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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Völkchen noch erhalten hat. Man wird ordentlich gespannt, wie die Frauen und Mädchen, die hier leider fehlen, erst hüpfen und springen mögen, und vollends, wenn beide Geschlechter, wie daheim, im Tanz einander ergänzen. Aber an unserm Festabende wissen die Dzimken alles Fehlende zu ersetzen. Die Sprachtöne, die dann laut werden, tragen auch nicht wenig dazu bei, einen solchen Dzimkentanz zu beleben, und die etwas dünnen Töne der Violine zu schwellen. Es strömt uns aus diesen slavischen Schrei- und Lachlauten eine Fülle von Wohltönen, von Zierlichkeit, Liebreiz, Stattlichkeit und Hoheit entgegen, die uns entzücken. Die Consonanten, als die männlich kräftigen Elemente, werden in der Aussprache so geschnellt und den Vokalen so galant unterthänig gemacht, daß diese, als die weiblich zarteren Klänge, in aller Schönheit sich hervorthun dürfen, und ihre artigen Führer in jeder Bewegung beherrschen, so daß die Sprache der Dzimken selbst wieder zum Tanze wird, der den Tanz mit hörbarer Grazie begleitet. Kurz, man kann es, wenn man sich anders auf Beobachtung versteht, an diesen Tänzen der Natursöhne Polens recht wahrnehmen, wie liebenswürdig ein Volk oft auch noch in seinen letzten Ueberresten, wie das Volk als solches unter allen Umständen ist; wie alle Anmuth der Bildung, aller Liebreiz der Haltung und des Auftretens, alle Blüthen der Kultur im Volke selbst ihren Ursprung haben, wie verfeinert sie auch späterhin werden mögen, eine Verfeinerung, die dem tiefen Kenner oft gar nicht mehr genügt, weil er die Ueberfeinerung, das Anbrüchige darin schon wittert.

Es erfüllt den empfindsamen Königsberger immer mit einer gewissen Wehmuth, und mahnt ihn daran, daß der Spätsommer da ist, und die Störche in ferne Länder ziehen, wenn die ehrlichen Dzimken ihre Holzjurten des Wassers abbrechen. Schon haben sie das Dach abgetragen, traurig sehen uns die darunter stehenden Holzsparren an, ein Balken nach dem andern fällt, eine Latte löst sich nach der andern, jetzt nehmen sie auch den langen Prahm auseinander, und krabbeln nur noch über das Floß hin, bis auch dessen letztes Holzstück an’s Land gebracht wird. Ihr Schiffsführer macht auch dieses Holz noch zu Geld, entläßt seine Leute, und sie ziehen gruppenweise über Land in ihre Heimath, um in den langen Winterabenden, wenn die Violine klingt, den Ihrigen zu erzählen von den wunderbaren Dingen, die sie in Königsberg erfahren haben.




Blätter und Blüthen.

Damentoilette sonst und jetzt. Man hört jetzt viele Klagen im Heere der Achäer, d. h. der Männer über zeit- und geldraubende tägliche Aufschmückung ihrer Weiber und Töchter. Allerdings ist es in manchem Damenankleidezimmer arg genug heut zu Tage, zumal wenn die Bewohnerinnen zu den vornehmen Unglücklichen gehören, die sich dem leibhaftigen Teufel mit Leib und Seele verschrieben haben. Wer ist aber der leibhaftige Teufel? Glaubt man in diesen aufgeklärten Zeiten doch nicht einmal mehr an einen bösen Geist, geschweige an das nordische Phantom mit Schweif und Pferdefuß. Nur der leibhaftige Teufel ist, mit Respekt zu sagen, die Mode, die herrschende aus Frankreich mit kostbarem, geschmacklosem, entstellendem Firlefanz aller Art. Sie ruinirt den schönsten Körper, die blühendste, graziöseste Gestalt und treibt mit der Zeit alle vernünftigen Gedanken aus dem Kopfe, alle nobeln Gefühle aus dem Herzen. Sie zerbricht Herzensverhältnisse, die Kasse des Mannes, die Liebe der Liebenden, die Gemeinschaft zwischen Mann und Weib und knüpft wohl gar abgebrochene Stücke aus Haus, Herd und Herz um die Ecke herum in der Fremde draußen an zur – Schmuggelwirthschaft. Im Allgemeinen darf man aber jetzt zur Ehre des weiblichen Geschlechts annehmen, daß sie zu gebildet, zu geschmackvoll, zu einsichtig sind, als daß sie sich von Mode- und Putzsucht sollten in Sclaverei führen lassen. Ein glatt sitzendes Kleid mit etwas Unterbau und Faltenwurf, ein Kragen, ein weißer Hals, rothe Lippen, weiße Zähne, ein hübsches, freundliches Gesicht, ein Bischen viel Seilerarbeit und Korbflechterei auf dem Kopfe, eine natürliche, ungezwungene, graziöse Haltung, frisches Plaudern vom lieben Herzchen weg – das ist Alles, was eine Schönheit jetziger Tage braucht und anwendet, um eine gute Toilette zu Stande zu bringen. Die große ästhetische Wahrheit: „Je einfacher und naturgemäßer, desto schöner,“ bricht sich langsam, aber siegesgewiß Bahn, zumal wenn Männer und Mütter, Helden auf Freiersfüßen, Kleider- und Courmacher hübsch brechen helfen. Im Ganzen und im Vergleich zu frühern Zeiten dürfen wir uns, die wir Moos und Moneten für den Verschönerungstrieb unserer weiblichen Anhänge zusammenschwitzen müssen, schon jetzt glücklich preisen. Da ein großer Theil unseres Glückes im Vergleichen unserer an sich noch nicht ganz glücklichen Lage mit einer viel schlimmeren besteht, wollen wir Leser und Leserin einmal in das Boudoir einer römischen Dame zur Zeit der Poppäa und Agrippina (der römischen Kaiserzeit und des Verfalls) einführen.

Damals stand die Dame von Stande zwischen zehn bis zwölf Uhr Vormittags auf, um sich sofort in ein Bad zu begeben. Hier ließ sie sich von Sclavinnen waschen und mit Bimstein scheuern, bürsten und poliren. Von hier wurde sie in die Hände der Kosmeten (vom griechischen „Kosmos,“ Schönheit) waren im Besitze mancher Geheimnisse zur Verschönerung und Verjüngung der Haut und des Teints und Erhaltung der Gesundheit. Sobald sie das Bad verließ, wurde ihr Gesicht mit einem Kataplasma, mit einer Art Maske (von der Kaiserin Poppäa erfunden) überzogen, die sie blos abnahm, wenn sie ausfuhr und Besuche machen wollte, so daß Mann und Kinder sie selten von Angesicht zu Angesicht zu sehen bekamen. Sie wollte nicht für die Leute zu Hause schön sein, sondern für die Welt draußen, um ihr Bewunderung und Huldigung, Vorzug vor andern Schönheiten abzunöthigen. Wenn sie Abends nach Hause fuhr, wurde die Maske wieder vorgesteckt und nicht selten des Nachts behalten, so daß der Mann oder die Mutter an ihrer Tochter nur eine Maske küßte. Früh entfernte zunächst eine Sclavin das „Schild der Schönheit,“ um das Gesicht der Gebieterin mit Eselsmilch zu reiben; dann kam (nach Plinius)gewöhnlich eine andere Sclavin, um das vereselte Gesicht durch Reiben mit Asche verbrannter Schnecken oder Ameisen zu verschönern, manchmal auch mit Honig, in welchem die Bienen geschmort worden waren, mit Hühnerfett und Zwiebeln und zuletzt Schwanenfett, dem man das Kunststück zuschrieb, Runzeln zu entfernen. Die nächste Sorge war nun, etwaige rothe Flecke durch Reiben mit Rosenöl wegzuradiren, Sommersprossen u. s. w. durch ein Stück in Corsicaöl getauchtes Schaffell. Jetzt kam der dritte Akt. Eine neue Sclavin tritt auf mit einer Pincette in der Hand, die feinsten, noch zu entdeckenden Härchen aus dem Gesichte zu zupfen und der Herrin die Zähne zu putzen, erst mit Wasser, dann mit gestoßenem Bimstein oder Marmor (wie noch jetzt in Rom). Eine andere Sclavin mußte ihr die Zähne mit Stachelschweinborsten stochern. Dieser Operation folgte von noch andern Sclavinnen das Anstreichen der Brauen und Lider und des Haupthaares (wozu gern griechische Sclavinnen zum Blondfärben gebraucht wurden). Wenn diese nicht ächt zu bekommen waren, mußten sich Einheimische griechisch umtaufen lassen. Darauf kam das Anstreichen der Lippen, die vorher mit der Asche verbrannter Mäuse gerieben worden waren, gemischt mit Fenchelwurzel. Nach dem Ankleiden schritt die Lieblingssclavin hervor, versteckt hinter einem großen Spiegel von polirtem Silber oder Gold, um der Herrin Gelegenheit zu geben, die Resultate dieser Mißhandlungen zu bewundern und zu prüfen. Der Spiegel war rund, mit kostbaren Steinen eingefaßt und mit einem Perlmuttergriff versehen. Mehrere dieser Spiegel fand man noch gut erhalten in den aufgegrabenen Ruinen von Herculanum und Pompeji.

Nach Plinius waren Spiegel von polirtem Silber schon so gemein, daß man sie nur noch in Ankleidezimmern der Sclavinnen fand. Jede Dame vom Stande mußte eine spiegelglatte Goldfläche haben, um sich darin zu bewundern. Manche dieser Spiegel waren so groß, daß die Dame ihre ganze verputzte und verschmierte Unnatur darin bewundern konnte. Nach Seneca waren diese Spiegel gleichwohl so kostbar, daß der Preis für einen einzigen die Summe überschritt, welche einst der Senat von Staatswegen der Tochter des berühmten Scipio als Ausstattung und Mitgift vermachte. Man kann sich denken, wie die römischen Männer auf diese Weise durch ihre Weiber und die Mode gestachelt wurden, die ganze Welt zu erobern und auszuplündern, nichts gelten zu lassen, als Raub, der Geld brachte, Moral, Ehre, Natur und Anstand mit Füßen zu treten und so sich und den ganzen einst glorreichen Staat bis auf viele Jahrhunderte zu ruiniren, denn es ließe sich leicht nachweisen, daß Italien in seinem jetzigen Elende unter Fremdherrschaft und der Sclaverei seiner eigenen Verkommenheit noch an den Sünden jener Zeit leidet, die sich von Geschlecht zu Geschlecht wie eine ewige Krankheit forterbten und der unnatürlichen Tyrannei über Leib und Seelen Stätte bereiteten. Daran hatte die ehemalige Toilette römischer Damen Mitschuld und Mitgift, wie überhaupt das weibliche Geschlecht ohne alle politische Rechte in der Geschichte viel wichtiger ist, als sich Geschichtsprofessoren träumen lassen.


Unterricht in der musikalischen Composition

wird von Unterzeichnetem nach seiner schnell fördernden Methode fortwährend ertheilt. Jeder Schüler erhält einzeln Unterricht, und der Eintritt kann zu jeder beliebigen Zeit stattfinden.

Leipzig, im Oktober 1855.

J. C. Lobe, Professor. 
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_590.jpg&oldid=- (Version vom 24.7.2023)