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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

verwandeln und die Hälfte der Zeit und der Kraftanstrengung in Fortbewegung von Lasten sparen. Mit recht großen Rädern und langen Schienen baute sich der Wagen gewiß auch immer die nöthigen Brücken über Gräben und kleine Abgründe. Die Erfindung wird ihre Zukunft haben. Vorläufig begnügen wir uns mit dem ordentlich witzig aussehenden Bilde eines Wagens, der sich immer so viel Eisenbahn selbst baut, als er gerade braucht, so recht dem alten Teufel zum Schure, der immer gerade so viel Weg verderben mußte, als die Equipage der ihm contraktlich verschriebenen Seele einnahm.




Jagd- und Lebensbilder aus Amerika.

Nr. 8. Ein Abenteuer auf der Entenjagd.

Von den zwei Dutzend Arten wilder Enten, die es in Amerika giebt, hat keine so viel Ruf als die Canvas-(Segeltuch-) Ente (Anas vallisheria), deren Fleisch das schmackhafteste von allen ist und von den Kennern noch über das des Prairiehuhns und des westindischen Ortolans gesetzt wird. Sie ist nicht groß und wiegt selten mehr als drei Pfund, ihr Gefieder gleicht dem der wilden Ente Europa’s, der Kopf ist dunkelbraun, die Brust schwarz und Rücken und Flügelspitzen bläulich-grau, und in solcher Weise von beiden Farben durchzogen, daß sie, freilich nur sehr entfernt, dem Gewebe des Segeltuches gleichen. Daher der Name des Vogels.

Sie gehört zu den Zugvögeln, wandert im Frühling nach den kalten Gegenden der Hudsonsbai und kehrt im October in ungeheuren Zügen nach den atlantischen Küsten zurück. Sie verbreitet sich nicht über die Fischwasserseen der Vereinigten Staaten, sondern bleibt in drei bis vier Buchten, von denen die Chesapeakebai ihren Hauptaufenthalt bildet, weil sie dort ihre Lieblingspflanze findet, die man gewöhnlich den wilden Selleri nennt. Diese hat lange, spitze, auf dem Wasser schwimmende Blätter, und ihre süßen Wurzeln geben der Canvas-Ente den angenehmen Geschmack, welcher ihr einen so hohen Preis auf den Märkten von New-York und Philadelphia sichert.

Ihre Jagd ist daher sehr einträglich. Sie sind jedoch schwer zu schießen, weil sie äußerst scheu sind, und es wäre kaum möglich, sie zu erlegen, wenn sie nicht zugleich sehr neugierig wären. Ein Hund, der am Ufer hin und her läuft, veranlaßt sie schon näher zu kommen, und bindet man diesem gar einen rothen Lappen um den Leib oder um den Schweif, so kann man darauf rechnen, sie in Schußweite zu bringen.

Als ich mich in der Nähe von Chesapeakebai bei einem Freunde befand, der dort eine Pflanzung hatte, beschloß ich natürlich, mich ebenfalls der Canvasjagd zu widmen, da auch mir der Braten dieser Vögel außerordentlich behagte. Dabei sollte mir indessen ein Abenteuer begegnen, an das ich mein Leben lang denken werde.

Mein Freund hatte nicht Zeit, mich zu begleiten, gab mir aber seinen Hühnerhund mit, der, wie er mir sagte, sich vortrefflich auf die Jagd verstand, und ich machte mich mit diesem auf den Weg, d. h. ich fuhr in einem Boot einen kleinen Fluß hinab, der zur Bai führte. Ich kam bald dahin, band mein Boot im Gebüsch fest und stellte mich dort auf den Anstand, indem ich den Hund aufforderte, seine Dienste zu thun. Zu meinem Verdruß wollte er mir aber nicht gehorchen, sondern weigerte sich absolut an’s Wasser zu gehen und verkroch sich in’s Gebüsch. Ich zog ihn heraus und nach dem Wasser, redete ihm zu, schalt, drohete ihm, Alles vergebens, er lief immer wieder zurück, und ich ärgerte mich doppelt, denn etwa eine halbe Meile vom Ufer saßen Tausende von Enten. Als ich sah, daß ich mit dem Hunde durchaus nichts anfangen konnte, weil ich ihm zu fremd war und er mir nicht folgen wollte, beschloß ich, in mein Boot zurückzukehren und zu versuchen, ob ich mich leise an die Enten heranrudern könnte, denn das war das Einzige, was mir jetzt noch übrig blieb, um zum Schuß zu kommen. Ich wollte das ungehorsame Thier gar nicht mitnehmen und rief ihm daher gar nicht zu, als der Hund indessen sah, daß ich nach dem Boote ging, folgte er mir und sprang noch vor mir in dasselbe. Ich dachte zuerst daran, ihn hinauszujagen, die Rücksicht auf meinen Freund gab mir indessen einen anderen Entschluß ein und ich ließ ihn ruhig liegen.

Bald dachte ich nur an die Enten, denn ihr Anblick erweckte in mir wahre Tantalus-Gelüste. Da saßen sie zu Hunderten bei einander, und wenn ich ihnen nur nahe genug zu kommen vermochte, konnte ich sie massenweise erlegen. Aber sobald ich diesen Punkt erreicht zu haben glaubte, verschwanden sie wieder. Ich sah daher ein, daß ich eine List gebrauchen mußte. Ich fuhr wieder an’s Ufer zurück, hieb grüne Zweige ab und steckte diese in dem Boot auf, damit sie, diesem als Segel dienend, mich geräuschlos zu den Enten trügen. Das gewährte mir auch noch den Vortheil, daß ich mich vor der furchtbaren Hitze schützen konnte. Es war November und ein sogenannter alter Weibersommer mit wohl 90 Grad Hitze. Um einen andern Preis hätte ich mich dieser gewiß nicht ausgesetzt, aber die Aussicht auf eine gute Entenjagd verdiente schon dieses Opfer.

Als ich den Enten näher kam, hatte ich ein interessantes Schauspiel vor mir. Außer den Canvas-Enten sah ich noch Pfeifenten, die anders gefärbt waren. Diese waren schlechte Taucher, während die Canvas-Enten vortrefflich tauchten. Wenn sie daher mit ihrer Wurzelbeute zum Vorschein kamen, suchten die Pfeifenten sie ihnen zu rauben und warteten jedesmal geschickt das Emportauchen der Andern ab, so daß diese sich beraubt sahen, ehe sie zur Besinnung kamen. Da ihnen das Verfolgen der stärkeren Räuber unnütz erschien, entschlossen sie sich alsdann gewöhnlich dazu, von Neuem zu tauchen und Wurzeln zu suchen. Außerdem sah ich auch noch eine dritte Art, welche der gewöhnlichen wilden Ente glich und sich nur durch den Schnabel von der Canvas-Ente unterscheidet. Sie wird daher auch gewöhnlich als solche verkauft, ist aber nicht so viel werth, weil sie sich mit den grünen Blättern der Selleripflanze begnügt und sich nicht die Mühe nach den Wurzeln giebt, wie die Canvas-Enten.

Als ich den Vögeln nahe genug war, legte ich meine Flinte vorsichtig durch das Buschwerk, und hatte die Freude, nachdem ich zweimal gefeuert, wohl zwanzig Enten todt auf dem Wasser schwimmen zu sehen. Als der Rest des Schwarmes emporflatterte, rauschte es wie leiser Donner in der Luft.

Ich sollte aber nicht dazu kommen, die Zahl meiner Beute genau zu ermitteln, denn gleich nach dem Schuß nahm ein anderer Gegenstand meine Aufmerksamkeit in Anspruch, der mich bald alle Canvas-Enten vergessen ließ. Schon vorher hatte das Benehmen meines hündischen Gefährten ab und zu meine Augen auf diesen gelenkt. Ich hatte gesehen, wie er sich am Stern des Bootes, wo er lag, zuweilen aufgerichtet, mit den Zähnen gefletscht, dann geschüttelt und wieder niedergelegt hatte. Die Enten hatten mich indessen zu sehr beschäftigt, um Betrachtungen daran zu knüpfen. Jetzt nach dem zweiten Schusse sahe ich mit einem Male, daß der Hund in der Mitte des Bootes, nur drei Schritte von mir entfernt, mit den Vorderpfoten auf einem Sitz stand und mich anstierte. Seine Augen hatten einen wilden Ausdruck, die Zunge hing ihm aus dem Halse und von seinen Kiefern floß Schaum.

Der Hund war toll. Ich sahe es deutlich, denn ich kannte die Anzeichen der Tollwuth sehr wohl, und mich überkam daher, wie man denken kann, kein gelinder Schreck. Wenn der Hund auf mich zusprang, war ich verloren. Tod – sicherer Tod war mein Loos, denn es wäre mir fast unmöglich gewesen, ihn, ohne verletzt zu werden, von mir abzuwehren. Instinktmäßig setzte ich mich indessen in Vertheidigungszustand, indem ich nach meiner Flinte faßte. Sie war aber abgeschossen. Sollte ich sie laden? Eine Bewegung des Hundes zeigte mir, daß dies gefährlich gewesen wäre, denn er war offenbar in seiner Tollheit von dem richtigen Instinkt ergriffen, daß ich im Stande war, ihn zu tödten. Deshalb war er bei dem Schuß aufgesprungen und bedrohte mich. Mir blieb daher nichts Anderes übrig, als mit dem festgefaßten Gewehr möglichst unbeweglich stehen zu bleiben, um ihn in dem Augenblick, wo der Hund auf mich zuspringen würde, niederschlagen zu können. Aber auch damit wäre eine große Gefahr für mich verbunden gewesen, denn das Boot war so klein und schlecht gebaut, daß ich nur mit Mühe stehend das Gleichgewicht in demselben erhielt. Bei einer heftigen Bewegung wäre es umgeschlagen, und da ich jetzt schon sehr weit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 599. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_599.jpg&oldid=- (Version vom 26.7.2023)