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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

innere Schädlichkeiten (Reize), daß sie nur in äußerst wenig Fällen genau zu ermitteln sind, zumal da dieselben ihre Wirkung zunächst ebensowohl auf die Haargefäßwände und ihre Umgebung, wie auf die Nerven und das Blut der Capillaren äußerte können. Kurz, es ist zur Zeit noch unmöglich, die Vorgänge beim Entstehen einer Entzündung genau anzugeben. Dagegen lassen sich die Erscheinungen bei entwickelter Entzündung und Ausschwitzung sehr deutlich wahrnehmen und besonders durch das Mikroscop verfolgen.

Die Kennzeichen einer Entzündung, welche natürlich nur an entzündeten äußeren Theilen wahrgenommen werden können, sind kurz gefaßt: Röthe, Geschwulst, Hitze, Schmerz und Funktionsstörungen; jedoch ist von diesen Symptomen bald das eine bald das andere in höherem oder niederem Grade vorhanden, und sie verschwinden in der Regel um so mehr, je deutlicher die Ausschwitzung mit ihren Veränderungen hervortritt. – Die Röthe entzündeter Stellen hängt von der Menge der Haargefäße und des in diesen angehäuften Blutes ab; sie ist bald hell, bald dunkel, gleichmäßig ausgebreitet oder baum- und netzförmig; sie weicht in Folge der Ausschwitzung und macht dann gewöhnlich einer weißlichen Färbung Platz. – Die entzündliche Geschwulst richtet sich nach der Quantität des in den Gefäßen angehäuften Blutes und des Ausgeschwitzten; sie ist bald weich, bald hart, je nachdem das Exsudat ein flüssiges oder ein geronnenes ist. – Die Hitze bei Entzündungen, welche ebensowohl der Kranke wie auch die aufgelegte Hand eines Andern fühlt, ist vom Blute abhängig und übersteigt zu Anfange die natürliche Wärme um einige Grade. – Die Schmerzen und widernatürlichen Empfindungen (Schwere, Vollsein, Brennen u. s. w.), welche in entzündeten Theilen wahrgenommen werden, sind Folgen der Reizung der Empfindungsnerven dieser Theile, und nach der Menge und Reizbarkeit dieser Nerven, sowie nach dem Grade der Reizung derselben von verschiedener Heftigkeit. Sehr oft verschwindet der Schmerz in entzündeten Theilen ganz plötzlich von selbst in Folge der Ausschwitzung, und giebt so zu dem Glauben Veranlassung, als ob er durch die angewendeten Mittel vertrieben worden wäre und als ob die Entzündung verschwunden sei, obschon das Exsudat doch noch vorhanden und die Krankheit noch lange nicht beendigt ist. – Die Störung der Thätigkeit des entzündeten Organes kann nach der Ausdehnung und dem Grade der Entzündung eine mehr oder weniger bedeutende sein, ja sie ist nicht selten ganz aufgehoben. Ebenso erleidet stets die Ernährung, sowie öfters auch die Form und Größe des entzündeten Theiles Abänderungen. – Noch trifft man ferner bei Entzündungen stärkere oder schwächere Blutungen, die durch Zerreißung einzelner oder vieler, von Blut strotzender Haargefäße veranlaßt wurden. – Werden zahlreiche Empfindungsnerven durch die Entzündung heftiger gereizt, dann bedingt diese Reizung mittels Ueberstrahlung (Reflex) auf die Herznerven eine Beschleunigung der Herzthätigkeit (häufigern Pulsschlag) und Fieber. Je reizbarer ein Mensch ist, desto leichter gesellt sich bei demselben zu Entzündungen Fieber. – Das sichere Erkennen von Entzündungen innerer, dem Auge unzugänglicher Organe ist für den Arzt in vielen Fällen ganz unmöglich, in andern dagegen nicht durch die äußeren Krankheitserscheinungen, sondern nur durch innere, mit Hülfe der physicalischen Untersuchungsmethode (besonders durch Beklopfen und Behorchen) zu ergründender physicalischer Veränderungen des entzündeten Organes zu ermöglichen. Deshalb sind auch die Homöopathen in den allermeisten Fällen von Entzündungen nicht im Stande, die nöthige Rechenschaft über den Stand der Krankheit zu geben.

Die Heilung von Entzündungen, zumal die innerer Organe, wird in den meisten Fällen von der Natur ganz allein besorgt (weshalb die Homöopathen mit ihren Nichtsen auch Entzündungen zu kuriren scheinen), und zwar theils dadurch, daß das in den erweiterten Haargefäßen angehäufte und stockende Blut allmälig wieder flott wird, theils durch Aufsaugung oder Ausführen des Ausgeschwitzten aus dem Körper. Freilich können auch die ausgeschwitzten Materien im entzündeten Theile zurückbleiben und sich, wie ein späterer Aufsatz lehren wird, auf verschiedene Weise umändern, so daß dann Zustände veranlaßt werden (wie Vereiterung, Verschwärung, Verhärtung u. s. w.), die man als Folgen der Entzündung (Nachkrankheiten) bezeichnet und die gar nicht selten ebensowohl von sehr großem Vortheile wie Nachtheile für den Körper sind. – Aber auch von Seiten des Arztes kann bei Entzündungen, zumal bei denen äußerer und innerer zugänglicher Theile, gar nicht selten ein sehr heilsamer Einfluß ausgeübt werden, indem dieser die mit Blut übermäßig erfüllten und erweiterten Haargefäße zur Entleerung und Verengerung zwingt. Die Mittel, welche er hierbei anwendet, sind nach der Dauer und dem Sitze der Entzündung zu verschiedene, als daß sie hier im Allgemeinen besprochen werden könnten. Der homöopathische Arzt schadet bei Entzündungen gar nicht selten dadurch, daß er seine ganz unwirksamen Arzneimittel anstatt dieser offenbar wirksamen allopathischen in Gebrauch zieht (von denen später, bei den Entzündungen der einzelnen Organe, die Rede sein soll). – Eine ganz andere Behandlung ist übrigens bei Entzündungen dann einzuschlagen, wenn die Ausschwitzung zu Stande kam und damit in der Regel die Blutüberfüllung in den Haargefäßen verschwand. Jetzt handelt es sich nicht mehr, wie vorher, um die Entfernung des widernatürlich angehäuften Blutes, sondern um das Wegschaffen oder Unschädlichmachen des Ausgeschwitzten (s. später).

(Bock.)




James Harrod.

Ein Ansiedlerleben.

Harrod, der Gründer von Harrodsburg in Kentucky, war einer von jenen Menschen, die in die Welt eintreten, wie ungefähr ein Eichenbaum eintritt; niemand sieht ober hört ihn wachsen oder weiß etwas Besonderes von seinem Dasein, bis die Leute plötzlich aufschauen und sich von seinen Zweigen beschattet und von den Nüssen genährt sehen, die er freigebig auf ihre Köpfe regnen läßt.

Er war groß, kräftig, bescheiden und einfach; er hatte kein anderes Buch gelesen, als das der Natur, kannte keine Kunst als die Waidmannskunst, haßte nichts auf Erden, außer den Indianer und den Iltis und sagte immer nur: „Vorwärts, Jungen!“ Seine Rifle war die längste, die schwerste und zuverlässigste; sein ruhiges, offenes Auge versäumte nie, das ferne Wild zu erspähen, den Blicken des Todfeindes zu begegnen oder dem Freunde Wahrheit zuzulächeln. Sein Arm war eben so unwiderstehlich wie seine Zunge langsam und bedächtig war. Wie kann man einen Helden aus einem so rohen Block wie diesen machen? Die Entstehung ging uns nichts an – Gott machte ihn zum Helden, wenn er einer war.

Damals mußte jeder Zoll Erde den Indianern abgekämpft werden, die listig und schlau oft ein furchtbares Blutbad unter den jungen Ansiedlern anrichteten. Harrod war einer ihrer furchtbarsten Gegner.

Die ungeschriebene Chronik jener Zeit erzählt manche rührende Geschichte von den Thaten dieses jungen Jägers; seine Geschicklichkeit und Gewandtheit auf dem Kriegspfade, seine Wachsamkeit, seine wunderbare Kraft der Ausdauer machten ihn bald zur Hauptstütze der schwachen und zerstreuten Ansiedelungen, die damals im Namen Gottes und der Civilisation den Besitz dieses weiten Landes zu behaupten wagten, das seiner Ueppigkeit und Schönheit wegen viele Jahrhunderte lang der goldene Streitapfel zwischen mächtigen wilden Stämmen auf der Nord- und Südseite gewesen war. Sein Muth und seine einfachen, schlichten Gewohnheiten, seine frische, kräftige Leibesbeschaffenheit, sein stattlicher, mit ungewöhnlicher, natürlicher Kraft ausgestatteter Körper gaben ihm überall ein gewisses Uebergewicht.

Seine Thätigkeit war so unermüdlich, sein Selbstvertrauen so kaltblütig, daß er selbst für seine längsten und gefährlichsten Unternehmungen nie auf Gefährten wartete. Er war oft Wochen und selbst Monate lang verschwunden, ohne daß irgend Jemand wußte, wohin oder zu welchem Zwecke er sich entfernt hatte, und man hörte erst wieder von ihm, wenn er dann plötzlich wieder zum Vorschein kam, um die Ansiedelungen vor der Annäherung einer Kriegsschaar der Indianer zu warnen. Während dieser langen Ausflüge war seine Betriebsamkeit unermüdlich; alles Wild, das er erbeuten konnte, wurde gedörrt und nach dem Brauche der Indianer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 473. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_473.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)