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verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Der stolze Lord sinkt in den Sand,
Entblößt den Leib mit eig’ner Hand,
Befiehlet selbst der Diener Schwarm,
Nach ihm zu heben ihren Arm,
Zu treffen ihn mit Streich auf Streich,
Bis daß sich Murdoch’s Sinn erweich’,
Bis daß sich seine Rache stillt,
und er der Fleh’nden Bitt’ erfüllt! –

Erst als das Blut hernieder floß
Vom Lord, und purpurn sich ergoß
In Ufers Kies, rief Murdoch: „Halt!“
Versteint fast schien er an Gestalt. –
Sein einst’ger Herr, nun Herr nicht mehr, –
Denn solche Straf’ entherrlicht sehr –
Demüthig flehend hebt den Blick –
Daß er nun geb’ das Kind zurück. -

Doch Murdoch spricht mit eis’gem Hohn:
„„Du wähnst – so kämest Du davon?
Erniedrigt bist Du jetzt gleich mir –
Der Leib zerpeitscht von Knechten Dir –
Magst Du’s, so lebe Du fortan! –
Ich mag es nicht – will sterben dran!

„„Doch daß dies Volk es nie vergißt,
Dies Volk, das eins der besten ist:
Daß ungestraft den wahren Mann
Kein Wüthrich je beschimpfen kann –
Daß – wer nur ist von Herzen frei –
Zu strafen selbst weiß Tyrannei –
Weih’ mit dem Kind dem Tod ich mich!““
Er spricht’s – stürzt in die Brandung sich. –

Ein Wahnsinns-, ein Verzweiflungsschrei
Aus Aelternmund - umsonst – vorbei
Ist Alles. Ruhig wogt das Meer,
Als ob hier nichts geschehen wär’. –
Des Vaters Herz in Reue brach;
Die Gattin folgte bald ihm nach.
So sank der Stamm Mac-Lean’s in’s Grab,
Das Schloß selbst rollt in’s Thal hinab.
Jedoch Erinnerung blieb, sie zeigt dem Wand’rer noch die Stelle –
Wo Rache nahm der freie Schott’; Murdoch von Scalladale! –


Sprache und Musik in der Natur.

Erster Artikel.

Wochen und Monate lang war das Schiff des tapfern Seehelden Almeida auf den Wassern umher geirrt. Endlich, während einer finstern, stürmischen Nacht roch man Land. Die würzigen Dufte wehten mit dem Sturme über das Schiff und stärkten und erquickten die schon verzagten Mannschaften. Sie flehten zu ihren Heiligen und glaubten erhört zu sein, als sich mit Tagesanbruch die Wogen besänftigten und der aufgeklärte Himmel am fernen Horizonte Land aufsteigen ließ. Endlich sah man Berge und Wälder und Rauchwolken, entzückende Bilder, von deren Zauber sich nur der Seemann, nachdem er Monate lang nichts als Himmel und Wasser gesehen, einen Begriff machen kann. Aber diesmal war noch manche Gefahr zu überwinden, ehe die Portugiesen Almeida’s festen Boden unter ihre Füße bringen konnten. Das Land schien gegen Landung befestigt. Steile, mürrische Berge erhoben sich an der ganzen Küste entlang, drohend gegen das nahende Schiff, so daß es beim neuen Anbruche der Nacht noch keinen Hafen gefunden und die See wieder suchen mußte, um sich von der Gefahr des Scheiterns zu entfernen. Aber welche seltsame, grauenhafte Musik erscholl hinter ihnen her? Jetzt schwoll sie aus der Tiefe in ihrer Nähe, dann krächzten und kreischten wie Hohngelächter der Hölle die schrecklichsten Mißtöne aus der Ferne. Jetzt lachte, dann weinte es. Das Jammern und Wimmern platzte mit einem Male in ein furchtbares Zetergeschrei sich balgender Menschen aus mit Mordgebrüll und sterbenden Hülferufen dazwischen, die zuletzt allein übrig blieben und einzeln verschollen, als seien die Gemordeten nun alle todt. Die wetter-harten Gesichter der abergläubischen Matrosen erbleichten. Sie fielen auf ihre Knieen und beteten und kreuzten sich und flehten inbrünstig zu Gott und allen Heiligen, sie oder wenigstens ihre Seelen aus dem Rachen des brüllenden Satan zu retten.

Durch diese abergläubische Portugiesen kamen die ersten Nachrichten von der seitdem so mystisch berühmt gewordenen „Teufelsstimme“ auf der Insel Ceylon nach Europa. Ihre Schilderung lautete, wie wir sie eben theilweise angegeben. Die Eingebornen selbst schrieben die schrecklichen Töne dem leibhaftigen Teufel zu. Andere stellten die Vermuthung auf, der „Geist der Natur,“ der im Innern der Erde logire, lasse sich auf diese Weise zuweilen hören. Spätere Erklärer nahmen die ungeheuern Bergesklüfte und engen Höhlen, die das Meer in die Felsen geleckt, zu Hülfe. Der Wind pfeife hindurch und erschüttere die Felsen oder mache die Luft auf dieselbe Weise tönend, wie eine Orgel. Mit Uebergehung weiterer Hypothesen bemerken wir nur, daß diese fürchterliche Musik auf Ceylon, eine Fuge von Hundegebell, Menschenstimmen, Gelächter, Gebalge und Geschrei, von Heulen und Zähneklappern der Hölle, einem Vogel: „Teufelsvogel“ oder „Ulama“ zugeschrieben wird. Vielleicht macht der Teufelsvogel nur als Primadonna die nöthige Vocalmusik zu dem Naturorchester von Windharfen und Felsenorgeln. Man sagt wohl: „der Vogel singt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist,“ obgleich just keiner so singt. Jeder Vogel ist eine Art Künstler, er singt, wie er’s gelernt hat von seinen Herren Aeltern oder als Waise von seinen Erziehern, von seinen Gespielen. Das weiß man nirgends besser, als in der Vogelsingakademie zu Ruhla in Thüringen, wo Kanarienvögel u. s. w. ausgebildet werden, die im Preise um Hunderte von Procenten abweichen, je nachdem sie von Finken, Lerchen oder Nachtigallen erzogen und ihr Gesangstalent entwickelt haben. Ueberhaupt haben die kultivirten, europäischen Kanarienvögel kein einziges Naturlied mehr mit ihren wilden Angehörigen auf den Kanarien-Inseln gemein.

Der Engländer Daines Barrington schickte einen Sperling bei einem Hänfling in die Schule, bis er eben so sang, wie sein Schulmeister. Ich habe einen Specialfreund im Hause, einen „Kocki“, wie er zärtlich genannt wird statt Kakadu, seit funfzehn Jahren einziges Kind einer von Australien eingewanderten Familie, der keinen einzigen Ton mehr singt, niemals krächzt und schreit, sondern mit seiner heisern Kinderstimme den ganzen Tag Englisch spricht und zwar so deutlich, daß man ihm jedes Wort versichert kann. Er bekümmert sich um Alles und hat in jede häusliche Angelegenheit mit hinein zu reden. Merkwürdiger Weise frühstückt er den ganzen Tag, und hat es noch nicht so weit gebracht, die verschiedenen Mahlzeiten zu unterscheiden. Noch Abends um elf Uhr, wenn Herr und Frau ihr Souper genießen, ruft er: „I want a bit of breakfast“ (Ich bitte um’n Bischen Frühstück). Mich erkennt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1855, Seite 584. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_584.jpg&oldid=- (Version vom 24.7.2023)