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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

No. 52. 1855.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteur Ferdinand Stolle.

Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Die schöne Kathi.
Novelle von August Schrader.
(Schluß.)


Das Geräusch von Schritten deutete an, daß Niklas sich entfernte. Lajos wußte nicht, daß der Gehülfe eine Rache an seinem Herrn und nun auch an Kathi üben wollte, die ihm in der Dämmerung, wo er einen neuen Angriff versucht, entschieden jede Hoffnung abgeschnitten hatte; er hätte sich sonst die Absicht dieser Mittheilung erklären können. Niklas hatte aber das entgegengesetzte Ziel erreicht – er förderte durch seine Bosheit die Interessen der armen Kathi. Lajos klopfte also an das bezeichnete Fenster. Es öffnete sich, und Kathi ward sichtbar.

„Ich bin es!“ flüsterte der Fischer.

Kathi erkannte ihn.

„Retten Sie mich aus diesem Hause,“ schluchzte sie, „meine Lage ist unerträglich!“

„Still! Sind Sie sicher, daß man Sie von der Küche aus nicht belauscht?“

„Sie haben Recht, hier ist man stets unter Aufsicht.“

Die Gräfin verschwand. Nach einigen Augenblicken kam sie zurück.

„Ich habe die Thür der Küche und die meiner Kammer verschlossen!“ flüsterte sie. „Was bringen Sie mir, Lajos?“

„Sie wissen also – –“

„Daß Janos hier ist? Ach ja, ich habe ihn sogleich erkannt!“

„So sprechen wir nicht weiter davon. Neigen Sie sich aus dem Fenster, daß ich noch leiser flüstern kann.“

Kathi that es. Lajos berührte fast ihre Wange.

„Morgen Abend um neun Uhr halten Sie sich zur Abfahrt bereit.“

„Ist der Kahn da?“

„Ja.“

„Gott sei gelobt!“

„Mir fehlen noch dreißig Gulden an dem Kaufgelde - meine kleine Kasse ist erschöpft – “

„Hier ist das Geld!“ flüsterte Kathi eifrig.

Sie holte die Börse des Apothekers aus ihrer Tasche und drückte sie Lajos in die Hand.

„Ich ziehe mich nun zurück, um keinen Verdacht zu erregen. Janos läßt tausendmal grüßen und die größte Vorsicht anempfehlen.“

„Kann ich ihn nicht auf eine Minute sprechen? Warum ist er nicht gekommen?“

„Aus Vorsicht! Beruhigen Sie sich, er besteigt morgen Abend mit Ihnen den Kahn!“

„Heilige Jungfrau – Lajos, ist das wahr?“

„Auf Wiedersehen morgen Abend neun Uhr! So lange bleiben Sie die Köchin, so lange dulden Sie!“

Der Fischer traf den Korporal bei der Baumgruppe.

„Haben Sie Ihren Zweck erreicht?“ rief der Graf dem Ankommenden entgegen.

„Vollkommen! Hier ist das Geld.“

Lajos erzählte seine Unterredungen mit Niklas und der Gräfin.

„Die arme Dame hat die Börse angenommen, weil sie nicht eine Kupfermünze besitzt,“ schloß er.

„Gräßlich! Gräßlich!“ murmelte der Graf.

„Und ich möchte vortrefflich rufen!“ fügte der Fischer hinzu, „denn hätte der filzige Apotheker die Schwachheit nicht gehabt, seine Börse zu verschenken, ich würde das zu der Flucht unumgänglich nöthige Fahrzeug nicht herbeischaffen können. Ohne Herrn Czabo wäre die Flucht unmöglich gewesen. Kann ich morgen früh zehn Uhr nicht zahlen, so zahlt ein Anderer, und der Kahn ist verkauft. Jetzt gehe ich ohne Sorge zu Bett – unsere liebe Gräfin wird morgen gerettet sein. Und Sie, Herr Graf, kennen meine Nichte nicht, was auch geschehen möge, Thekla bleibt bis morgen Abend die Köchin Kathi.“

Der Fischer bestieg sein Boot, und fuhr an das jenseitige Ufer der Save, wo sein Häuschen still und einsam unter zwei großen Buchen stand.

Janos Esthi kehrte in sein Quartier zurück. Er schlief nicht so ruhig, als der Fischer, denn Niklas’ Bemerkung, der Apotheker wolle ihn morgen ist einem Wirthshause unterbringen, machte ihm Sorgen. Ward dieses Vorhaben ausgeführt, woran sich nach der Scene im Wohnzimmer nicht zweifeln ließ, so bot die Flucht für den Korporal Schwierigkeiten. Der Gedanke, Lajos wird helfen, tröstete ihn ein wenig.



VI.
Der Wittwer.

Zehn Uhr war vorüber, und die Wächter sangen ihr Nachtlied in den Straßen Semlins, die zu gleicher Zeit von den ersten Patrouillen der Schutzwehr durchzogen wurden. Da läutete die Glocke der Apotheke. Niklas öffnete die Thür. Herr Czabo, in der vollen Uniform des Commandanten, trat ein. Er kam von dem Rathhause, wo die Offiziere der Schutzwehr eine Versammlung abgehalten hatten.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 687. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_687.jpg&oldid=- (Version vom 19.12.2019)