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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Oberhaut besteht und Haarbalg oder Haarsäckchen genannt wird. Auf dem geschlossenen Grunde dieses Säckchens, in welches gewöhnlich eine oder mehrere Talgdrüsen einmünden (s. Gartenl. 1854 Nr. 44), erhebt sich eine warzen- oder hügelförmige Hervorragung, der Haarkeim oder die Haarpapille, welche sehr gefäßreich und die eigentliche, das Wachsthum unterhaltende Bildnerin des Haares ist. Auf dieser Papille sitzt die Haarzwiebel mit ihrer Aushöhlung hutförmig auf. Aus dem Blute des feinmaschigen Haarröhrchennetzes des Haarkeimes wird der Haarstoff zuerst als flüssige Materie ausgeschieden, in welcher sich dann Bläschen (Zellen) bilden, die nach oben zu zum Theil allmälig zu Plättchen und Fasern umgewandelt werden und so endlich die Rinden- und Marksubstanz, sowie das Oberhäutchen des Haares bilden. – Die Rinden- oder Fasersubstanz bildet den äußeren, bedeutendsten und gefärbten Theil des Haares, ist längsgestreift und aus starren, platten, geraden, zugespitzten Fasern (Haarfasern), die aus spindelförmigen Haarplättchen zusammengesetzt sind, gebildet. An dieser Substanz, welche äußerlich mit dem dünnen, durchsichtigen und aus ganz platten, eckigen, dachziegelartig über einander liegenden Plättchen zusammengesetzten Oberhäutchen des Haares fest überzogen ist und durch dieses eine ringförmige Querstreifung erhält, – sieht man stets dunkle Flecken, Pünktchen und Streifen, welche theils von Häufchen aus Farbekörnchen (in den Haarplättchen), theils von winzig kleinen, mit Luft erfüllten ovalen Hohlräumen (Bacuolen) und spindelförmigen Kernen herrühren. Am untern Theile der Haarwurzel werden die hornigen Haarplättchen immer weicher und gehen endlich in längliche und rundliche Zellen über, die sich in dem flüssigen, vom Blute des Haarkeims ausgeschiedenen Haarstoffe bildeten. Die Spitze des Haares besteht nur aus Rindensubstanz mit seinem Oberhäutchen. Die Lufträume der Rinde finden sich erst am Schafte oder am oberen Theile der Wurzel. – Die Marksubstanz, welche die Mitte des Haares einnimmt und nicht selten stellenweise ganz fehlt, besteht aus reihenweise an einander gelagerten rundlichen, kernhaltigen Zellen (Markzellen), die mit Flüssigkeit oder Luftbläschen , sowie zum Theil mit Fett- und Farbstoffkörnchen erfüllt sind. In der Nähe der Zwiebel sind diese Zellen ohne Luft, die vielleicht erst später in Folge der theilweisen Verdunstung des flüssigen Inhaltes dieser Zellen eingenommen wird.

Einige Zeit nach der Geburt fallen die meisten, und in manchen Fällen sämmtliche Wollhaare aus und werden durch neue ersetzt. Dieser totale Haarwechsel kommt dadurch zu Stande, daß (wie bei den Milch- und bleibenden Zähnen) in den Haarbälgen der Wollhaare selbst neue Haare entstehen, die allmälig die alten verdrängen, so daß also zu dieser Zeit zwei Haare in einem Balge stecken, von denen das spätere das frühere von seinem ernährenden Boden abhebt und aus dem Balge herausdrängt. – Die einmal gebildeten Haare wachsen kürzere oder längere Zeit fort (und zwar vom Haarkeime aus durch Entwicklung neuer Zellen aus der vom Blute abgesetzten Ernährungsflüssigkeit, von welchen später die mittleren zu Markzellen, die äußeren in Rindenplättchen und Fasern, die äußersten zu Oberhautschüppchen sich umgestalten), erreichen eine, je nach Ort und Geschlecht bestimmte Länge und bleiben dann im Wachsthum stehen. Werden sie aber abgeschnitten, so wachsen sie wieder nach und treiben so lange fort, als man sie ihre bestimmte Größe nicht erreichen läßt. Die Haare besitzen sonach, wie alle Horngebilde, ein beschränktes Wachsthum. So kann bei einem Manne, der 60 Jahr alt und dessen Haupthaar, ohne abgeschnitten zu werden, etwa 21/2 Fuß lang wird, durch Abschneiden das Haar auf 21 Fuß Länge gebracht werden, wenn man nämlich die abgeschnittenen Portionen zusammenrechnet. – Das fertig gebildete Haar, obschon gefäßlos, ist doch kein todter Körper. Es ist von Flüssigkeit durchzogen und verwendet dieselbe zu seiner Ernährung. Diese Flüssigkeiten stammen aus den Gefäßen der Haarpapille und des Haarbalges, steigen wahrscheinlich vorzüglich von der Wurzel aus, ohne daß besondere Kanäle für sie da wären, durch die Rindensubstanz in die Höhe und kommen in alle Theile der Haare hinein. Haben diese Säfte zur Ernährung des Haares gedient, so dunsten sie höchst wahrscheinlich von der äußern Oberfläche desselben ab und werden durch neue ersetzt; die Einölung des Haares durch den Hauttalg verhindert wahrscheinlich die zu starke Verdunstung des Haarsaftes. Vielleicht nehmen die Haare auch von außen Flüssigkeiten in Dunstform auf. Die Bildung von Luft in der Marksubstanz und in der Rinde dürfte die Folge von einem Mißverhältnisse zwischen der Zufuhr von Flüssigkeit vom Haarbalge aus und dem, was abdunstet, sein, es ist gleichsam ein Austrocknen des Haares. Das Ausfallen der Haare beruht gewiß in vielen Fällen ebenfalls auf nichts anderem, als auf einem Mangel an der nöthigen Ernährungsfeuchtigkeit. Auch das Weißwerden, das vorzüglich von Entfärbung der Rinde, weniger des fast ungefärbten Markes abhängt, kommt gewiß in vielen Fällen durch eine solche Austrocknung zu Stande, weshalb auch weiße Haare, wenn sie abgeschnitten oder ausgerissen werden, ohne Farbe wieder wachsen. Man hat ebenso Fälle von schneller Ergrauung der Haare, wie auch von schneller Wiederfärbung grau gewordener Haare. Da die Bälge verloren gegangener Haare lange bestehen bleiben, so ist eine Neubildung von Haaren an kahlen Stellen auch noch nach längerer Zeit nicht unmöglich; es giebt Fälle, wo alsdann anders gefärbte Haare, als die verloren gegangenen, wieder wuchsen. – Aus Allem geht deutlich hervor, daß die Haarpapille auf dem Grunde des Haarsäckchens für das Leben und Wohlbefinden des Haares von der allergrößten Wichtigkeit ist und daß man nur von dieser aus auf das Haar einzuwirken vermag. Deshalb stehen die Haare aber auch weit mehr unter dem Einflusse des allgemeinen Gesundheitszustandes, als man gewöhnlich glaubt. Bei guter Gesundheit sind die Haare stark und sitzen fest in der Haut, bei geschwächter gehen sie leicht aus. (Ueber die Krankheiten und Pflege des Haares später.)

Bock. 




Zur Biographie Goethe’s.

Der Engländer J. H. Lewes (gesprochen: Luis), gehört zu den vielen wahrhaft gebildeten Familien Englands, welche die klassische deutsche Literatur lieben und studiren, und deren ewige Schönheit dem englischen Publikum immer mehr aufschließen, aber zu den Wenigen, die sie genau kennen und würdigen. Neben ihm ragen besonders Thomas Carlyle (Carleil), der den Engländern unsern Goethe zuerst in Uebertragungen und enthusiastischen Abhandlungen aufschloß, die Familie Howitt und Bulwer (mit einer Biographie Schiller’s) hervor. Auch der berühmte Humorist Thackeray, der in seiner Jugend in Weimar lebte und mit Goethe und dem Hofe mehrmals in persönliche Berührung kam, verdankt dem deutschen Einflusse viel in seinem ausgebildeten, den englischen Conventionalismus versöhnenden Humor. Viele englische Familien der höchsten Stände lassen ihre Kinder deutsch erziehen, z. B. Lord John Russel und eine Menge Andere seines Kreises. Keine gebildete englische Dame existirt mehr ohne Original-Citate aus dem Faust; keine anständige englische Schule mehr ohne Deutsch. In Amerika sind die Deutschen und die deutsche Literatur zum Theil schon weiter und tiefer eingedrungen. Ihre besten Dichter, Longfellow, Dana u. s. w. sind deutsche Dichter, die aus Deutschland geschöpft, in Deutschland selbst studirt haben und deutsch sprechen, als wär’s ihre Muttersprache. Kein der Civilisation sich aufschließendes Land ohne Deutsche. Die Deutschen, zu Hause beengt und unfähig, sich selbst schönere Lebensformen zu schaffen, sind gleichwohl oder vielmehr gerade deshalb zu den Lehrern der Menschheit, zur Verwirklichung einer alle Nationen und Zonen umfassenden Kultur bestimmt. Sie arbeiten daran zu Hause und unter allen Heiden der Welt. Ihre Wissenschaft, ihre Poesie breiten sich stets zu Gütern der Menschheit aus, wie sie bereits mit aller Welt in der kindlichsten, allgemein verständlichen Sprache reden – durch ihre Spielsachen, mit denen das englische, das amerikanische, das indische, australische, russische, das weiße, braune, gelbe, rothe und selbst das schwarze Kind des gebildeten Negers beschenkt wird, an denen es seine Fingerchen im Zerbrechen üben, seine Phantasie, seine Sprache gemüthlich lallend und plaudernd lernt.

Die Deutschen werden nie groß und berühmt als „Nation“ werden, wie der Schmetterling nicht zu besondern Ehren kommt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_009.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)