftragte diesen mit der Vollendung des Werkes, das nun mit vollen Backen den alten General als ausgezeichneten Staatsmann lobt. Es frägt sich nun, wer dabei gewissenloser dasteht, der Buchhändler oder der willige Literat.


Ein Buch für Alle.

Bei Ernst Keil in Leipzig ist in Zweiter Auflage erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:

Das
Buch vom gesunden und kranken Menschen.
Von
Dr. Carl Ernst Bock,
Professor der pathologischen Anatomie in Leipzig.
32 Bogen, geh. 12/3 Thaler., geb. 1 Thlr. 27 Ngr. Mit 25 feinen Abbildungen.

Aus der Fremde“ Nr. 21 enthält:

Achtmonatliche Gefangenschaft zweier russischer Fürstinnen in Schamyl’s Harem. – Bei einer Tänzerin in Egypten. – Bunte Bilder. II. Am Stillen Meere. Von Julius Fröbel.Aus allen Reichen: Garnisonleben an der Indianergrenze. – Allerlei Neues.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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