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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Schiller’s Apotheose.

überreicht, und zu Ehrenmitglieder ernannt: zwei Uebersetzer Schiller’scher Gedichte, in England Bulwer, in Portugal Herculano (Alessandro Herculano Carvalho); von Männern des Vaterlands: Hammer-Burgstall, Professor W. Wachsmuth, Dr. Ad. Stahr. Der Redner gedachte der dresdener Schillerstiftung und empfahl sie der Schwesterstadt Dresdens. Ob und wie weit die Literatur ihrer großen Ahnen würdig, war dann das Thema, das der Redner unter dem Titel: „Schiller und die Gegenwart,“ behandelte. Er beleuchtete die Kluft zwischen dem Heute des Materialismus und dem Damals, als Schiller’s dichterisches Evangelium vom freien Geist sich ankündete. Er hielt eine Rundschau auf den Feldern der Poesie und der Wissenschaft, beleuchtete den Contrast zwischen dem, was die Schaubühne nach Schiller sein sollte und was sie ist; er warf dann kurze Schlaglichter auf die Lyrik von heute, die, gegen die Schiller’sche gehalten, „reich an Musik,“ aber „arm an Gedankengehalt und Gestaltenkraft“ geworden. Vielleicht sei es aber gar nicht mehr der Vers, sondern die tausendarmige, in alle Schichten der Wirklichkeit dringende Prosa, welche den Kern der Interessen von heute erfasse. Der Redner entwickelt die Nothwendigkeit des Durchbruchs einer realen Poesie; aber er geißelte die bloßen Copisten der Wirklichkeit, warnte vor der „gemeinen Deutlichkeit der Dinge.“ Was die Gemeinheit der Stoffe ästhetisch rechtfertige, sei der Witz, „Schiller,“ sagte er, „war nie witzig;“ seine idealen Gestalten wandelten in ewigem Sonnenglanz, und der Witz beleuchte die Dinge nur auf Momente. Ein Zeitalter, das nur Witz producire, sei für die hohen Aufgaben des Lebens unfähig, wie eine Nation, die keine Tragödien mehr ertrage, auch in ihrem Schooße keine Helden mehr erzeuge. Was der Redner dann über den Stand und Werth der Naturwissenschaften einfließen ließ, war jedenfalls der schwächste Theil seiner Rede, die wir deshalb auch nicht weiter berühren wollen. Daran knüpfte sich schließlich ein Abweis des kürzlich von Weimar

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 683. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_683.jpg&oldid=- (Version vom 7.8.2023)