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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Kanal soll für 100,000 Pfund mit dem nächsten schiffbaren Arme des Nil in Verbindung kommen. Suez wird die jenseitige, Konstantinopel die diesseitige Verbindung durch feste, unabhängige Behörden controliren.

Die ganze Gegend ist Hunderte von Meilen weit todt und wüst, felsen- und sandbrennend, doch ungemein fruchtbar an stummen Zeugen alten Kulturlebens. Sie war die Hauptstraße auf welcher die wahrscheinlich älteste menschliche Bildung von Egypten nach Asien und nach Griechenland auswanderte und zu weiterer Ausarbeitung überfloß.

Suez, das alte Berenice, ist jetzt die traurigste, seltsamste Stadt an einem Arme des rothen Meeres, ohne Wasser und ohne Spur von grüner Vegetation ringsum, ohne die nothwendigsten Lebensmittel, mit Ausnahme von Fischen. Manchmal wimmelt sie von Einwohnern, d. h. Karavanen-Reisenden, manchmal schleichen sich nur einzelne trübe Gestalten spärlich durch die Straßen.

Diese wenigen Einwohner wissen nichts von einem Garten, von einer Pflanze, einem Baume. In’s Unabsehbare ringsum nur Fels mit Sand bedeckt, heiß, hungrig, todt und tödtlich. Die vertrockneten Reste von Einwohnern leben nur von den Hülfsleistungem die sie den Karavanen gewähren, Karavanen, welche Lebensmittel von Kairo bringen und dafür Waaren eintauschen, welche einige kleine Fahrzeuge von Jidda über’s rothe Meer heranbringen. Für große Fahrzeuge wird erst der Weg gebahnt, ein Weg, auf dem sich Asien und Europa begegnen, ein Weg, an welchem die Kinder Israel schlafen, um jetzt die langen Wolken der Dampfschiffe über sich hinziehen zu lassen.




Gegen populär-medicinischen Buch-Charlatanismus.

Populär-medicinische Schriftchen haben in den allermeisten Fällen den Zweck, daß industrielle Heilkünstler sich selbst, ihre Kurmethode oder irgend ein Geheimmittel anzupreisen und leichtgläubigen Kranken, zumal wenn diese ihre Krankheit geheim halten wollen, dadurch Geld aus der Tasche zu escamotiren suchen, indem sie erst am Ende des Schriftchens erklären, es könne nur gegen Einsendung eines bestimmten Honorares der echte gute Rath oder das sichere Heilmittel gegeben werden. In vielen Fällen ist aber auch der Name des Verfassers ein rein erdichteter oder ein ertaufter und das Schriftchen ist nur eine gemeine Buchhändlerspeculation, um mit nichtsnutzigen Geheimmitteln Geld zu machen. Zur Anreizung der Kauflust erhält die Schrift, welcher gewöhnlich noch Zeugnisse, Danksagungen und Briefe angeblich Geheilter beigegeben sind, einen lockenden Titel (wie: „Die Lungenschwindsucht heilbar“; – „keine Hämorrhoiden mehr“; – „sicheres Mittel gegen Epilepsie“ u. s. w.) und wird in einer Menge von Journalen und Zeitschriften unter großen Lobpreisungen annoncirt; auch erlebt sie gewöhnlich schon nach kurzer Zeit mehrere neue Auflagen, wenigstens thut der Verleger so.

Schon aus dem Titel solcher Schriften, noch mehr aber aus den empfohlenen einseitigen Heilmethoden und Geheimmitteln kann Derjenige Argwohn gegen die Ehrlichkeit und Kenntnisse der Verfasser solcher Schriften schöpfen, welcher sich von reellen Männern der Wissenschaft sagen läßt, daß zuvörderst nur nach sehr genauer Untersuchung eines Patienten, niemals aber aus der Ferne, das Leiden desselben entdeckt und behandelt werden kann; daß ferner die meisten der auf dem Titel populär-medicinischer Schriften angegebenen Krankheitszustände (wie Hämorrhoiden, Verstopfung, Blindheit und Taubheit, Wassersucht, Krämpfe und Nervenleiden etc.) gar keine Krankheiten, sondern nur Krankheitserscheinungen sind, welche einer großen Anzahl und noch dazu sehr verschiedenartigen, oft sogar entgegengesetzten und ganz verschiedener Heilmittel benöthigten Krankheiten zukommen können; daß sodann noch kein einziges der in solchen Schriften empfohlenen Mittel der Wissenschaft unbekannt und als wirklich heilsam erfunden worden ist. Es sollte doch eigentlich jedem Verständigen von selbst einfallen, daß wirklich zum Wohle der leidenden Menschheit dienende Entdeckungen niemals von ehrenwerthen Menschen verheimlicht und ausgebeutet, sondern sofort veröffentlicht werden, und daß die briefliche Behandlung eines Kranken, den der Arzt nicht ganz genau untersucht hat, eine ganz unsichere sein muß, ja eigentlich ein Verbrechen von Seiten des Arztes genannt werden kann, weil dabei sehr leicht durch falsches Handeln großer Schaden an der Gesundheit anzurichten ist. Am meisten sind die sogen. verschämten Kranken vor einer solchen Behandlung par distance zu warnen, weil durch dieses Behandeln in’s Blaue hinein fürchterliches Unheil entstehen kann. – Lassen wir jetzt eine Anzahl solcher populär-medicinischer Schriften, deren Zweck weniger Belehrung als Geldmacherei ist, die Revue passiren.

Auf die verschämten Kranken haben es vorzugsweise folgende Schriften abgesehen: 1) Der persönliche Schutz, nach La Mert, 16. Auflage, bei Laurentius in Leipzig; empfiehlt nach Einsendung von 3 Thlr. unter andern Geheimmitteln auch eine nichtsnutzige, angeblich kräftigende Tinktur im Preise von 70 Gulden (s. Gartenlaube 1855. Nr. 47). – 2) Rettung vor Gefahr und Schande, von einem alten Arzte (Leipzig 1850, versiegelt, mit mehreren erbärmlichen Abbildungen), hat angeblich die Absicht an die Stelle des „persönlichen Schutzes“ zu treten, „dessen Uebersetzung dem Buchhandel wie der medicinischen Kunst zur gleich großen Schande gereicht“, fordert aber trotz dem die Leser auf, sich unter Einsendung von 2 Thlr. (also um 1 Thlr. billiger als beim persönlichen Schutze) an Hrn. Dr. S. pr. Adr. Gustav Arndt in Leipzig zu wenden. – 3) Curtis Buch. Die Quintessenz davon ist, daß man sich unter Einsendung von 7 Thlr. an den Verfasser wenden soll. – 4) Aerztlicher Rathgeber bei gewissen Krankheiten, von Dr. Albert in Paris (Aachen im versiegelten Umschlag); empfiehlt eine Schachtel armenischer Erde und eine Flasche sogen. Sarsaparillenweines. Jedes dieser Mittel kostet einen Speciesthaler. – 5) Albrecht’s Hülfsbuch u. s. w. 6. Aufl. Quedlinburg u. Leipzig, 1850. Ein mit schädlichen Recepten versehener Rathgeber, in welchem am Schlusse der Herausgeber (Amtschirurg Fr. Stahmann zu Nienburg) „von der Verlagshandlung aufgefordert“ anzeigt, daß er schamhaften Kranken auf portofreie Anfragen und gegen billige Vergütung schriftlichen Rath ertheilen wolle. – 6) Dr. Rosenberg’s Androgynik 6. Aufl. (in das Französische und Ungarische übersetzt) und Dr. Sommerville’s Mannheit, angeblich in London gedruckt und in Rosenbergs Selbstverlag, aber bei Hrn. Otto Spamer in Leipzig zu bestellen und von Hrn. Moritz Alex. Schmidt im Spamer’schen Geschäfte gegen baar zu beziehen. Diese verwerflichen Schriften empfehlen mehrere Geheimmittel, von denen ein jedes 1 Louisd’or kostet, nämliche Schutzmittel, Regeneratifs und antisyphilit. Tabletten. – 7) Crusius’s Noth- und Hülfsbüchlein, mit Empfehlung china- und eisenhaltiger Pillen, die Schachtel 1 Louisd’or. – 8) Die Stärkung durch bewährte Mittel, ein verklebtes, bei Naumburg in Leipzig erschienenes Schriftchen. Die bewährten Mittel sind rein diätetische, nämlich nahrhaftes Essen und Trinken. – 9) Dr. Jonathan Braun über Unvermögen etc., neu aufgelegt von Dr. Veit Meyer, einem homöopath. Arzte in Leipzig. In der Vorrede dieser Schrift, welche ein und dasselbe Uebel ebenso allopathisch wie homöopathisch kuriren lehrt, bemerkt Hr. Dr. Veit Meyer, daß er „eine große Anzahl von Patienten, die sich brieflich an ihn gewendet hätten, in kurzer Zeit geheilt habe. Gern werde er auch fernerhin bereit sein, den Kranken, welche noch seinen besondern ärztlichen Rath beanspruchen, denselben zu ertheilen.“

Im Otto Spamerschen Verlage zu Leipzig erschienen, abgesehen von dem Vertriebe der oben erwähnten Rosenberg’schen und Sommerville’schen Schrift, folgende: 1) L. Raudnitz „die Heilung der Brust- und Lungenübel“. Eine Empfehlung der Heilkräfte der Lieber’schen Gesundheitskräuter (d. h. herbae galeopsidis grandiflorae), von welchen das Pfund, welches nur einige Groschen werth ist, für 21/2 Thlr. verkauft wird. – 3) Dr. Jul. Lobethal in Breslau „Beweis, daß die Lungenschwindsucht heilbar ist“; nämlich durch die Essentia antiphthisica, von welcher die Flasche 3 Thlr. 5 Ngr. kostet. – 3) Ueber Dr. Hilton’s Nervenpillen, vom Sanitätsrathe Dr. Cernow; 10. Auflage, – 4) Dr. Feldberg: „die Taubheit

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_107.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)