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es Schillern durch von Hofen’s Mitwirkung manchmal gelang, seine literarischen Erzeugnisse als medicinische Arbeiten aus dem Saale zu schmuggeln, welche Gelegenheit von Schiller fleißig benutzt wurde, um an dem Drama zu arbeiten, das alle seine Gedanken in Anspruch nahm. Er theilte hierbei seine Entwürfe den Zimmergenossen, namentlich Heideloff, an den er sich enger angeschlossen hatte, mit und holte deren Ansichten und Rathschläge ein. Allein solche ästhetische Konferenzen hatten bei der strengen Ueberwachtung immer etwas Dürftiges und Gefährliches, weshalb die Freunde beschlossen, die Gelegenheit des nächsten Spazierganges zu benutzen, um sich in freier Natur an ruhigem Orte das neue Trauerspiel zum Genuß und zur Kritik vordeklamiren zu lassen, wie Schiller gern zu thun pflegte. Der erste Spaziergang der Reconvalescenten ging in Begleitung des Hauptmanns und der andern Zöglinge am frühen Morgen eines schönen Sonntags des Mai 1778 über die Weinsteige in das Bopserwäldchen (bei Stuttgart). Hier sonderten sich die Freunde der getroffenen Verabredung gemäß und mit Konnivenz des Hauptmanns, von den Uebrigen ab und gingen tiefer in den Wald hinein. Dort lagerten sie sich, ihren Schiller umkreisend, der seine Stellung an einem der stärksten Fichtenstämme auf dessen emporragenden Wurzeln genommen hatte; neben ihn, an demselben Baume postirte sich Schlotterbeck als nächster Zuhörer; auf dem Stamm eines gefällten Baumes daneben saß von Hofen, rechts auf dem Rasen Kapf, etwas zurück stand Heideloff und entfernter neben letzterem Dannecker. Nach Heidloff’s, von Hofen’s und Schlotterbeck’s Erzählung war Schiller’s Stimmung während des Vortrags eine sehr heitere; die auf einen Augenblick errungene Freiheit in der Einsamkeit des malerisch gelegenen Waldes, der einen Durchblick auf die Stiftskirche von Stuttgart gewährte, übte, nebst dem ungestörten Zusammensein mit seinen Freunden, einen sichtbar behaglichen Eindruck auf Schiller aus. Seine Deklamation war anfänglich eine ruhige. Als der aber zur Stelle der fünften Scene im vierten Akte gelangte, wo Karl Moor seinen todtgeglaubten Vater, der aus dem Thurme steigt, erkennt, und mit Entsetzen anredet, steigerte sich Schiller in dem Grade, daß seine Freunde, die bisher in gespannter Aufmerksamkeit ihm Auge und Ohr zugewendet hatten, duch den Ausbruch seines Affektes in Bestürzung geriethen, aber bald von dem überwältigenden Eindruck jener Scene hingerissen, in fast endlosen Beifallssturm übergingen. Diesen Moment der Begeisterung und Ekstase Schiller’s skizzirte Viktor Heideloff nach der Natur in sein Skizzenbuch, und der Sohn Heideloff’s hat diese Skizze nach 78 Jahren als ein Denkmal Schiller’s und des eigenen Vaters in dem bei dem 129sten Geburtsfeste des Herzogs Karl vorgestellten, der letzten Vollendung noch harrenden Gemälde ausgeführt.




Barnum’s Meisterstück. Barnum hat schon viele Wunder verrichtet, aber das größte von allen ist noch in Aussicht. Es besteht in nichts Geringerem, als in einer Fahrt der Niagarafall hinunter in einem eigens dazu vorgerichteten Fahrzeug. Dies Fahrzeug ist eine dreißig Fuß im Durchschnitt messende Kugel von Gutta Percha, welche innerlich durch starke Ringe von Stahl und Holz gestützt ist. Von vier Punkten dieser Ringe laufen massive Stränge von Gutta Percha aus, welche im Mittelpunkt an einen Panzer aus demselben Stoff befestigt sind. Dieser Panzer ist so beschaffen, daß sich ein Mensch in denselben festschnallen kann, so daß er, von den vier Strängen gehalten, gesichert in der Mitte der Kugel schwebt. An einer Seite, wohin das Fußende des Panzers sich richtet, ist die Kugel mit Blei beschwert, so daß sie, auf dem Wasser schwimmend, die Kopfseite nach oben kehrt. An dieser oberen Seite ist eine Oeffnung, welche die in der Kugel befindliche Person beliebig schließen und öffnen kann.

Die Kugel ist so stark, daß sie den Sturz der Fälle ohne Gefahr aushalten kann. Auch ist sie durch ihr Volumen ebenso vor dem Untersinken gesichert, wie die in den Panzer eingeschnallte Person vor der Erschütterung beim Falle. Sobald nach dem Fall die Kugel ihren Schwerpunkt gefunden, schnallt sich ihr Bewohner los, öffnet die Klappe und steigt mit der amerikanischen Fahne aus der Oeffnung heraus unter dem donnernden Applaus der 50–100,000 Zuschauer, die Barnum bei der ersten Produktion gegen einen Dollar Entree auf der nahe gelegenen Insel und dem kanadischen Ufer zu versammeln gedenkt.

Bei jeder Fahrt ist auf eine Netto-Einnahme von 20–30,000 Doll. zu rechnen, da aus allen Theilen der Union die Zuschauer nach den Niagarafällen strömen werden.

Barnum gedenkt, den ersten Versuch nächstens mit einem Hunde zu machen, der in den Panzer geschnallt wird. Kommt er unbeschädigt unten an, so wird für den nächsten Versuch ein Neger oder Irländer engagirt. Befindet auch dieser sich wohl, so übernimmt ein Yankee die erste, feierliche Fahrt.




Ein Schlangenbeschwörer. E. Linck erzählt in seinem kürzlich erschienenen Buche: „Die Schlangen Deutschlands“ folgenden Fall. Der rühmlich bekannte Naturforscher Lenz in Schnepfenthal machte sich an einem Sommertage des Jahres 1830 mit einigen jungen Freunden auf, um Schlangen zu suchen. Auf der Schwelle seines Hauses trat ein etwa vierzigjähriger Mann zu ihm, der sich ihm als Begleiter anbot: er sei der Schlangenbeschwörer Hörselmann. Der Name war dem Naturforscher bekannt, er hatte schon die mannigfachsten Dinge von ihm gehört. Hörselmann war wegen Betrugs und Meineids im Zuchthause gesessen und ernährte sich nun damit, daß er auf Jahrmärkten in den Wirthshäusern herumzog, die Taschen voll Ringelnattern und Blindschleichen, die er für giftige ausländische Schlangen ausgab, die zu zähmen seiner Kunst gelungen sei. Lenz ließ sich die Begleitung des Abenteurers auf der beabsichtigten Schlangenjagd gefallen. Dieser erzählte, er verdanke seine Kunst der Schlangenzähmung theils eigener Forschung, theils der Unterweisung eines italienischen Arztes, theils einem kostbaren, überaus seltenen Buche, in dessen Besitz er sei. Die Schlangenjagd blieb ohne Erfolg. Lenz kehrte nach Hause zurück. Hörselmann begleitete ihn dahin und wünschte die Schlangen zu sehen, die der Naturforscher in wohlverschlossenen Kisten aufbewahrte. Beim Anblick der Gefangenen ging dem Beschwörer Herz und Mund erst recht auf. Er that als habe er alte Bekannte vor sich, sprach auf das vertraulichste mit ihnen und rühmte sich seiner Macht mit ihnen. Endlich ließ er sich eine der Kisten öffnen. In dieser lagerten fünf Schlangen. Er faßte eine derselben, eine Kreuzotter, um die Mitte des Leibes und hob sie aus der Kiste. Die Schlange blieb theilnamlos und begnügte sich, das Schwanzende um den Arm des Verwegenen zu legen. Als er aber fortfuhr, mit ihr zu sprechen und traulich mit ihr zu thun, da begannen ihre Augen zu glühen und ihre Zunge zeigte sich in heftiger Bewegung. Erschrocken rief Lenz dem Beschwörer zu, das gefährliche Thier von sich zu werfen, aber dieser hatte in seiner Selbsttäuschung, in seinem Fanatismus den höchsten Gipfel erreicht, murmelte eine unsinnige Zauberformel und steckte plötzlich Kopf und Hals der Schlange in seinen Mund. Das entsetzliche Schauspiel dauerte nur einen Augenblick. Der Gaukler riß plötzlich die Schlange wieder heraus, sein Gesicht röthete sich, seine Augen glichen denen eines Rasenden, er spie wiederholt Blut aus und brach endlich, von Todesschauern erfaßt, in das Bekenntniß aus, daß seine Wissenschaft ihn betrogen habe. Die Schlange hatte den Unglücklichen weit hinten in die Zunge gebissen. Alle Hülfe war vergebens, nach einer Stunde war er eine Leiche. Von dem angeblichen Buche wurde in Hörselmann’s Nachlaß keine Spur vorgefunden.


Allgemeiner Briefkasten.
Eingesandte Gedichte.

L. P. in W. Wenn es nicht zugleich andere Bestimmung hätte! – Joh. F. in R. Trotz einzelner großen Schönheiten geht der Romanze die Verständlichkeit des Zusammenhanges ab, wie sie ein größeres Publikum verlangt. Weitere Produkte Ihrer sangvollen Muse, wenn sie jenem Mangel ausweichen, wären willkommen. – W. H. in B. Die guterfundene Aufschrift läßt viel erwarten. Leider daß das Sujet ein wenig trivial, der Held ein Narr und die Heldin gar zu bös ist. – Dr. W. in Mor. Respekt! Vielleicht bringen wir später eins der erzählenden unter den Gedichten. – Ad. Mlhn. in L. Wäre auch Ihr Name genannter: Ihre Gedichte blieben darum – von gleichem Werth. „Mehr Inhalt, weniger Form!“ Talent zu letzterer ist unverkennbar. – Fritz K. in G. Ihre Versuche sind ansprechend, doch nicht für größere Oeffentlichkeit. Ihre Muse zeigt sich empfindsam, aber etwas spießbürgerlich, bei allem Gemüth, aller reellen Gesinnung. – E. R. in B. Auch Sie zeigen in Ihren Versen mehr Charakter als Phantasie; man dichtet aber vielmehr mit dieser als mit jenem. – J. E. in H. Lyrik ohne Laune mundet heut wenig mehr; darum entsprächen Ihre Sänge auch unserm „Geschmack“, genügten sie doch nicht den Anforderungen unsers Publikums. – F. in Schl. „Luther in Worms“ hat keinen recht wirkungsvollen Ausgang, sonst könnte es schon zusagen; das Andere ist nicht neu in der Idee. – „Berichte über amerikanische Verhältnisse“, wenn Sie der Sache irgend neue Seiten abgewinnen, dürften erwünscht sein. – Al. M. in M. I. u. II. haben dürftigen Sinn und mangelhafte Diction. In der breit großen „Ballade“ steckt offenbar nichts als der verballhornte Tannhäuser! – F. B. poste rest. Wiesb. Stumpfer Weltschmerz, mattbeschwingte Andacht. – Chiffre B. L. Poststempel Carlsruhe. „Man bitte um einige Worte Kritik“ –  ? Die bei der Prüfung an den Rand gesetzten Ausrufzeichen erdrücken Ihr Manuscript. „Arm - Marie“ ist ein trauriger Abklatsch von Bürger’s hochtragischer Lenore. Hören Sie sich selber:

An den vollen schönen Busen
Drücket Wilhelm seine Stirn’,
Dabei mit dem kleinen Fingern
Kitzelt ihn die lose Dirn’! (Oho!)

Oder:

Guter Gott, ich bete selten (sic!
Drum erhöre mein Gebet (darum!)
Träufle Segen auf das Fleckchen (sehr gut!)
Wo das Alpenröschen steht. –

Auguste P. in H.. Wie alt sind Sie, m. Fr., wenn es nicht unbescheiden ist, zu fragen. Gewiß noch recht jung?Liv. F. hier. Brav! Fahren Sie fort so! Wir gedenken Ihre „Wahlstatt“ zu benutzen. – K. Ch. in S. Ihre kecke Mahnung hat uns nicht mißfallen, ertheilen Ihnen nur auf’s Neue die Antwort aus Nr. 15 v. Jahrg. Diesmal dürfte sie sich – respective – bewahrheiten. – Ferd. B. in Fr. Vielen könnte geholfen werden, wär’ es Einem möglich, Allen zu dienen. Ihre satyrischen Sächelchen sind zu weiterer Prüfung zurückgelegt, vielleicht daß eins davon zu gebrauchen ist. – E. W. M. in O. bei S. Sie werden direkte Antwort empfangen haben?


Aus der Fremde“ Nr. 8 enthält:

Ein toller Wolf. – Frau Ida Pfeifer auf der Insel Celebes. – Südamerikanische Reisebilder. (Zweiter Artikel). – Aus allen Reichen: Krieg zwischen England und den Vereinigten Staaten. – Weiteres über die Osseten, die Deutschen im Kaukasus. – Ein Quäker unter den Indianern.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_112.jpg&oldid=- (Version vom 6.2.2020)