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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

und der Bescheid, den er aus dem Hause oder Kloster brachte, beruhigte stets mit dem Zuwarten von nur einigen Wochen.

Endlich sollte der Schatz wirklich aus den Klosterkellern abgeführt werden, aber auch die Fuhrwagen, die die schweren, gewichtigen Millionen den Betheiligten zuführen sollten, erforderten wiederholte Beiträge, zu deren Realisirung Mantel, Uhren, Ketten und das Letzte, was zu Geld zu machen war, vollends geopfert wurde, ohne daß den Verblendeten die Augen geöffnet worden wären. Der vorgenannte Zimmermann von Roggden erkundigte sich endlich bei dem geistlichen Direktor Erhard in Gottesruh bei Friedberg nach dem Angeklagten und nach dem Stande der Erbschaftssache überhaupt, aber auch die ihm gewordene Versicherung, daß er Huber gar nicht kenne, enttäuschte ihn nicht, und als er auf seinen dem Huber gemachten Vorhalt von diesem den Bescheid erhielt, das liege im Plane „dieser Sache“, war er vom Zweifeln zur alten sanguinischen Hoffnung zurückgekehrt. Doch nicht dieser allein nahm endlich, nachdem er sein Alles geopfert und zum Bettler geworden war, seine letzte Zuflucht zu diesem geistlichen Herrn. Denn das lag immer als beruhigendes Bewußtsein im Hintergrunde der Betrogenen, die geistlichen Herren können keinen Betrug mit den Armen spielen, deren Hort und Zuflucht sie seien!

Es wird vom Präsidenten ein Auszug des Tagebuchs vorgelesen, welche der, indeß im 77. Jahre verstorbene Direktor Erhard bei seiner gerichtlichen Vernehmung in Baiern seiner protokollarisch niedergelegten Erklärung beilegte und dem würtembergischen Gerichte übergeben wurde, und worin in schlichter, frommer Weise erzählt wird, wie Erhard den vielen Getäuschten, welche sich Jahre lang theils schriftlich, theils persönlich Raths bei ihm erholten, und in der Voraussetzung seiner Betheiligung in der Schatzangelegenheit, ihre Bedrängniß und ihre materielle Noth ihm klagten, stets die strikte Erklärung gab, nichts von der Sache zu wissen, wie er den „famosen“ Huber, dessen verdächtigen Gaunernamen er so oft schriftlich und mündlich erfahren mußte, zu entlarven suchte und sie aufforderte, in ihrem Berufe zu arbeiten, und, statt auf einen Betrüger, auf Gott zu vertrauen. Er bemerkt weiter, wie er auf Spaziergängern und allen Wegen von Unbekannten, die ihm nicht einmal den Namen anvertrauten, wegen Huber’s und des Schatzes belästigt und tribulirt worden sei u. s. w. Und das sollte denn auch der Stein werden, der den Betrüger nach 12jähriger ungefährdeter verbrecherischer Laufbahn zu Falle bringen sollte. Auf die, fast möchte ich sagen, zu spät gemachte Anzeige bei dem Gerichte in Augsburg wurde nach dem Verbrecher gefahndet, ohne daß man desselben auf baierischem Boden habhaft werden konnte. Vom Oberamtsgerichte Heidenheim als des Betrugs verdächtig, mit Steckbriefen verfolgt, wurde er in Bopfingen verhaftet und an das Oberamtsgericht abgeliefert. Trotz des bedeutenden, durch Betrug erworbenen Geldes ist auch er ein Bettler, der mit Ausnahme des Wenigen, das er zur Erziehung seiner drei unehelichen Kinder in Baiern verwendete, all’ das Blutgeld so schnell und leicht verlor, wie er es geraubt hatte, und der sich in seiner Verstocktheit kein Gewissen daraus gemacht hatte, meist unbescholtene, schlichte und arme Leute durch die betrügerische Vorspiegelung überreicher Erbschaft zu äußerst unglücklichen Menschen zu machen. – Der Staatsanwalt beantragte: wegen fortgesetzten gewerbsmäßigen Betrugs eine Zuchthausstrafe von zwölf Jahren, und hielt es in Anbetracht des vielen Wehes und des bedeutenden Unglücks, das Huber durch seinen beispiellosen Betrug über rechtliche, harmlose und dazu arme Leute gebracht, für eine gerechte Strafe, das körperliche Wehe der Züchtigung über ihn auszusprechen. Er beantragte daher eine körperliche Züchtigung von 50 in Abtheilungen zu applicirenden Streichen. Der Schwurgerichtshof verurtheilte Huber zu zwölf Jahren Zuchthaus und Tragung sämmtlicher Kosten, welches Urtheil derselbe ohne sichtliche Erschütterung anhörte.

Ein ähnlicher Fall wurde Anfangs dieses Monats vor dem Schwurgerichtshof in Ludwigsburg verhandelt. Der Angeklagte war ein Taglöhner, Namens Christian Karl Jetter, von Hofen, Oberamts Besichheim, 59 Jahre alt, verheirathet, Vater von sieben Kindern und ganz schlecht prädicirt. Er, dessen Gesichtszüge ungemeine Verschmitzheit verrathen, ist Schatzgräber, Geisterbeschwörer und sonstiger Betrüger. Er wurde bereits während seiner Militärzeit wegen Veruntreuung von Menagegeldern und Fälschung des Menagebuchs, ebenso wegen Betrugs und Verleitung eines Andern hierzu, sodann außer dem Militärstande wegen Fälschung einer öffentlichen Urkunde und endlich wegen Diebstahls bestraft. Im Jahre 1853 begann er große Ausgaben zu machen, die mit seinem kleinen und mit Schulden behafteten Anwesen in gar keinem Verhältnisse standen, namentlich war er häufig in den Wirthshäusern zu sehen, wo er dem Trunke ergeben, viel Geld verthat. Dieses Geld erwarb er meist durch Betrügereien mittelst Benutzung des Aberglaubens Anderer; alle seine Verbrechen aufzudecken, war nicht möglich, wie die Anklageakte sagt, weil in solchen Fällen die Betrogenen selbst nicht nur keine Anzeigen machen, sondern sogar auf die Verheimlichung der an ihnen verübten Vergehen hinzuwirken, und auch andere Zeugen in ihren Angaben rückhaltend zu sein pflegen.

Doch gelang es, nachfolgende Vergehen zu erweisen: Im Jahre 1853 kam Jetter nach Eschenau und Windischenbach und brachte daselbst eine Gesellschaft von Leuten zusammen, die er glauben machte, er könne ihnen ungeheuer viel Geld verschaffen durch Hebung eines unter dem Keller auf dem Goldberge bei Windischenbach verborgenen Schatzes, welcher frei werde durch Erlösung des wachehaltenden Geistes vermittelst Gebeten in einem 30 oder 40 Stunden weit entfernten Kloster; dorthin müsse Geld und andere Sachen geschickt werden, damit man die Gebete vornehme; die Gesellschaftsmitglieder sollten diese Gaben spenden. Dem Vereine traten nun mehrere Leute, elf an der Zahl, bei. Jeden Mitglied mußte zuerst je ein Mannshemd und 59 Kreuzer an’s Kloster abgeben. Die Hemden, welche neu, aber von ihren bisherigen Eigenthümern doch schon einmal getragen sein sollten, bekommen, sagte Jetter, die Zöglinge im Kloster. Später wurden wieder neunzehn Gulden zusammengeschossen und dem Jetter zugestellt. Ungefähr in der Mitte August 1853 begab sich derselbe in einer Nacht mit vier Mitgliedern in den bezeichneten Keller, er stellte dort vier große Lichter in einem Vierecke auf, setzte ebenso vier kleine Lichter nieder, zündete diese an und las etwas den Zeugen Unverständliches ab. Hierauf erschien in langem weißen Gewande eine menschliche Gestalt, die Jetter anredete und sie befrug, ob das Geld jetzt zu holen sei; die Gestalt antwortete, es sei noch nicht Zeit, es seien noch 50 Fl. als Opfer in das Kloster zu schicken. Die Gestalt verschwand dann wieder. Die 50 Fl. aber wurden dem Jetter übergeben, um sie in’s Kloster zu tragen. Etwa nach vierzehn Tagen ging’s wieder auf den Goldberg, um den Schatz zu heben: jedes Mitglied war mit einem großen Sacke versehen. Jetter machte wieder allerlei Beschwörungen, der Geist kam aber nicht. Hierauf folgten weitere Versuche, die den Mitgliedern zwar keinen Schatzantheil, wohl aber wiederholte Opfer brachten; unter Andern, gab man auch ein Bett, damit es im Kloster für arme reisende Pilger aufgestellt werde.

Sofort wurde der Goldberg aufgegeben und Versuche in der Nähe des Eichelberges, O.-A. Weinsberg, gemacht. Der Opfer waren wieder viele; denn es wurde auch „Fünf-Wunden-Oel“ verschafft. Jetter erhielt wenigstens 200 Fl.

Ein ander Mal kam der Bauer Bröckel von Bönningheim zum Angeklagten, weil derselbe etwas vom Schatzgraben verstehe. Er sagte ihm, daß in seinem Hause ein Schatz verborgen sei. Jetter ging sogleich auf die Sache ein, zeigte dem Bröckel und einem Nachbar Weber ein Buch mit Bildern und sagte: solche „Dinger“ kommen beim Schatzgraben. Auch gebe es dienstbare und Freiheits-Geister, wovon man die ersteren am Dienstag, die letzteren am Freitag vertreibe; wenn nur einmal der Böse vertrieben sei, so habe es keine Noth. In einer Nacht sodann kam man in der Wohnung Weber’s zusammen. Jetter ließ Bröckel und Weber niederknien, besprengte sie mit angeblichem Weihwasser und sprach in fremder Sprache einen Segen über sie. Nachts halb zwölf Uhr zog er dann mit Beiden auf einen Kreuzweg, stellte sie dort auf, lief in Kreisen um sie herum und sprach Unverständliches, bis er zuletzt den Satan rief: er solle erscheinen! Da kam auf der Straße daher eine männliche Gestalt. Jetter rief auf hundert Schritte ihm zu: sie solle halten! Sie blieb stehen.

„Wie groß ist der Schatz?“ ruft er.

Die Gestalt antwortete:

„Sieben Millionen, und sie – die Beschwörenden – würden von ihm böse heimgeschickt werden, wenn sie nicht das sechste und siebente Buch Mosis hätten; weil aber Jetter dieses Buch besitze, so könne er den Schatz heben;“ Jetter befahl sofort dem Satan, abzutreten; die Gestalt drehte sich um, und es sei nun – sagen die Zeugen – gerade gewesen, wie wenn sie aus Zorn Feuer

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