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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Ihre Uniformirung bestand in einem langen grauen Mantel, der bis an die Knöchel ging, und einem plumpen Lederhelm mit gelber Spitze und dem russischen Doppeladler vorne als Schild. Alles Lederzeug war sehr gut, die übrige Bekleidung und Ausrüstung aber schlecht gemacht. Die gefangenen Russen schienen gar nicht mißvergnügt über ihr Schicksal zu sein, und besonders, als ihnen Weißbrot und Branntwein in ziemlich beträchtlicher Menge gereicht wurde, zogen sie ihre breiten Gesichter in sehr vergnügliche Mienen und wollten Allen die Hände küssen, was den Zuaven viel Spaß machte.

Unter den Gefangenen war auch ein russischer Kapitain vom Generalstabe, ein sehr hübscher, stattlicher junger Mann, der sich mit der größten Tapferkeit vertheidigt und sich erst dann zum Gefangenen ergeben haben sollte, als ihm ein sehr gewandter Zuave mit seinem Gewehr den Degen aus der Hand geschlagen. Dieser russische Kapitain, der eine ersichtlich niedergedrückte Stimmung hatte, sprach so gut französisch, wie ein geborner Pariser, und zeigte sich überhaupt als ein Mann von vieler Bildung und Erziehung, Wir Offiziere waren ungemein artig gegen ihn, und der General Bosquet lud ihn sogleich ein, sein Diner in seiner Lagerhütte einzunehmen. Ueberhaupt wurden alle Gefangene von uns Offizieren wie auch von unseren Soldaten auf das Beste behandelt, und ich glaube kaum, daß jemals nur irgend ein unwürdiges Betragen gegen dieselben vorgekommen ist. Nur die afrikanischen Tirailleure, die wir bei uns haben, sollen hie und da eine Ausnahme machen, und ihre wilde, bestialische Natur auch hier nicht verleugnen, können aber der strengsten Strafe ganz sicher sein, wenn sie bei irgend einer Rohheit oder Grausamkeit gegen Gefangene ertappt werden.

Einige Tage später, als dies Gefecht der Zuaven, dem ich als Zuschauer beiwohnte, war das bekannte Reitergefecht, welches die Engländer bei Balaklava gegen die Russen hatten. Bei Gott, wie haute die englische Reiterei dabei drein, es war nicht möglich, sich muthiger zu schlagen, wie diese braven Leute es hier thaten. Die ganze Anordnung des Gefechtes war eine völlig unüberlegte, und Hunderte von braven Kavalleristen wurden nutzlos dem Tode geopfert, aber der Muth und die Kraft der Einzelnen konnte gar nicht größer sein, wie sie sich hier bei dieser Gelegenheit in so recht glänzendem Lichte zeigte. Es sah wirklich von dem Standpunkte aus, von wo wir, die wir die Eskorte des Generals Raglan bildeten, dem Gefechte zuschauten, als ob das kleine Häuflein der englischen Reiterei, was sich in vollem Galopp mitten in die große dunkle Masse der russischen Kavallerie hineinstürzte, völlig von derselben verschlungen würde. Mit meinem Handfernglas konnte ich das Ganze sehr deutlich erkennen, und gewiß an fünf Russen kamen stets auf einen Engländer, so groß war die Uebermacht der Ersteren. Wir glaubten sicher, auch kein Mann der englischen Brigade würde davon kommen, aber siehe da, schon nach einigen Minuten hatte sich dieselbe durch die sich ihr entgegenstellenden feindlichen Regimenter durchgearbeitet und die russische Aufstellung durchbrochen. Der lebhafteste Enthusiasmus herrschte über diese heldenmüthige That unserer edlen Bundesgenossen bei allen unsern Leuten, und unwillkürlich brachen wir Zuschauer alle in den lautesten Jubel aus, und „vivent, vivent les braves Anglais“ ertönte fort und fort aus den Reihen unserer Leute. Hätte der strenge Befehl uns nur nicht an dem Platze festgebannt, wie unendlich gerne wären wir mit den Engländern zusammen geritten, und hätten den Ruhm und die Ehre des Tages mit denselben getheilt. Furchtbar war aber der Verlust, welchen die tapfere englische Reiterei in diesem Gefechte hatte, und kaum die Hälfte der Leute, die am Morgen aufsaßen, war am Abend noch in den Gliedern. Die schönen, hohen Blutpferde, mit denen die gesammte englische Kavallerie beritten ist, waren über und über mit Schaum bedeckt, ihre Flanken bluteten von den heftigen Sporenstößen ihrer Reiter, mit denen diese sie in das heftige Batteriefeuer der Russen hineingetrieben hatten, und viele zeigten die Spuren von Streifhieben und anderen Verwundungen, welche sie im Kampfe bekommen.

Nicht minder erschöpft und hart mitgenommen, wie ihre Pferde, sahen die Reiter selbst aus. Die Helmbüsche und Kämme hingen halb zerhauen herab, von den Epaulettes fehlte die Hälfte, die Uniformen hatten Schlitze und Löcher in Menge aufzuweisen und gar mancher tapfere Sohn Altenglands blutete aus noch nicht verbundenen Wunden. Welche Lücken zeigten sich aber in den Gliedern, wie arg waren die Schwadronen zusammengeschmolzen! Und doch sah diese so arg mitgenommene englische Reiterei in dem Augenblick ungemein stolz und schön aus, und ihr Anblick mußte jeden wahren Krieger mit der lebhaftesten Begeisterung erfüllen. Das Gefühl des Sieges, der Zufriedenheit mit der vollbrachten That, prägte sich deutlich in dem Gesicht jedes einzelnen Reiters aus, und gab der ganzen Schaar ein unbeschreiblich stolzes Ansehen. Unsere französischen Soldaten, bei der großen Lebhaftigkeit, mit der sie Alles erfassen, konnten ihrer stürmischen Begeisterung für diese englische Reiterei gar keine Grenzen setzen, und wohl niemals ist fremden Waffenthaten eine unbefangenere und aufrichtigere Anerkennung gezollt worden, wie es von uns an diesem denkwürdigen Schlachttage geschah, Das „vivent les braves Anglais, vivent nos braves camerades–“Gerufe wollte an dem Tage gar nicht aufhören, und wo meine Chasseurs nur einen englischen Reiter erblickten, da verfehlten sie nicht, Alles anzuwenden, um ihre unbedingte Freude über das muthige Benehmen dieser zwei englischen Kavallerie-Brigaden auszudrücken. Von allen Seiten erboten sich Freiwillige aus unseren Korps, in das englische Lager zu gehen, um dort zu kochen, Holz herbeizuschleppen, kurz, alle möglichen derartigen Dienste zu verrichten, damit es die Soldaten daselbst an diesem Abend ja recht bequem hätten, und sich von den Strapazen des heutigen Gefechtes vollkommen wieder erholen könnten. Noch spät in der Nacht brachte eine Patrouille von meiner Eskadron einige versprengte englische Dragoner mit, die alle leicht verwundet waren, und auf eine sehr kühne Weise mit sammt ihren Rossen sich wieder aus der russischen Gefangenschaft befreit hatten, zu uns, und dieselben blieben die Nacht in unserm Lager. Was meine Chasseurs diesen Engländern nur an den Augen absehen konnten, thaten sie denselben zu Gefallen, und Jeder brachte gewiß das Beste, was er an Speise und Trank nur irgendwie besaß, für diese geehrten Gäste herbeigeschleppt, so daß diese beinahe des Guten zu viel genossen hätten. So ein englischer Soldat hat aber in der Regel einen guten Magen und kann Quantitäten an Speisen und noch mehr an starken geistigen Getränken zu sich nehmen, die Einem mit Recht in Erstaunen zu setzen vermögen. Auch die englischen Offiziere huldigen den Tafelfreuden gern und viel, und wir Franzosen sind in der Regel ungleich mäßiger wie diese.

Hier müssen aber diese wohlgenährten Engländer gar große Entbehrungen leiden, und obgleich sie mit Geld ungleich besser versehen sind wie wir, und ihrer Regierung wohl fünf Mal mehr Kosten verursachen, wie bei uns der Fall, so leben wir doch ungleich besser. So tapfer diese Engländer aber auch in der Schlacht sind, so gewaltig unbeholfen und ungeschickt zeigen sie sich in allen sonstigen militairischen Verrichtungen, die ein Soldat im Felde verstehen muß, und es ist darin gar kein Vergleich zwischen ihnen und unseren Soldaten. So war ich kürzlich einige Stunden auf einer englischen Feldwache, die von Dragonern und Grenadieren der Garde, lauter hohen, kräftigen Gestalten, besetzt war. Die Soldaten hatten alle eine starke Ration von Reis, getrocknetem Rindfleisch, Gewürzen und Rum bei sich, und meine Chasseurs wären in Algerien überglücklich gewesen, wenn sie nur alle Sonntage so viele und gute Lebensmittel geliefert bekommen hätten. Diese englischen Soldaten stellten sich aber so unglaublich ungeschickt im Kochen an, daß sie keine einzige ordentliche Speise zu Stande brachten, und Viele nur ihr Fleisch, was sie einigermaßen geröstet hatten, ohne Weiteres zu ihrem Brote verzehrten, den guten Reis aber fortwarfen. Natürlich war die Mannschaft sehr hungrig, deshalb in steter schlechter Laune, und statt zu singen und Witze zu machen, wie es unsere Soldaten beständig auf den Feldwachen thun, brummten und fluchten sie fortwährend, oder suchten Hunger und Langeweile durch möglichst langes Schlafen zu vertreiben. Dabei war die ganze Feldwache an einem so ungünstigen Platze wie nur irgend möglich aufgeschlagen, obgleich man ungefähr fünfzig Schritte davon einen ungleich besseren Ort dazu hätte finden können. Auch die beiden englischen Offiziere, welche hier befehligten, verstanden von allen militairischen Sachen so wenig, daß jeder Korporal meiner Eskadron sie unbedingt darin weit übertroffen hätte. Es waren Beides sehr vornehme junge Männer von dem größten Muthe und vielen sonst gewiß trefflichen Eigenschaften, aber Offiziere in dem Sinne, wie wir Franzosen es verstehen, waren es nicht, und sie machten auch gar kein Hehl daraus. Komisch war auch ihre Verzweiflung über das in der That fast ungenießbare Essen, was ihre Bedienten ihnen trotz des silbernen Besteckes gekocht hatten. Ein Huhn, welches sie für

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