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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

No. 51. 1855.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteur Ferdinand Stolle.

Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Die schöne Kathi.
Novelle von August Schrader.
(Fortsetzung.)


Nachdem er sich durch den Anblick der schmucken Magd von Neuem ermuthigt, begann er wieder:

„Jungfer Kathi?“

„Ich höre, Herr Niklas.“

„Der Korporal sucht Rekruten.“

„Welcher Korporal?“ fragte Kathi rasch, und wie es schien, erschreckt.

„Das Mittel wirkt!“ dachte triumphirend der lange Jüngling. „Nun ja, der Korporal,“ fuhr er laut fort. „Herr Korporal, sagte ich zu ihm, ich muß Ihnen gestehen, daß ich mich nicht mehr kenne – Herr Korporal, wollen Sie mich?“

Das junge Mädchen sah Niklas neugierig an. Dieser erwartete mit großer Spannung eine Antwort – aber Kathi schwieg. Eine Pause von einigen Secunden trat ein.

„Herr Korporal,“ rief Niklas wie aus Verzweiflung losbrechend, „ich will Soldat werden!“

Kathi schwieg immer noch.

„Herr Korporal,“ fuhr Niklas fast weinend fort, und als ob er den Korporal wirklich vor sich hätte, „ich will mich morden, das heißt, ich will mit in die Schlacht ziehen, denn das ist eben so gut wie ein Selbstmord! Herr Korporal, schicken Sie mich hin, wo die dicksten Kanonenkugeln fliegen, ich will sterben, ich habe mein Leben satt!“

„Sie wollen Soldat werden?“ fragte die hartherzige Kathi endlich. „Ich glaube, Sie thun Unrecht daran, denn Sie werden Ihren guten Herrn kränken.“

Das Gesicht des langen Niklas erheiterte sich plötzlich.

„Was Herr Czabo darüber denkt, ist mir sehr gleichgültig - aber Sie, Kathi?“

„Ich?“

„Liegt Ihnen daran, liebe Kathi, daß ich am Leben bleibe?“ fragte er zitternd.

„Sie sind ja ein guter Mensch, Herr Niklas – “

„Kathi, Sie halten mich zurück?“ rief er jauchzend.

„Das nun eben nicht – indeß –“

Sie stockte, und setzte ruhig einen Teller bei Seite, den sie in der Hand hielt.

Niklas ließ seine langen Arme sinken,

„Sie hält mich nicht zurück!“ flüsterte er wie zerschmettert vor sich hin. „Das hätte ich nicht gedacht! Leben Sie wohl, Jungfer Kathi, der Korporal hat mir sein Wort gegeben – ich bin angeworben.“

Nach diesen Worten ging er mit langen Schritten aus der Küche. Gleich darauf hörte Kathi seine Stimme auf der Hausflur rufe:.

„Kommen Sie, Herr Korporal, hier ist die Tochter vom Hause, wenden Sie sich an diese!“

„Der arme Mensch dauert mich,“ dachte Kathi; „er scheint wirklich seiner Sinne nicht ganz mächtig zu sein. Da spricht er immer noch mit dem eingebildeten Korporal.“

Aber Kathi irrte sich, denn Niklas hatte wirklich einen Korporal auf der Hausflur angetroffen, und betrat in diesem Augenblicke das Zimmer, wo Netti mit ihrer Stickerei beschäftigt war.

Der Soldat war ein junger, schön gewachsener Mann mit einem vollen braunen Barte und feurigen dunkeln Augen.

„Heil und Ehre den Schönen!“ sagte er mit einer wohlklingenden, männlichen Stimme, indem er Netti militärisch grüßte.

„Eine gefährliche Einquartirung,“ dachte Niklas, indem er den schönen Soldaten vom Kopfe bis zu den Füßen betrachtete. „Die fehlte mir noch!“

Netti hatte ihren Platz verlassen.

„Verzeihung, mein Herr,“ sagte sie, „darf ich wissen, wen ich die Ehre habe -?“

„Janos Esthi, mein schönes Kind, kaiserlicher Korporal im zwanzigsten Infanterieregiment. Es lebe der Kaiser! Es leben die Schönen! Es lebe der Krieg!“

Mit einem Anstande, der den Korporalen in der Regel nicht eigen zu sein pflegt, ergriff Janos Esthi die weiche Hand Netti’s, und drückte ehrfurchtsvoll einen Kuß darauf, ohne daß es das junge Mädchen verhindern konnte. Nicht ein Korporal, ein Offizier höhern Ranges schien sich in dem Zimmer zu befinden.

„Wenn dieser Korporal so wenig Umstände mit Fräulein Netti macht, was wird er erst mit der Köchin thun, wenn er sie sieht?“ dachte der zitternde Niklas. „Der Kerl ist im Stande und küßt ohne Weiteres ihren reizenden Mund. Herr Korporal,“ rief er zornig.

Der junge Mann wandte sich zu ihm.

„Ah, mein Rekrut!“ rief er mit Laune. „Ich sehe, mein junger Freund, Sie haben einen unbedingten Beruf für das Heldenhandwerk. Liebesgram – es ist klar!“ fügte er mit einem Seitenblicke auf Netti hinzu. „O, der kleine Gott mit der Binde vor den Augen ist der glücklichste Werber in allen Armeen der Welt!“

„Herr Korporal, was sagen Sie da?“ fragte Niklas, der nicht wollte, daß Netti seinen Plan erfahren sollte.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 671. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_671.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)