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Elephanten-Artillerie.


Intriguen des Advokaten lagen enthüllt vor ihm. Die Mutter Henriette’s hatte also jene Reise, die man ihm als verdächtig geschildert, nur unternommen, um sich mit Kolbert trauen zu lassen.

Der Verkauf der Lebenspolice war deshalb eilig geschehen, um den Tod Kolbert’s, der den erneuerten Nachforschungen entgehen wollte, festzustellen. Und der Pastor Lambert – wohnte er nicht in Hamburg? War der würdige Mann nicht der Onkel seines ersten Commis? Er hatte den vertriebenen Prediger nie gesehen, aber er kannte das verwandtschaftliche Verhältniß desselben zu Ludwig.

Er wollte den Commis rufen, dieser aber trat in das Kabinet.

„Fräulein Sophie Saller!“ kündigte er mit bebender Stimme an.

Soltau warf einen Blick auf den Wandkalender; er zeigte den fünfzehnten December an. Rasch trat er in das Comptoir, wo das junge Mädchen wartete. Statt sie in das Kabinet zu führen, führte er sie in das Zimmer seiner Frau. Sophie sank Soltau’s Gattin weinend an die Brust.

„Was ist Dir, Schwester?“ rief Henriette erschreckt.

„Begleite mich, ohne Zögern! Aber auch Sie, Herr Soltau, dürfen in den letzten Augenblicken unsers armen Vaters nicht fehlen.“

„Wie, Edmund Dudley liegt krank?“ fragte bestürzt der Banquier.

„O, säumen Sie nicht, es könnte zu spät werden!“

„Franz, wie ist Dir dieser Name bekannt geworden?“ fragte Henriette.

Er überreichte ihr, statt der Antwort, das Zeitungsblatt.

„Lies, lies, mein herrliches Weib, und Du bedarfst meiner Erklärung nicht. Ich gehe, um unsern Wagen anspannen zu lassen und Ludwig Lambert Aufträge für die Börse zu geben.“

Franz eilte aus dem Zimmer. Henriette las mit bebender Stimme den Zeitungsartikel vor. Sie kannte den Verdacht, der auf ihren Eltern lastete, nicht aber die Lösung des Prozesses.

„Mutter, Mutter,“ rief sie laut schluchzend, „warum hat Dir der Himmel nicht noch einige Jahre geschenkt, daß Du den heutigen Tag erleben konntest! Du bist zwar stets von der Unschuld meines armen Vaters überzeugt gewesen; aber daß er nicht vor der Welt gerechtfertigt war, hat Dich mit tiefem Kummer erfüllt. Aber auch ich habe viel, viel gelitten!“

Eine weitere Erklärung der beiden Schwestern war nicht möglich, da Soltau eintrat. Henriette ergriff Pelz und Hut. Am Arme des Banquiers stiegen beide Frauen die Treppe hinab. Vor der Thür hielt der Wagen.

„Wohin fahren wir?“ fragte Soltau, als die beiden Frauen eingestiegen waren.

Sophie bezeichnete Haus und Straße in der Vorstadt Sanct Georg. Franz gab dem Kutscher Anweisung, stieg ein, und der Wagen rollte davon. Nach einer Viertelstunde hielt er vor demselben Hause, vor dem Ludwig Lambert Sophie gesehen hatte. Man stieg aus, und eine Minute später betraten die drei Personen ein freundliches Zimmer des ersten Stocks. Ein alter Mann empfing sie. Der überraschte Soltau erkannte den Boten, der den unechten Ring im Auftrage Edmund Kolbert’s von ihm abgeholt hatte. Sophie stellte den Greis als den Pastor Lambert vor.

„Leider muß ich mich Ihnen bei einer traurigen Gelegenheit zu erkennen geben,“ sagte bewegt der Greis. „Der Arzt hat den Ausspruch gethan, daß Herr Kolbert nur noch wenige Minuten leben wird.“

In diesem Augenblicke ließ sich ein lautes Weinen vernehmen. Als der Pastor und der Banquier in das angrenzende Schlafzimmer traten, lagen die beiden Schwestern vor dem Bette des todtblassen Kolbert schluchzend auf den Knieen. Der Kranke streckte dem Banquier die Hand entgegen.

„Sie kennen mich?“ fragte er mit matter Stimme.

Und dabei umschwebte ein schmerzliches Lächeln seine bleichen Züge.

Soltau erkannte den Verkäufer der Lebenspolice.

„Mein Herr, wir sahen uns an dem Tage auf der Börse –“

„Wo ich Ihnen meine Lebenspolice verkaufte?“ fragte Edmund. „Und dann auch auf dem Balle, wo Sie den Kapitain Belling kennen lernten. Herr Soltau, Sie haben das Zeitungsblatt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_237.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)