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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

machen, welch’ eine unerhörte Aufmerksamkeit und Blitzgewandtheit des Bläsers dazu gehört, seinen Ton bald lang, bald kurz, bald schnell hintereinander, bald nach langem Pausiren erst, stets im strengsten Takt und Tempo und stets an der rechten Stelle des Taktes, d. h. bald am Anfang, bald in der Mitte, bald am Ende desselben, im Fluge zu erhaschen und auch gleich auf’s allerpräciseste zum Erklingen zu bringen! Und durch welches Mittel wird dieses Ideal von Zusammenspiel erreicht? Beim Einüben, wird erzählt, steht hinter jedem Mann ein anderer schon geschulter Russe mit der – Knute. Kommt des Lehrlings Ton, und er läßt ihn vorbeischlüpfen, oder faßt ihn nicht auf’s Bestimmteste, so erhält er einen Hieb, und diesen stets aus derselben Tonart, aus dem ff!

Takt, Accent und Tempo nennt man mit einem Allgemeinnamen Rhythmus (Eintheilung des Hörbaren in geordnete Verhältnisse).

Wir werden dazu durch einen uns angebornen, oder, wie ein gewisser Herr Professor will, angewöhnten Ordnungssinn getrieben. Das Ordnungslose, wo es uns entgegentritt, im Geistigen wie im Materiellen, im Räumlichen wie im Zeitlichen, mißfällt uns.

Wenn Sie bei einem Walzer ein Paar bemerken, das Takt und Tempo regelmäßig zu befolgen nicht Sinn oder Geschick hat, bald mit seiner Drehung eher, bald später als der Takt fertig wird, wenn es aus dem regelmäßigen Kreis der Tänzer herausquirlt und irrlichterirt, so lachen Sie darüber, wenn Sie ein Humorist, oder ärgern sich darüber, wenn Sie ein Griesgram sind. Auf jeden Fall nennen Sie diese Tanzweise eine ungeschickte und denken: die sollten das Tanzen hübsch bleiben lassen.

Hört man Virtuosen oder Sänger spielen oder singen, wie jenes ungeschickte Paar tanzt – „Nun, das wird doch ein Künstler nicht thun,“ fallen Sie ein.

Merken Sie nur auf, in Concerten u. s. w.

Das Lächerliche ist, daß diese abgeschmackte Vortragsweise von Manchem für eine ganz besonders kunstwürdige gehalten wird!

Die Natur eines Affekts kann nämlich wohl einmal ein Tempo rubato (geraubtes Zeitmaß) rechtfertigen, weil dadurch die Wahrheit des Ausdrucks gesteigert wird. Die nun eine solche Wirkung bemerken, aber ihren Grund nicht begriffen haben, denken, je öfter und auffallender das geschähe, desto gefühlvoller müsse der Vortrag werden. Die Laien in der Musik mögen applaudiren! Von den Kennern, wozu nun in diesem Punkte schon alle Leser der Gartenlaube gehören, werden diese Ueberkünstler ausgelacht.




Küchen-Chemie.

Von Dr. H. Hirzel.




Kochgeschirre.

Die Nahrungsmittel, welche die Natur den Menschen theils aus dem Pflanzenreiche, theils aus dem Thierreiche darbietet, werden von denselben, wenigstens von den Bewohnern der civilisirten Länder nur in einzelnen Fällen roh genossen. Sie werden gedämpft, gesotten, geröstet, gebraten, gebacken, überhaupt auf die verschiedenste Weise zubereitet und dann Speisen genannt. Die Bereitung der Speisen geschieht allerdings oft mit dem richtigen Vorgefühle, etwas der Gesundheit Zuträglicheres, das heißt, Verdaulicheres und Nahrhafteres darzustellen; doch mindestens ebenso häufig allein und in der Absicht, die rohen Nahrungsmittel wohlschmeckender zu machen und ihnen durch Zusatz von Gewürzen, einen den Appetit reizenden Geruch mitzutheilen. Vielleicht bietet sich später einmal die Gelegenheit dar, zu zeigen, daß:

Wenn man nur kocht, was dem Gaumen schmeckt,
Den Tisch nur mit Delicatessen deckt,
Man dem Magen seine Ruhe nimmt,
Den Körper um die Gesundheit bringt.

Heute wollen wir aber ganz bescheiden am Eingange zum Heiligthum der Hausfrauen, „der Küche," stehen bleiben, einen Blick auf das in der Küche befindliche Kochgeschirr werfen und prüfen, aus was für einem Material dasselbe besteht.

Wenn das Kochgeschirr, in welchem die Speisen zubereitet oder aufbewahrt werden, der Gesundheit schädliche Bestandtheile enthält, welche sich in den Speisen auflösen oder mit denselben vermischen, so sind nur Spuren solcher giftiger Substanzen, die aber täglich mit der Speise in den Körper gelangen, hinreichend, der Gesundheit nachtheilige Wirkungen auszuüben, ja selbst solche Störungen (sogenannte Vergiftungen) zu verursachen, die den Tod oder wenigstens langwierige ernste Krankheiten zur Folge haben. In vielen Ländern bestehen daher eigene Gesetze, welche die Geschirre vorschreiben, deren man sich zum Kochen bedienen kann, und diejenigen verbieten, welche aus giftigen Materialien bestehen; doch werden diese Gesetze meistens nicht genügend beachtet und nicht streng genug überwacht, was um so unverzeihlicher ist, da das Wohl so vieler Menschen durch schlechtes Geschirr gefährdet werden kann.

Der Blick in eine Küche belehrt uns, daß die zum Kochen oder Aufbewahren der Speisen dienenden Geräthschaften, hauptsächlich Kupfer-, Eisen- und Töpfergeschirre sind, und wir wollen nun prüfen, welche Vortheile oder Nachtheile dieselben besitzen.

a. Kupfergeschirr.

Das Kupfer, dieses allgemein bekannte, durch seine eigenthümlich rothe Farbe leicht erkennbare Metall, besitzt die in diesem Falle wichtige Eigenschaft, beim Liegen an der Luft und besonders bei Berührung mit sauren, schleimigen oder fetten Substanzen matt zu werden und sich mit einem grünen Häutchen zu bedecken. Dieses grüne Häutchen, im alltäglichen Leben Grünspan genannt, besteht aus wasserhaltigem kohlensaurem Kupferoxyd, und bildet sich, indem das Kupfer Sauerstoff, Wasser und Kohlensäure aus der Luft anzieht. Es löst sich sehr leicht in allen Speisen auf und theilt denselben giftige Wirkungen mit. Die Kochgeschirre von Kupfer empfehlen sich allerdings durch ihre Solidität, sind auch schon seit uralten Zeiten gebräuchlich und waren noch zu Anfang dieses Jahrhunderts der Stolz der Hausfrauen, indem sie als die Zierde einer Küche betrachtet wurden. Sie sind aber, wie aus Obigem hervorgeht, sehr gefährlich und geben stets, selbst wenn sie vorher ganz blank gescheuert worden, etwas Kupfer an die Speisen ab. Werden nun täglich solche Speisen genossen, so sammelt sich das Kupfer in immer größerer Menge in dem Körper an, und wenn auch anfangs keine üblen Folgen verspürt wurden, so macht doch dieses giftige Metall mit der Zeit seine Wirkung geltend und stört zunächst die Vorgänge der Verdauung; dann kommen aber plötzlich heftige Krankheitserscheinungen zum Vorschein, die meistens den Tod herbeiführen oder wenigstens nur in einzelnen Fällen ganz beseitigt werden können. Diese Erscheinungen sind zunächst: heftiger anhaltender Kopfschmerz, Appetitlosigkeit, Neigung zum Brechen; sie steigern sich, und es treten immer heftiger werdende Magen- und Leibschmerzen, stetes Uebelbefinden, Erbrechen, Krämpfe und fieberhafter Zustand auf. Das Gesicht wird fahl, der Körper magert zusehends ab, und erst im elendesten Zustande befreit der Tod sein unglückliches Opfer von den großen Leiden der Kupfervergiftung. Wohl hat man empfohlen und gebeten, alles zum Hausgebrauche bestimmte Kupfergeräthe mit einer dünnen Lage von reinem Zinn zu bedecken (zu verzinnen), und es läßt sich nicht läugnen, daß selbst sehr saure und fette Speisen in gut verzinntem Kupfergeschirr gekocht werden können, ohne nur eine Spur von Kupfer aufzulösen; allein oftmals ist die Verzinnung nicht vollständig, besonders bei alten Kupferpfannen, die viele Beulen haben; auch nutzt sich dieselbe sehr schnell ab, wird dann gewöhnlich nicht gleich oder gar nicht wieder erneuert, und so sind die erwähnten Uebelstände immer nicht dadurch gehoben. Das Kupfergeschirr ist zwar in der neueren Zeit aus vielen Küchen ganz verschwunden; doch fehlt es namentlich auf dem Lande und in kleineren Städten, von welchen wir viele nahmhaft machen könnten, nur in wenigen Küchen, und wir finden in diesen besonders größere, gewöhnlich geerbte Kessel von Kupfer, an deren innerer Fläche meist nur Spuren von Zinn,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 546. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_546.jpg&oldid=- (Version vom 17.7.2023)