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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

VII.

Das Boot Piet’s lag fest an der Stelle, wo er es angekettet. Er selbst saß darin und warf besorgte Blicke nach der Stadt. Ein vollgepackter Schließkorb stand im Boote, den Elsje’s jüngste Schwester gebracht und ein warmer, alter Friesrock für de Groot, vom Gärtner gesendet. Piet war ebenfalls warm gekleidet und hatte den Südwester in die Stirne und den Nacken gedrückt. Der Mast stand aufrecht, aber das Segel war noch gerefft.

Der Abend sank mehr und mehr herab. Der Wind hatte noch seine volle Stärke und Richtung beibehalten.

„Es ist ein Wagniß, jetzt das Segel zu entreffen,“ sagte Piet zu sich; „aber ich kenne jede handbreit Wassers und um neun Uhr geht der Vollmond auf. Es einzureffen ist immer noch Zeit. Einstweilen entfalt’ ich’s. Dann geht’s rasch dahin. Käme er nur! Es wird doch nichts vorgefallen sein?“ – In diesem Augenblick sah er zwei Männer auf das Boot zukommen. Einer sprang hinein. Der andere wandte sich.

„Gott geleite Euch!“ rief er in’s Boot, und ging, indem er das Maurergeräthe ergriff.

„De Groot?“ fragte halblaut Piet.

„Ja! Fort, in Gottes Namen!“ erwiederte der andere, und in demselben Augenblicke war das Boot in der Fluth, das Segel gefüllt und es flog schnell wie ein Möve über die hochgehende Fluth. Gorkum verschwand.

Löwenstein erschien, und oben im einsamen Stüblein sah man den Schein der Lampe, bei dem der Commandant sagte: „Nun hat er neue Nahrung und studirt wieder die halbe Nacht!“

Der Soldat setzte den Thee im Vorzimmer auf den Tisch de Groot’s, klopfte, wie er es gewohnt war, leise an die Thüre und entfernte sich, indem er die Vorderthüre mit lautem Geräusche schloß.

Während sich das in Löwenstein zutrug und das Boot wie ein Pfeil dahin schoß, immer weiter hinaus aus dem Bereiche der Gefahr, lagen dort im Gärtnerhause und droben auf Löwenstein zwei Frauen auf ihren Knien und beteten für ein glückliches Gelingen.

Die Nacht verging der edlen Frau Maria de Groot in der Zelle ihres Gatten schlaflos. Erst am Morgen sank sie in einen tiefen Schlaf, aus dem sie der Soldat, der das Frühstück brachte, weckte.

(Schluß folgt.)




Album der Poesien.
Joseph Freiherr von Eichendorff.

Von den Engeln und Störchen.

Im Frühling auf grünem Hügel
Da saßen viel Engelein,
Die putzten sich ihre Flügel
Und spielten im Sonnenschein.

5
Da kamen Störche gezogen,

Und jeder sich eines nahm,
Und ist damit fortgeflogen,
Bis daß er zu Menschen kam.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_382.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2021)