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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

„Mein Herr läßt anfragen, wo Sie zur Nacht speisen wollen – ob hier in Ihrem Quartiere oder bei Herrn Czabo am Tische. Er meint, da Sie müde von dem Marsche sind, wäre es für Sie bequemer, wenn man Ihnen das Essen brächte.“

Der Soldat überlegte einen Augenblick.

„Herr Czabo hat Recht,“ antwortete er rasch. „Ich bin wirklich so müde, daß man mir eine Gefälligkeit erzeigt, wenn man mich in meinem Zimmer läßt.“

„Gut, speisen Sie in Ihrem Zimmer.“

Niklas ging nach dem Wohnhause zurück. Janos Esthi zündete eine Kerze an, die er aus dem Tische fand.

„Kein anderer als die Köchin wird mir das Nachtessen bringen,“ dachte er. „Auf diese Weise erhalte ich eine Gelegenheit, unbemerkt mit ihr zu sprechen. Mein Herz drängt mich, zu ihr zu eilen, aber mein Verstand sagt mir, daß die Arme einen Plan verfolgt, indem sie als Köchin dem Apotheker dient, und ich will durch Unbesonnenheit diesen Plan nicht zerstören.“

Er warf sich wieder in den Stuhl und lauschte mit klopfendem Herzen auf jedes Geräusch. Endlich ließen sich Schritte vernehmen, die Thür ward geöffnet, und Niklas trat wieder ein. Der lange Mann trug in einem Korbe die Speisen.

„Hier in ein vortreffliches Abendessen, Herr Korporal. Diese Flasche Wein sendet Ihnen Herr Czabo, damit Sie auf das Wohl aller guten Unterthanen und auf die völlige Wiederherstellung des Friedens trinken sollen. Wünsche guten Appetit!“

Der lange Gehülfe hatte eine Serviette auf dem Tische ausgebreitet und die Speisen darauf gestellt.

„Sind Sie der Koch, Freund?“ fragte der Soldat, der sich in seiner Erwartung getäuscht sah.

„Nein, mein Herr.“

„Oder der Bediente im Hause?“

„Element, ich bin Apothekergehülfe! Aber ich habe keine Lust mehr zu der Pillendreherei , und darum will ich Soldat werden. Ich sehe es Ihnen an, Herr Korporal –“

„Was?“

„Sie wundern sich, daß ich den Küchenjungen spiele?“

„Nun ja, ich leugne es nicht, ein so großer, starker Mann, wie Sie –“

„Könnte etwas Besseres thun. Nicht wahr, wozu ist eine Köchin im Hause? Herr Korporal,“ flüsterte Niklas so leise, als es ihm seine Baßstimme erlaubte, „merken Sie denn Nichts?“

„Was soll ich denn merken?“ fragte gespannt der Soldat.

Niklas horchte einen Augenblick an der Thür, dann kam er zurück und flüsterte:

„Haben Sie unsere schöne Kathi gesehen?“

„Die Köchin?“

„Ja. Das ist ein prächtiges Mädchen! Eigentlich hätte Kathi Ihnen das Abendessen bringen müssen.“

„Und das von Rechts wegen,“ meinte der Korporal. „Und warum bringt sie es nicht?“

„Weil Herr Czabo in die Küche gekommen ist und zu dem Mädchen gesagt hat: Du gehst mir nicht in das Gartenhaus, Kathi, die Bedienung des Soldaten übernimmt Niklas; wenn ich sehe, daß Du ein Wort mit dem Soldaten sprichst, so ziehst Du Dir mein größtes Mißfallen zu, und ich lasse Deinem Vetter Lajos sagen, daß Du ein ungehorsames, leichtsinniges Mädchen bist. Kathi versprach ihm, gehorsam zu sein, denn sie hat vor dem Vetter Lajos eine entsetzliche Furcht – fast eben so viel, wie Herr Czabo vor Ihnen hat.“

„Wer ist der Vetter Lajos?“

„Ein alter grober Fischer der Save, der seine Nichte so zu sagen verkauft hat. Na, das geht Sie und mich nichts an, aber, Herr Korporal, ich betrachte mich schon als Ihren Kameraden, und darum muß ich Ihnen sagen, daß Herr Czabo Sie bei der hübschen Köchin schlecht gemacht hat, obgleich er Sie erst seit einigen Stunden kennt. Sie müssen nämlich wissen,“ fuhr er von Groll gestachelt fort, „daß der alte Graukopf bis über die Ohren in die hübsche Kathi verliebt ist, und daß er sie wie ein Drache bewacht. Unser Haus heißt mit Recht die Drachenapotheke. Damit Kathi den hübschen Soldaten nun nicht vorzieht, hat er Sie bei ihr schlecht gemacht.“

„So, was hat er gesagt?“

„Ich sah ihn in die Küche gehen, nachdem er Sie in den Pavillon gebracht hatte. Halt, denke ich, da geht wieder etwas vor. Mit zwei Schritten war ich an dem Fenster, das von der Hausflur in die Küche geht. Dieses Fenster ist ziemlich hoch unter der Decke, aber ich konnte doch hindurchsehen. Da stand Herr Czabo, kniff der Kathi in die Backen und sagte: der Soldat ist ein leichtsinniger, gefährlicher Mensch, er hat in Wien eine Geliebte, wie er mir gesagt, und dennoch machte er in meiner Gegenwart Netti auf eine unverschämte Weise die Cour, so daß ich ihn in die gebührenden Schranken zurückweisen mußte; nimm Dich in Acht, mein Kind, der Korporal ist ein böser Mensch. Damit Du durchaus nicht mit ihm in Berührung kommst, habe ich ihm das Gartenhaus angewiesen, und morgen werde ich ihn in ein Gasthaus einquartieren.“

„Das sagte Herr Czabo?“

„Ach, er sagte noch viel mehr. Aergern Sie ihn ein wenig, Herr Korporal, und machen Sie der schönen Kathi den Hof. Nun wissen Sie, warum man Sie nicht in dem Wohnhause dulden will. Guten Appetit, Herr Korporal!“

Höhnisch lächelnd schlüpfte Niklas aus dem Pavillon.

„Dem alten Pillendreher habe ich eine hübsche Suppe eingebrockt,“ dachte er unterwegs. „Er soll sich grün und gelb ärgern über die Einquartierung. Kathi wird den stattlichen Korporal lieber sehen, als den alten Graukopf, und der beleidigte Korporal wird sich schon zu rächen wissen.“

Janos Esthi befand sich in einer Gemühtsstimmung, daß er mit seinem Nachtessen bald zu Ende war - er hatte wenig Appetit. Nachdenkend verließ er das Häuschen und begann durch die Wege des Gartens zu gehen, die der Herbst bereits mit gelbem Laube bedeckt hatte. Plötzlich hörte der Spaziergänger das Rauschen eines Flusses. Er durchschritt eine kleine Baumgruppe, und eine ziemlich breite Wasserfläche blinkte ihm im Mondenscheine entgegen. Das Ufer war flach, ohne Gesträuch und mit Rasen bewachsen. Sinnend blieb der junge Mann stehen und gab sein glühendes Gesicht dem frischen Abendwinde preis, der von der Save herüberwehete. Nach und nach senkte sich ein dichter Nebel auf die Wasserfläche und das Gesträuch des jenseitigen Ufers zeigte sich in phantastischen Gestalten, bis es endlich völlig verschwand.

In der Stadt schlug es neun Uhr.

Janos Esthi wollte einen Versuch wagen, sich heimlich dem Hause zu nähern, denn er nahm an, daß Kathi, wenn er sich in ihrer Person nicht getäuscht hatte, ebenfalls nicht müßig in ihrer Küche bleiben würde. Schon stand er im Begriffe, den Rückweg anzutreten, als sich Ruderschläge und das Rauschen eines Kahns, der von dem gegenüberliegenden Ufer zu kommen schien, anfangs leise und dann immer stärker vernehmen ließen. Janos zog sich in die Baumgruppe zurück, die ungefähr zehn Schritte hinter ihm lag. Noch waren nicht fünf Minuten verflossen, als ein Kahn sich der Stelle des Ufers näherte, die der Korporal so eben verlassen hatte.

Ein Mann stieg aus. Vorsichtig befestigte er das Fahrzeug, und nachdem er sich noch einmal überzeugt, daß der Strom es nicht losreißen konnte, schlug er den Weg nach der Baumgruppe ein. Erschreckt blieb er stehen, als er die weiße Uniform erblickte.

„Wohin?“ fragte der Soldat.

„Zu Herrn Czabo, mit dem ich Geschäfte habe,“ war die Antwort.

Der Mann wollte seinen Weg fortsetzen.

„Halt!“ rief Janos.

„Was wollen Sie?“ fragte fest der Mann.

„Ich bin ein kaiserlicher Soldat!“

„Das sehe ich.“

„Doch wer sind Sie, der Sie in der Dunkelheit auf diesem ungewöhnlichen Wege zu meinem Wirthe wollen?“

„Ich bin der Fischer Lajos, dessen Nichte in der Apotheke als Köchin dient. Dies ist mein gewöhnlicher Weg, wenn ich sie nach vollbrachtem Tagewerke besuchen will, der Besitzer hat ihn mir gestattet.“

„Lajos, sagen Sie?“ fragte der junge Mann, der durch Niklas bereits auf den Vetter der Köchin aufmerksam gemacht worden war, wie wir wissen.

„Lajos ist mein Name. Ich habe keinen Grund, ihn zu verschweigen.“

„Wenn ich nicht irre, standen Sie vor drei Jahren noch im Dienste der Gräfin Thekla Andrasy.“

Dem Fischer schien vor Schrecken die Sprache vergangen zu sein.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 673. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_673.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)