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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Ein saurer Geschmack des Brotes ist im Gegentheil das sicherste Zeichen der zu weit getriebenen Gährung.

Vor einiger Zeit machte der Vorschlag des berühmten Freiherrn von Liebig: zum Brotteige Kalkwasser zu setzen, um die bei der Gährung entstehende Säure zu neutralisiren, in fast allen Blättern und Zeitschriften die Runde, und wurde mit wenigen Ausnahmen empfohlen. Allein dieser Vorschlag ist nicht nur unpraktisch, sondern ganz überflüssig. Unpraktisch ist er, weil die Bereitung so großer Mengen von klarem Kalkwasser für den Bäcker sowohl, wie für den Privatmann, so einfach sie erscheint, doch oft zu umständlich ist, und weil durch das Kalkwasser doch mitunter fremdartige schädliche Stoffe in das Brot gelangen könnten (es müßte denn ein „reiner Kalk mit besonderer Vorsicht und Reinlichkeit für die Bäcker gebrannt werden); denn jeden in den Handel kommenden Kalk kann man hierzu nicht gut empfehlen. Ueberflüssig ist der Liebig'sche Vorschlag, weil es ein sicheres Mittel giebt, um die Gährung des Teiges so zu mäßigen, daß keine oder nur Spuren von Säuren durch diese gebildet werden.

Das einfache Mittel, um eine zu lebhaft eintretende Gährung und in Folge dieser die zu große Zerstörung und Veränderung der Nahrungsstoffe zu verhüten, ist das gewöhnliche Salz.

Das Kochsalz dient nicht allein als Würze zum Brote. Wird es dem Teige in der richtigen Menge und auf die richtige Weise zugesetzt, so ist es der trefflichste Regulator der Gährung. Bis dahin hat man diesen Umstand völlig übersehen. In vielen Gegenden wird das Brot gar nicht gesalzen und schmeckt es dann schlecht, so schiebt man die Schuld auf das Mehl; oder man nimmt so wenig Salz, daß dasselbe die Gährung nicht zu hemmen vermag; oder - das geschieht gewöhnlich - man setzt das Salz erst nach der Gährung, beim Kneten des Teiges zu. Soll das Salz die zu heftige Gährung mäßigen, damit dem Brote mehr nährende Theile erhalten bleiben, so muß es dem Mehle schon Abends, zugleich mit dem Sauerteige in richtiger Menge beigemischt werden. Schon seit längerer Zeit habe ich die verschiedensten Versuche angestellt, um das günstigste Verhältniß zu ermitteln, und ich bin jetzt im Stande, ein Roggenbrot von ganz vorzüglicher Güte, leichter Verdaulichkeit und möglichst großer Nahrhaftigkeit so vorzubereiten, daß es nur vom Bäcker gebacken zu werden braucht. Dieses Brot wird bei genauer Befolgung der Vorschrift, die ich nun mittheilen werde, immer von gleicher Beschaffenheit erhalten; es läßt sich eben so gut und sicher im Kleinen aus wenigen Pfunden, wie im Großen aus Sheffeln von Mehl bereiten; es besitzt einen lieblichen Brotgeruch, keinen sauren, sondern einen erfrischend etwas salzigen Geschmack, der den an saures Brot Gewöhnten anfangs etwas auffällt, an den sich aber Gaumen und Magen bald sehr gern gewöhnen; es läßt sich leicht brechen und krümeln und hält sich 2-3 Wochen je nah der Größe der Brote so frisch, daß es von neu gebackenem Brote kaum zu unterscheiden ist. Dasselbe Mehl, welches mit Hülfe von Salz ein so vorzügliches Brot liefert, giebt ohne Salz gebacken ein zähes. geschmackloses, schnell altbacken werdendes Brot, welches sich nicht brechen läßt, sondern förmlich zerrissen werden muß. Das mit Salz gebackene Brot ist sehr feinporig und entspricht allen an „gutes Brot“ zu stellenden Anforderungen. Die zu seiner Bereitung ermittelte Vorschrift ist folgende:

Von je 55 Pfund (½ Scheffel) Roggenmehl wird des Abends ziemlich genau der dritte Theil, also 181/3 Pfund in dem Backtroge mit 1 Pfund und 20 Loth Sauerteig, 1 Pfund Salz und 10 Kannen (circa 20-22 Pfund) Wasser von 28-30° des 80theiligen Thermometers von Reaumür (oder 35-38° des 100theiligen Thermometers von Celsius) so vermischt, daß man den Sauerteig und das Salz in die Mitte des in dem Troge befindlichen Mehles legt und nun die 10 Kannen des warmen Wassers allmälig unter Umrühren zusetzt. Es entsteht ein dünner Teig, den man mit etwas Mehl bestreut und nun in dem bedeckten Troge wie gewöhnlich an einem warmen Orte bis zum frühen Morgen stehen läßt. Des Morgens ist der Teig ftark aufgegangen und bedeutend zäher, indem das zugesetzte Wasser gleichsam in cemische Verbindung mit den Mehlbestandtheilen getreten ist. Man macht nun in die Mitte des Teiges eine Vertiefung, bringt in diese noch ein Pfund Salz, setzt hierauf 4 Kannen (8-9 Pfund) Wasser von 60° Reaumür (75° Celsius) unter Umrühren hinzu und knetet in die dünne Masse allmälig das übrige, also die 362/3 Pfund Mehl (das Mehl muß auch in einem erwärmten Raume gestanden haben) ein. Nach zweistündigem Stehen des gut durchkneteten Teiges formt man denselben zu den Broten, schiebt diese in den geheizten Backofen, welcher eine Temperatur von 160-200° R. (200-250° C.) haben muß, ein und läßt sie darin, bis sie eine schöne dunkelbraune Rinde bekommen. Aus den 55 Pfund Mehl erhält man auf diese Weise 70-72 Pfund Brot. Im Ganzen ist das Verhältniß:

110 Gewichtstheile Mehl,
56-60 Wasser,
4 Salz,
3 Sauerteig,

Die eine Hälfte des Salzes wird stets Abends mit dem Sauerteig, die andere Hälfte erst früh zugesetzt. Dieses Verhältniß bleibt für größere oder kleinere Quantitäten von Mehl ganz dasselbe. So nimmt man z. B. von einer Metze (6 Pfund 28 Loth) Mehl Abends zum Einsäuern 2 Pfund und 9 Loth, versetzt diese mit 4 Loth Salz, 6½ Loth Sauerteig und 1¼ Kanne (2¾ Pfd.) Wasser von 28° R., läßt bis zum Morgen gähren, setzt wieder 4 Loth Salz und noch ½ Kanne (ein reichliches Pfund) Wasser von 60° R. zu, knetet die übrigen 4 Pfund 19 Loth Mehl hinein, bäckt nach 2 Stunden und erhält 85/8-83/4 Pfund Brot. -

Das auf diese Weise bereitete Brot besitzt entschiedene Vortheile. Es enthält in 100 Theilen nur 40 Theile Wasser, läßt sich in Wasser schnell und leicht zertheilen, löst sich in demselben zum Theil auf, und bildet eine angenehm weinig schmeckende Flüssigkeit. Das ohne Salz gebackene Brot enthält in 100 Theilen 42-45 und mehr Theile Wasser, ballt sich, obgleich es poröser erscheint, erst zusammen, wenn man es in Wasser legt, und zertheilt sich nur schwierig, enthält weniger in Wasser lösliche Theile und giebt eine säuerlich fade schmeckende Flüssigkeit.

Was die Aufbewahrung des Brotes betrifft, so sind dumpfige feuchte Keller hierzu nicht geeignet, da in solchen das Brot verdirbt und schimmlig wird. Am besten sind kühle luftige Orte, wobei man das Brot nicht auf die flache, sondern auf die bauchige Seite legt, damit es an möglichst vielen Stellen mit der Luft in Berührung kommt. Die Ansicht, daß das Brot durch Wasser oder Feuhtigkeitsverlust trocken werde, und daß man es deshalb an feuchten Orten aufbewahren müsse, ist ganz unrichtig. Das Brot enthält nach zweiwöchentlichem Liegen an luftigen Orten noch fast genau so viel Wasser, wie im frischen Zustande; denn es giebt sein Wasser schwer und erst bei höherer Wärme ab, und auch die äußere feste Kruste wirkt hier als schützende Decke. Das Altbackenwerden des Brotes beruht auf einer geringen Veränderung seiner Bestandtheile, wahrscheinlih auf dem Uebergange derselben in einen dichteren Zustand; doch geht diese Veränderung beim Weißbrot viel schneller als beim Schwarzbrot von Statten, kann aber durch eine genügende Menge von Salz sehr verzögert werden.

Um bei in Angriff genommenem Brote das Trocken- und Hartwerden der Schnittfläche zu verhindern, sind gut schließende Kapseln von Weißblech, sogenannte „Brotbüchsen“ sehr zu empfehlen. Dieselben können von jedem Klempner in jeder beliebigen Form und Größe verfertigt werden, und gewähren den Vortheil, daß sie das Brot auch vor dem besonders in Zimmern sich setzenden Staube und anderen Unreinigkeiten schützen. Die Brotkapseln müssen aber von Zeit zu Zeit sorgfältig ausgewischt und gereinigt werden, sonst überzieht sich ihre innere Wandung mit Schimmelpflanzen; auch darf das Brot nicht mehrere Tage in denselben liegen bleiben, ohne daß die Kapsel geöffnet wird, da es sonst in einen dumpfigen moderigen Zustand übergeht.

Schließlich noh einige Bemerkungen über Verfälschung des Brotes: Bei einem so allgemein wichtigen Nahrungsniittel, wie das Brot namentlich auch für die ärmeren Klassen der Bevölkerung ist, sollte es sich Jeder, der die Materialien dazu liefert oder sich mit dessen Bereitung beschäftigt, zur ersten Pflcht machen, jeder Verfälschung zu entsagen, um dadurch namentlich seine ärmeren Mitmenschen nicht durch schändlihen Betrug um einen Theil der Nahrung oder selbst um die Gesundheit zu bringen. Menschen, welche im Stande sind, solche unentbehrlihe Nahrungsmittel mit Absicht zu verfälschen, um sich schnell zu bereichern, gehören jedenfalls zu den erbärmlichsten Geschöpfen, welche der Erdboden trägt. Trotzdem mögen theils in der Mühle, theils beim Bäcker oftmals die verschiedenartigsten Verfälschungen und Vermischungen vorgenommen werden. Namentlich werden die feineren, theurern Mehlsorten mit weniger werthvollen vermischt und als „bestes Mehl“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_065.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2021)