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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

– Von andern scharfen Haarmitteln wurde bisweilen eine rosenartige Entzündung der Kopfhaut veranlaßt, die durch Umsichgreifen und Fortpflanzen über den ganzen Körper oder auf die Hirnhäute selbst Lebensgefahr herbeiführte. Man erzählte sogar kürzlich in Zeitschriften einen Fall, wo nach dem Gebrauche eines Haarwuchsmittels Wahnsinn eintrat.

Die Schönheits- und Zahnseifen und Pasten,

welche als Geheimmittel theuer verkauft werden, wie Dr. Borchardt’s aromatisch-medicinische Kräuterseife, Dr. Suin de Boutenard’s aromatische Zahnpasta u. s. w.   u. s. w., gehören ebenfalls, und zwar ohne Ausnahme, in die Classe nichtsnutziger Gewinnmittel.

Bock 




Aus dem Tagebuche eines britischen Legionärs.[1]

Shorncliff. Ende Oktober.
1. Auf Helgoland.

Am 23. August, Morgens neun Uhr, bestieg ich zu Hamburg das Dampfschiff „Helgoland", welches mich nach einer etwa siebenstündigen Fahrt nach dem gleichnamigen Eiland brachte. Außer einer großen Zahl von Vergnügungsreisenden befanden sich auf dem Dampfer auch etwa zwanzig junge Leute, welche in der britischen Fremdenlegion Dienste nehmen wollten. Fast Keiner von ihnen war im hamburger Hafen an Bord gegangen; die meisten waren, wärend wir die Elbe hinunterdampften, auf Kähnen dem Schiffe zugeführt, unbehindert durch die hamburger Polizeibeamten, welche im hamburger Hafen scharf aufzupassen schienen.

Als wir in Helgoland angelangt waren, ging ich in Gesellschaft dieser Leute, welche von zwei Werbern geführt wurden, zur Kommandantur. Hier wies man uns eine der zu diesem Behufe bestimmten Baraken als Nachtquartier an, und bestellte uns auf den folgenden Morgen zur ärztlichen Untersuchung wieder.

Ein Drittel dieser Leute etwa wurde für nicht dienstfähig erklärt, die übrigen wurden theilweise der 8., und da diese alsbald complet war, theilweise, wie ich selbst, der 9. Kompagnie des 2. leichten Infanterrieregiments zugetheilt. Die Ausgeschlossenen erhielten wie immer eine Barake zum Aufenthalt angewiesen, bis nach einigen Tagen ein Segelschiff sie nach Deutschland zurückführte. Außerdem bekamen sie täglich Jeder 6 hamburger Schilling, wofür sie allerdings zu einigen Arbeiten herangezogen wurden. Von ihren glücklichern(?) eingestellten Gefährten wurden sie überdies nach Kräften mit Geld und abgelegten Civilkleidern, hin und wieder auch wohl mit nunmehr unnütz gewordenen Pässen und Wanderbüchern beschenkt.

Vor der Einkleidung ging selbstverständlich die Verlesung der Bedingungen und die Beeidigung voraus. Erstere klangen, mit ähnlichen Verhältnissen auf dem Kontinente verglichen, durchaus nicht ungünstig. Die Eintretenden mußten sich verpflichten, drei Jahre lang, eventuell während der Dauer des gegenwärtigen Krieges und noch ein Jahr lang nach erfolgtem Friedensabschlusse zu dienen, wogegen die Regierung Ihrer Majestät sich vorbehält, die Legion oder einzelne Abtheilungen derselben auch früher zu entlassen. Während der Dienstzeit sind dem Soldaten ein täglicher Sold von einem englischen Schilling (wovon aber der Abzug für die Menage abzurechnen ist) und bei seiner Entlassung der Betrag einer einjährigen Löhnung nebst freier Ueberfahrt nach Amerika oder einer der britischen Kolonien zugesichert. Zugleich wurde erklärt, daß jeder Soldat 40 Pfund Handgeld erhalten solle, wovon aber augenblicklich erst 20 Pfund ausbezahlt wurden, während der Rest theilweise für die kleinen Montirungsstücke, welche der Soldat selbst bezahlen muß, berechnet, theilweise, sobald diese vollständig beschafft, verabfolgt werden sollte. Endlich wurde noch jedem Soldaten, welcher während der Dauer seines Aufenthaltes auf Helgoland (der immerhin nur einige Wochen betragen konnte) sich gut betrüge, namentlich eine Arreststrafe nicht verwirkte, eine Gratifikation von ein Pfund Sterling versprochen, welche ihm nach der Ueberfahrt in Shorncliff ausgezahlt werden sollte.

Ehe ich auf Helgoland eintraf, waren daselbst schon das erste Jägerregiment zu 10 Kompagnien von je 100 Mann und die ersten 8 Kompagnien des zweiten leichten Infanterie-Regiments (das erste wurde in Shorncliff selbst errichtet) gebildet. Das Jägerregiment und die fünf ersten Kompagnien des Infanterieregiments befanden sich indessen nicht mehr auf Helgoland, sondern waren schon nach und nach nach Shorncliff transportirt. Zwei Tage nach meiner Ankunft folgten ihnen die 6., 7. und ein Theil der 8. Kompagnie.

Als ich von Helgoland fortfuhr (1. Oktober), war die Bildung des 2. leichten Infanterieregiments längst vollendet (10 Kompagnien von je 100 Mann) und mit der des 2. Jägerregiments begonnen. Bei meinem Abgange waren beinahe 5 Kompagnien desselben von je 100 Mann complet.

Das militärische Obercommando auf Helgoland führt der Oberst von Steinbach; sein Adjutant ist der Hauptmann Hoffmann, welcher früher als preußischer Offizier in Magdeburg gestanden haben soll. Unter ihnen fungirten beim Stabe eine Anzahl von Unteroffizieren, deren einziges Verdienst wohl nur darin bestand, unter den Angeworbenen die ersten gewesen zu sein, welche leidlich schreiben und rechnen konnten.

Das Leben auf Helgoland war ziemlich einförmig; exercirt wurde nur einige Stunden des Tags, und zwar stets ohne Waffen (nur die jedesmalige Wachtmannschaft erhielt Gewehre). Das Lager befand sich auf dem helgoländer Oberlande, welches bekanntlich von dem Unterlande durch eine künstliche Treppe von nahe an 300 Stufen getrennt ist. Die Badegäste logiren meistentheils im letztern. Im Unterlande befindet sich der Kursaal, dessen Besuch von Militärpersonen nur den Offizieren gestattet war. Die Badegäste wurden durch die Anwesenheit des Militärs gewiß nicht genirt. Uebrigens war zur Zeit meiner Ankunft auf Helgoland den Soldaten der Besuch eines jeden Wirthshauses gestattet. Es wurde das mit der Zeit allerdings anders. Eines Sonntags hatte bei Gelegenheit eines Tanzgelags im Wirthshause zum günen Wasser eine nicht unbedeutende Schlägerei zwischen Civilisten und Soldaten stattgefunden. An diese knüpften sich in den folgenden Tagen fortwährende Reibereien, und das Ende vom Liede war, daß durch einen Befehl der Besuch eines jeden Wirthshauses auf Helgoland den Soldaten verboten und der Aufenthalt im Unterlande ihnen nicht länger als bis sechs Uhr Abends gestattet wurde. Nur den Unteroffizieren blieb der Besuch einer einzigen im Oberlande belegenen Schankwirthschaft (der von Jansen) erlaubt. Die Soldaten waren in dieser Beziehung auf die in einer Barake belegenen, mitten im Lager befindlichen Kantine beschränkt. Indessen kamen Kontraventionen gegen das erstgedachte Verbot bald genug vor, und wurden zuletzt so häufig, daß dasselbe, da sie meist ungeahndet blieben, fast illusorisch erscheinen mußte. Das Verbot mußte auch nicht nur den Soldaten, sondern auch den Helgoländern sehr unwillkommen sein. Denn fast jeder Soldat verzehrte doch Handgeld und Sold bei jenen, und im Oberlande hatte fast jeder Hausbesitzer eine Restauration unter theurer, aber doch viel zu wünschen übrig lassender Bedienung. Ein Seidel Lagerbier z. B. kostete drei Schilling hamburger Courant, und war dabei kaum zu genießen. Ein Beefsteak kostete 12 Schilling. Cigarren und Tabak waren auch hier schon theuer und daher fast immer unter dem Mittelmäßigen. Das bei den Soldaten am Meisten beliebte Getränk, der Rum, war über die Maßen verfälscht; guter Kornbranntwein gar nicht zu haben. Aber das Schlimmste war, daß das Trinkwasser regelmäßig schlecht war, und selbst auf den Gesundheitszustand nachtheilig wirkte.

Das Gros der Soldaten fühlte sich im Allgemeinen auf Helgoland sehr behaglich, namentlich so lange von den erhaltenen 20 Pfund noch etwas vorhanden war. Die, welche ihr Geld verthan, zeigten freilich wohl lange Gesichter und murrten, aber ohne gerechten Grund. Die Behandlung von Seiten der Offiziere und Unteroffiziere war im Ganzen leidlich, und nur Säufer von Profession beklagten sich über die zu große Strenge bei Handhabung


  1. Wir geben die Mittheilungen des jungen Mannes, eines braunschweiger Landeskindes, ohne Abänderung, ganz in der schlichten Weise, wie sie geschrieben sind. D. Redakt. 
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 626. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_626.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2023)