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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Straßen mit sechs Stockwerk hohen Häuserreihen, mit Mauern von Büchern, deren seit dreißig Jahren neuerscheinender Katalog allein eine reiche, lange Bibliothek bildet, und der nie vollendet werden kann, da immer mehr Bücher hinzukommen, als katalogisirt werden können.

(Der Kuriosität wegen erwähne ich hier, daß Verfasser dieser Zeilen und von mehr als einem Schock Büchern und Broschüren, die er nicht einmal dem Namen nach mehr kennt, im britischen Museum allein erfahren und sehen kann, was er Alles für typographische Sünden begangen.)

Es fehlt auch im britischen Museum, wie in jeder englischen Administration, an Ordnung und Organisation, so daß namentlich Fremde, die hierher kommen, um „Quellen“ zu studiren, oft länger daran studiren müssen, wo und wie sie diese Quellen entdecken können als in ihnen selbst. Jetzt aber wird’s besser und heiterer. Für die Leser hat man in dem freien Quadrat innerhalb des Museums eine Lesehalle von der imposantesten Größe zu bauen angefangen, und von diesem Centrum aus alle Bücher und Kunstschätze leichter zugänglich gemacht. Diese Lesehalle, ist jedenfalls die großartigste Halbkugel der Gelehrsamkeit und des Studiums auf dem ganzen Erdglobus, eine auf die Erde gesenkte St. Paulskuppel, 140 Fuß im geradlinigen Durchmesser, 106 Fuß hoch, erleuchtet von 20 großen Fenstern oben, die durch die erste Biegung des Domes Licht einfangen, während das große, offene, mit Glas bedeckte Auge der Krone oben, 40 Fuß im Durchmesser, es geradstrahlig heruntergießt. Die Mitte der ungeheuern Rundung unten bildet eine erhöhte Plateforme für den Aufseher des Ganzen, mit zwei concentrischen Reihen von Pulten herum. Von diesem Centrum aus laufen die Tische und Bänke zum Lesen und Studiren in geradlinigen Radien nach der Peripherie des Kreises, mit 4 Fuß Raum für jeden Leser, so daß im Ganzen 336 gleichzeitig Platz finden. Dabei bleiben natürlich die Tausende von Plätzen innerhalb der Bücherstraßen. Der eingeschlossene Raum der Lesehalle enthält 11/4 Millionen Kubikfuß Luft mit guter Sommer- und Winterventilation. Die Wände innerhalb gewähren in gußeisernen Schränken Raum für mehr als eine Million Bücher. Oben Galerien, Freskogemälde u. s. w., wozu noch Statuen kommen sollen. Das äußere Dach ist von Kupfer, der Fußboden auf den Galerien von Schiefer. Die Kosten des Ganzen sind auf 100,000 Pfund Sterling veranschlagt worden. So bekommt die wissenschaftliche Menschheit hier die splendideste, großartigste Lesehalle, die, wie die reichen, herrlichen Kunst- und antiquarischen Schätze untergegangener Völker, jedem Volke jeden Tag zugänglich und genießbar gemacht werden wird.




Bausteine zu einer naturgemäßen Selbstheillehre.

Die Leiden des Stimm- und Singorgans.

Warum hört man wohl so selten eine schön, reine und klangvolle Stimme beim Sprechen und Singen? Weil man das Stimm- und Singorgan, den Kehlkopf (s. Gartenl. 1855. Nr. 43), so schlecht behandelt und zwar schon von Kindheit an. Eben deshalb wird dieses Organ aber auch so oft von Krankheiten heimgesucht. – Welch einen heisern Bierbaß mit obligatem Schleimgekrächze bringt nicht mancher Herr Candidat von der Universität als Frucht seiner Studien bei Rauch-, Sing- und Trinkconvivien mit in die Provinz. Wie hölzern-klanglos klingen nicht bei verfütterten krummbeinigen Kindern und leichtschnupfigen, sogen. scrophulösen Personen die Gaumentöne, welche sich zwischen dicken Mandeln wie zwischen einem Paare großer Klöße im Munde durchquetschen müssen. Als ob die Stimmbänder mit einem Pelzflecke überkleidet wären, so rauh und pelzig machen öfters wiederkehrende, durch Erkältung und unreine Luft herbeigeführte Kehlkopfskatarrhe, sowie Ueberanstrengung des Stimmorgans die Stimme. Kurz, würde besser auf das gehörige Maaß beim Gebrauche der Stimme, auf die Beschaffenheit der Luft, welche durch die Stimmritze strömt, auf die festen und flüssigen Stoffe, welche beim Verschlucken über und an dem Kehlkopfe hingleiten, auf die den Kehlkopf umgebenden Halsparthien und das Aeußere des Halses geachtet, es gäbe sicherlich viel mehr gute Stimmen und weniger Kehlkopfsleiden.

Sehr starke und längere Zeit anhaltende Anstrengungen der Stimmbänder (durch Schreien, Singen, Sprechen) erzeugen sehr oft, besonders bei Kanzelrednern, Schullehrern, Sängern und Commandirenden, eine Stimmverstimmung (dysphonia clericorum), bei welcher die Stimme schwach, klanglos und ungleich, weniger metallisch, vorübergehend rauh und heiser, bald hoch und überschlagend, bald tief und monoton wird. Lautes und längeres Sprechen und Singen ruft hierbei sehr bald Trockenheitsgefühl und Schmerzen im Kehlkopfe hervor. Diese Stimmverstimmung, welche Singlehrer gar nicht selten durch zu vieles und langes Ueben ihrer Schüler veranlassen, scheint theils auf einem durch Ueberreizung erzeugten Schwächezustande der Kehlkopfs-Muskeln und Nerven, theils auf einem, vorzugsweise einzelne Drüschen der Kehlkopfsschleimhaut befallenden Katarrh zu beruhen.

Was die Luft betrifft, welche durch die Stimmritze strömt, so kann diese, wenn sie sehr kalt und rauh, mit Staub, Rauch oder schädlichen, besonders ätzendscharfen Gasarten (Chlor, Ammoniak, Leuchtgas, Kohlensäure) verunreinigt ist, sehr leicht eine so heftige Entzündung der Kehlkopfsschleimhaut veranlassen, die, wenn sie auch wieder verschwindet, doch eine Verdickung des Stimmbänderüberzuges und somit eine schlechte Stimme hinterläßt. Vorzüglich leicht tritt eine solche Entzündung dann ein, wenn der durch Singen, längeres und lautes Sprechen, Einathmen warmer Luft u. s. w. erhitzte Kehlkopf plötzlich von kalter, rauher Luft durchzogen wird. Deshalb müssen Alle, die ihre Stimme lieb haben, wenn sie ihren Kehlkopf anstrengten oder sich im warmen Zimmer aufhielten und hinaus in kalte Luft treten, den Mund schließen und durch die Nase oder, können sie den Mund nicht halten, durch ein Tuch, am besten aber durch einen Respirator Athem holen. – Bei kleinen Kindern kann kalte rauhe Luft (Ost- und Nordwind) sehr leicht den tödtlichen Croup erzeugen, bei welchem Erstickung durch Verstopfung der Stimmritze des Kehlkopfes eintritt.

Speisen und Getränke können insofern Einfluß auf die Stimme ausüben, als sie beim Verschlucken über den Kehldeckel hinweg und an der hintern Wand des Kehlkopfes hinunter gleiten, dadurch aber mit derselben Schleimhaut in Berührung kommen, die sich auch in die Stimmritze hinein erstreckt. Deshalb können recht leicht scharfe Stoffe, besonders Gewürze (Pfeffer, Senf) und starke Spirituosa die Kehlkopfsschleimhaut in Entzündung versetzen. Am leichtesten ist dies aber möglich, wenn man nach Anstrengungen des Kehlkopfs Kaltes (Eis, Wasser) genießt. Es läßt sich hieraus auch der Nutzen milder, schleimiger Stoffe für den Kehlkopf erklärlich finden. – In seltenern Fällen trägt das Einbringen von Speisetheilchen in den Kehlkopf oder in die sogen. falsche Kehle Schuld an Kehlkopfsleiden.

Der Hals, von dem der Kehlkopf einen Bestandtheil ausmacht, besitzt außer diesem noch Organe, die bei Krankheitszuständen auf den Kehlkopf und so unmittelbar auch auf die Stimme einwirken können. Besonders thun dies oft die Anschwellungen der Drüsen des Halses, vorzüglich der Schilddrüse (d. i. der Kropf). – Auch kann enge Halsbekleidung, sowie plötzliche Kälteeinwirkung auf den warmen (erhitzten und schwitzenden) Hals dem Kehlkopfe und der Stimme Schaden bringen.

Unter den Krankheitserscheinungen bei Kehlkopfsleiden steht die Veränderung der Stimme und der Husten oben an. Die Stimme kann die verschiedensten abnormen Eigenschaften annehmen; sie kann heiser, rauh, pfeifend, klanglos, dumpf, matt u. s. f. werden (Dysphonie) und wohl auch ganz und gar verschwinden (Aphonie). Der Husten, gewöhnlich mit Auswurf von dünnem oder dicklichem Schleim in Klümpchen verbunden, zeigt ebenfalls große Verschiedenheiten; er kann kurz, hoch, tief, bellend, pfeifend, krähend u. s. w. sein. Das Athmen ist nicht selten (manchmal bis zur Erstickung) erschwert und geräuschvoll (scharf, rauh, zischend, pfeifend, rasselnd). Das Sprechen und bisweilen auch das Schlingen (wobei doch der Kehlkopf nicht blos bewegt, sondern auch berührt wird) rufen manchmal Schmerzen hervor, auch werden nicht selten unangenehme Empfindungen (von Trockenheit, Hitze, Drücken, Kratzen, Stechen, Kitzeln, Brennen, Spannen, Zusammenschnüren)

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 637. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_637.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2023)