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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

angegebenen Größe zu Hundert Platz haben, bilden ein sich munter umhertummelndes Fischpublikum neben den bedächtigen in Gold gekleideten Chinesen. Bringen wir als Wetterpropheten einen Wetterfisch, Cobitis fossilis, mit in das Aquarium, so müssen wir seinetwegen eine Stelle des Sandgrundes frei von Steinen lassen, damit er darin herumwühlen kann.

Wir kommen nun zu den Lurchen, wie wir echt deutsch die Amphibien nennen wollen. Leider herrscht vor ihnen ein grundloses Vorurtheil bei den Leuten, welches einzig und allein bei der Kreuzotter oder Viper kein grundloses ist, obgleich ich die häßliche Kröte, mit ihrem scharfen, aber durchaus nicht giftigen Harn, durchaus nicht liebenswürdig wie das Fischchen nennen will. Aber die harmlosen Molche, namentlich die kleinen sogenannten Teichsalamander, Triton cinereus, mit dem schönen Hautkamme über Rücken und Schwanz, gehören nothwendig in das Aquarium, welches wir ihretwegen nicht zu hoch mit Wasser füllen dürfen, da sie sonst gern herausklettern. Soll die Botanik in dem Aquarium die Hauptrolle spielen, so müssen die Molche leider wegbleiben, weil sie gern an den zarten Stämmchen, z. B. der Farrenkräuter, in die Höhe klettern und sie dann umknicken.

Das wäre nun ungefähr das Leben für unser Aquarium. Aber wird es darin auch Leben bleiben? Wird es uns nicht viel Sorge und Mühe machen, es zu erhalten? Wie oft müssen wir das Wasser erneuern? Antwort: Niemals. Wenn die Pflanzen darin recht freudig gedeihen so saugen sie mit ihren Wurzeln alle fauligen Stoffe auf, welche von dem Abgang der Thiere sich dem Wasser beimischen. In diesem Augenblicke steht neben dem Arbeitstische, an welchem dies geschrieben wurde, seit 6 Monaten ein großes Aquarium, ohne daß das Wasser einmal erneuert worden wäre. Nur zuweilen nachzufüllen hat man das, was durch die Verdunstung verloren geht. Doch weise man dem Süßwasser-Aquarium seinen Platz nicht an einem Fenster ein, das von der Sonne stark und lange beschienen werden kann, das Wasser darin nicht zu stark erwärmt werde. Größere Leichen, – todte Fische entgehen der Aufmerksamkeit nicht, weil sie sofort auf der Seite liegend, oben auf schwimmen – kann man leicht entfernen ehe sie faulen. Gleichwohl sind in meinem Aquarium in der angegebenen Zeit wenigstens zehn größere Schnecken gestorben und verfault, deren leere Gehäuse nun am Boden liegen. Ein Fisch ist darin noch nicht gestorben. Was das Thierleben gefährden könnte, wird sofort von den Pflanzen als gedeihliche Nahrung aufgenommen.

Dem Hornblatt (9), was langen Fichtentrieben ähnelt und sich in jedem Teiche findet, glaube ich vorzüglich das Gedeihen meines Aquariums zuschreiben zu müssen. Denn im October vorigen Jahres hineingelegte abgerissene fingerlange Stengel desselben sind seitdem zu ellenlangen armleuchterähnlich beblätterten Guirlanden erwachsen, welche im Lichte ununterbrochen kleine Perlen von Sauerstoff austreten lassen und dadurch so wie wahrscheinlich durch eine lebhafte Einsaugung von Kohlensäure das Wasser für die Thiere athembar halten. Gleich gute Dienste würde ohne Zweifel die schwimmende Salvinie, Salvinia natans, leisten, ein sehr niedlicher Wasserfarren, welcher sich in manchen Gegenden Deutschlands häufig auf dem Wasserspiegel großer Sümpfe findet.

So möge denn diese das reichhaltige Thema, welches dem eigenen Nachdenken und Erfinden immer noch Spielraum genug läßt, nur theilweise erschöpfende Mittheilung etwas dazu beitragen, die Freude an der Natur zu unterstützen.

Das Aquarium ist im häuslichen Familienkreise ein wirksames Mittel, die Kinderwelt an den vertrauten Umgang mit der Natur zu gewöhnen. Spielschulen und Kindergärten, ja jede gute Schule sollte sich dieses Mittels bedienen. Es schärft das Auge und lenkt die Beobachtungsgabe auf ein bisher von der Menge unbeachtet gelassenes Feld. Die Entwickelungsgeschichte der Schnecken, vieler Insekten, der froschartigen Lurche gewährt nicht blos dem wißbegierigen Auge des Kindes eine angenehme Unterhaltung, sondern vermittelt nützliches Wissen.

Dem See-Aquarium gegenüber hat das unserige ganz entschieden einen Vorzug, den der Verbindung des unter dem Wasserspiegel sich herumtummelnden Thierlebens und des freudig sich über ihm erhebenden Grün der Gewächse, während im Seeaquarium Alles unter Wasser bleiben muß.




Begegnisse und Erinnerungen.
Von H. K-g.
Bulwer. Badeleben.


Vom unfreundlichen Norden eilte ich vor einigen Jahren schnell dem Süden zu, dem Süden des Rheinlandes, wenn man nämlich so kühn sein darf, das Großherzogthum Nassau mit seinem Wiesbaden zu den Rheinlanden zu rechnen.

Ich trat eines Tages in das Hotel zu den „vier Jahreszeiten“ gedachten Badeortes. Es war kurz vor Mittagszeit, weshalb eine Menge Gäste bereits im Speisesaal umherschlenderten, mit stiller Verzweiflung und Raffinement in den Mienen, wie sie am besten die paar langweiligen Minuten todtschlagen könnten, die noch an der Speisestunde fehlten. Diese Gruppen hatten demnach weder etwas Neues noch Befremdendes, um so mehr aber fiel mir eine Anzahl Gentlemans auf, in weißen Cravatten und dito Handschuhen, die sich rasch nach der Thüre wendeten, so oft sich diese öffnete. Die Haltung und der ganze Schnitt dieser Herren verrieth sogleich die Engländer, und die strenge Toilette einen außerordentlichen Empfang oder etwas dergleichen. Plötzlich öffnete sich die Thüre weiter, ich möchte sagen, formeller und umständlicher wie gewöhnlich, und herein schritt ein Mann, dem die Herren im Saale ehrfurchtsvoll entgegentraten und bewillkommneten. Der Eintretende schien ein Mann von Mitte Vierzig. Seine Figur war schmächtig und beinahe groß; die Farbe seines Gesichts blaß und gelblich, das gelockte schwarze Haar an manchen Stellen schon gebleicht. Man setzte sich zur Tafel, und ich war so glücklich, nicht allzu weit von der interessanten Erscheinung zu sein. Ich konnte fast nicht erwarten, bis der Kellner mir die Suppe reichte, um ihn zu befragen, wer der Fremde sei, dessen wahrhaft aristokratisches Wesen, dessen kränkelndes und doch so geistvolles Gesicht mich immer mehr zu fesseln begann. Endlich kommt der Kellner.

„Wie – – –? Ich verstehe nicht!“

„Ein Herr Bulwer – Engländer –“ antwortet der Gefragte.

Also Bulwer – einer der gefeiertsten Männer nächst Charles Dickens, der erste der lebenden Schriftsteller Englands, der Verfasser von Eugen Aram, dem letzten der Barone Pelham, Devreux und einer Unzahl der ausgezeichnetsten Romane, die uns mehr oder minder in das höhere gesellschaftliche Leben jenes Landes einführen.

Der Gentleman erhob sich kurz nach dem Dessert, drückte nach englischer Sitte jedem der anwesenden Landsleute die Hand, und verließ den Saal eben so kalt, ernst und schweigsam, wie er gekommen war.

Es ist ein altes und ziemlich wahres Wort: man soll Dichter nicht essen und trinken sehen, d. h. ihre persönliche Bekanntschaft überhaupt nicht suchen, da bei näherem Umgang oder beim Anblick derselben die Wirklichkeit oft sehr hinter dem Ideal zurückbleibt, das wir uns nach dem Lesen eines Werkes von der Persönlichkeit des Verfassers machten. Bei Bulwer hingegen bestätigte sich die Wahrheit dieses Ausspruches nicht, im Gegentheil könnten wir uns schwer ein vortheilhafteres Bild von einem so aristokratischen Schriftsteller, wie es Bulwer ohne Zweifel ist, entwerfen. Der kalte, stolze Ernst, der auf seiner hohen Stirn liegt, der stets sinnende, zuweilen schmerzvolle Zug zwischen den scharfen Brauen, die kühn gebogene Adlernase, die bestimmten Linien des Mundes, das energische Kinn, alles dies sind Eigenschaften in dem Antlitz des Mannes, welche ihn auch ohne seinen schriftstellerischen Ruhm den Stempel der Bedeutendheit aufdrücken würden.

Noch am nämlichen Tage erfuhr ich zufällig, Bulwer reise nach Genf zu einer persönlichen Zusammenkunft mit seiner Gattin, von der er schon seit längerer Zeit getrennt lebte, und von der sich gerichtlich scheiden zu lassen sein fester Entschluß sei. Ich ahnte damals nicht, später noch die Lady zu sehen, für die ich eben nicht

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