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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Anapa.

Nicht minder wichtig als die Eroberung von Kertsch ist die Einnahme von Anapa durch die Tscherkessen. Die Russen haben auch diese Festung verlassen, ohne sich auf eine Vertheidigung einzulassen und jetzt steht die ganze asiatische Küste wieder der Zufuhr vom schwarzen Meere offen und die Kaukasier sind wie zuvor Herren derselben. Anapa, auf einem Vorsprung des Gebirges Kysilkaija gelegen, war die stärkste jener zahlreichen Küstenfestungen, durch welche Rußland bis vor Kurzem die Völker des Kaukasus vom schwarzen Meere abzusperren versuchte. Sie hat einen guten Hafen und unter seinen 8000 Einwohnern befinden sich viele reiche Kaufleute, die einen besonders wichtigen Handel mit den Bergvölkern treiben. Die dort mit vielen Kosten aufgebauten Kriegsmagazine sind wahrhaft großartig und werden, wenn die Russen nicht Zeit und Gelegenheit gehabt, die großen Vorräthe zu bergen, den Tscherkessen eine sehr willkommene Beute bringen.




Die Naturheilkraft.

Warum Krankheiten ohne und trotz Arzneien und Heilkünstler heilen.

Es ist eine Thatsache, daß kranke Menschen und Thiere wieder gesund werden ebensowohl wenn sie ganz ohne Arzneien bleiben, als auch bei Anwendung der verschiedenartigsten Heilmittel und Heilmethoden. Recht deutlich sieht man dies bei Behandlung derselben Krankheiten durch mittelsüchtige, blutdürstige Allopathen, sowie durch ächte Homöopathen, deren Heilmittel, wie bekannt, gleich Nichts sind. – Aechte Homöopathen, sagte ich, weil die meisten derselben zur Zeit unächte und schon von Hahnemann im Jahre 1832 Bastard-Homöopathen getauft worden sind, die da, wo sie mit ihrem Nichts nicht mehr auskommen können, zu solchen großen Gaben von allopathischen Mitteln (Opium, Jodkali, Chinin u. s. w.) greifen, wie die richtigen Allopathen. – Ebenso erlangen aber auch Kranke nicht selten ihre Gesundheit durch Sympathie und ganz unwirksame Geheimmittel wieder, ja diese geschieht sogar bei der schimpflichsten aller Heilmethoden, bei den Rademacherschen, wo dem Kranken immerfort und so lange Arzneimittel verschiedener Art eingegeben werden, bis er stirbt oder gesund wird. [Rademacher’s eigene Worte sind: „Ueberzeugt, daß die Natur der Krankheiten auf keine andere Weise, als durch Probemittel zu erkennen ist, mache ich keinen gelehrten Heilplan; ich denke nie, das gegebene Heilmittel wird und muß helfen, es kann auch vielleicht nicht helfen. Wenn sich aber das erste Probemittel nicht bewährt, so wird ein anderes genommen und so fort, bis die Krankheit sich löst oder besser wird.“]

Wie kommt es nun, daß Kranke ebensowohl bei keiner, wie bei der verschiedenartigsten Behandlung genesen? Dies hat seinen Grund in der Einrichtung unseres Körpers, vermöge welcher alle Veränderungen in der Ernährung und Beschaffenheit der flüssigen oder festen Körperbestandtheile (d. s. Krankheiten) solche Processe nach sich ziehen, durch welche jene Veränderungen entweder vollkommen, bald schneller bald langsamer, gehoben werden, oder in bleibende Entartungen übergehen, oder auch die vollständige Ertödtung des kranken Theiles ausarten. Hiernach kann also auch eine jede Krankheit drei Ausgänge nehmen; sie kann nämlich in vollkommene Genesung übergehen; sie kann sogen. organische, mehr oder weniger sichtbar und beschwerliche, niemals aber wieder schwindende Fehler nach sich ziehen; sie kann zum Tode des erkrankten Theiles (Brand) oder, wenn dieser zur Unterhaltung des Lebens sehr nöthig ist, zum Tode des ganzen Körpers führen. Im erstern Falle, wenn bei einer Krankheit vollständige Genesung eintritt, pflegte man früher von der Wirksamkeit einer besondern Kraft, der sogen. Naturheilkraft (Selbsterhaltungstrieb) zu fabeln, die sich Manche sogar als einen, mit Verstand begabten, irgend wo im Körper residirenden und von da aus regierenden Geist (Arzt im Menschen) dachten. Diese kindliche Ansicht herrscht natürlich jetzt, nachdem man den Stoffwechsel im Körper (s. Gartenl. Jahrg. III. Nr. 6) genauer kennen gelernt hat, nicht mehr; wohl kann man aber die einen kranken Theil in seinen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_329.jpg&oldid=- (Version vom 13.6.2023)