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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

am Berge empor. Erst zwischen Fruchtbäumen und Weinberg, und dann unter immer höher werdende Waldbäume hinein. Welche Vegetation in diesem gesegneten Parke!

Alle die Herrlichkeit des südlichen Europa mit dem ernsten Reize des nordischen Waldes gemischt. Die Clematis klimmt an der Buche, der Feigenbaum breitet seine breiten grünen Blätter zwischen das starre, edle Laub der nordischen Eiche und an der Mauer der Villa Serbelloni selbst begrüßt der Wanderer zuerst mit freudigem Ausrufe die wahrhaftigsten Verkünder südlichen Klimas: gewaltige Agavenpflanzen, die, zu einer Hecke gezogen, den obern Hof der Villa von dem Wege trennen. Welch ernster, stolzer Trotz ist im Charakter dieser gewaltigen Pflanzen mit den strengen Linien ihrer unbeugsamen Blätter, die sich kaum im Sturm bewegen und in dem saftigen Blaugrün derselben, das wie ein Widerschein des südlichen Himmels auf dem Grün der Blätter, das wir gewohnt sind, schimmert.

Die Villa selbst ist ein unbedeutendes Gebäude; fast zu anspruchslos für unsern nordischen Geschmack gebaut und gehalten. Die Jalousien sind verwittert und ausgebrochen, Bewurf ist von den Wänden gefallen, Moos nistet im Verein mit Blüthenpflanzen auf den Mauervorsprüngen. Und doch residirt der Besitzer, der Principe Serbelloni, österreichischer Feldmarschalllieutenant, jährlich einige Wochen hier. Wie reich oder wie arm muß der Mann sein, der hier nur einige Wochen zubringen kann! – Die Stelle, welche die Villa mit ihrem Parke einnimmt, ist vielleicht die schönste am Comer-See und übertrifft an Gunst der Lage die der anderen Villen, Melzi, Sammariva etc. ebenso sehr, wie sie von diesen an Schönheit der Baulichkeiten und an Unterhaltung des Parkes übertroffen wird. Der Park bedeckt nämlich die schönste Höhe der Spitze, an der die drei langen Seen, welche vereint den Comer-See bilden, zusammenstoßen, und indem man sich um sich selbst dreht, kann man die herrliche Perspektive dieser wundervollen Wasserfläche überschauen.

Mit hohem Geschmack und Glück sind die Durchblicke construirt, die man von den Ruhepunkten des Weges hat. Einen derselben, auf halber Höhe, überschattet eine Clematis seltener Dimension, die an der darunter gelegenen Felsgrotte wurzelt. Ihre schwankenden, leichtbefiederten Ranken geben dem Bilde der Aussicht einen feinen und zierlichen Rahmen. In dem dahinter liegenden Wasserbecken schießen in üppiger Fülle Feuchtigkeit liebende Pflanzen, hohes Rohr und zur Sommerzeit breitblättrige Pathosgewächse und Phormien auf. Nordische, gewaltige Waldstämme mit Pinien und Maronenbäumen gemischt, strecken ihre zackigen oder saftgebogenen, dunkel oder goldgrün befiederten Aeste in den warmen Himmel empor und oftmals, wenn ich bei der tiefsten Stille des Sommernachmittags den leichten Windhauch über den Wald daherkommen hörte, und das melodische und vertraute Brausen in den Tannenwipfeln von dem hellern, fast klappernden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 479. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_479.jpg&oldid=- (Version vom 7.7.2023)