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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

gerade vor diese. Sie sah empor und erblickte ihren schrecklichen Gegner mit Grauen, denn sie schien am ganzen Leibe zu zittern, ihre Farbe wurde blässer und sie barg den Kopf im Grase, als wollte sie sich verstecken. Aber es war zu spät; der Weih senkte sich herab, er schwebte einen Augenblick dicht über ihr und als er sich darauf wieder erhob, sahen wir die Schlange in seinen Krallen sich winden.

Einige Flügelschläge hoben den Vogel über die höchsten Bäume empor, aber je höher er stieg, um so rascher und unregelmäßiger wurde die Bewegung seiner Flügel, es hinderte ihn offenbar etwas im Fluge. Die Schlange hing nicht mehr; sie hatte sich um den Leib ihres Gegners gewunden und wir sahen ihre glänzend rothen Ringe wie rothe Bänder sich um und durch sein weißes Gefieder ziehen.

Mit einem Male blieb der eine Flügel bewegungslos und obgleich der andere sich um so rascher und kräftiger anstrengte, stürzte der Vogel doch bald mit der Schlange, die ihn umringelt hatte, schwer an den Boden nieder. Indeß schien der Fall weder den Vogel, noch die Schlange bedeutend verletzt zu haben, denn kaum hatten sie die Erde berührt, so begann ein Kampf auf Leben und Tod. Der Vogel bot Alles auf, sich von den ihn umschnürenden und zusammendrückenden Ringen der Schlange zu befreien, während diese ihn um so fester zu halten suchte. Sie mochte wohl wissen, daß sie nur dadurch zu siegen vermöchte, denn wenn sie losließ und zu entschlüpfen versuchte, packte sie der Weih sicherlich zum zweiten Male und diesmal entscheidend mit den gewaltigen Krallen.

Der Kampf schien lange dauern zu müssen, denn obwohl die beiden Gegner sich im Grase wälzten und der Vogel mit dem noch freien Flügel mächtig um sich schlug, änderte sich doch viele Minuten lang in dem Zustande nichts.

Der Vogel konnte nicht fort, die Schlange wagte nicht zu fliehen; wie sollte der Kampf enden, wenn nicht ein Dritter sich einmischte?

Wir wollten eben einschreiten, als uns ein neues Manöver der Kämpfenden zurückhielt: der Vogel hackte wüthend mit dem Schnabel nach dem Kopfe der Schlange und diese versuchte ihn zu beißen, weshalb sie von Zeit zu Zeit den Rachen aufriß und dabei die Doppelreihen der spitzen Zähne sehen ließ. In einem solchen Augenblicke hackte der Vogel die Schlange in den Rachen, der sich sofort schloß und den Schnabel des Feindes festhielt, dem die spitzen Zähne aber nichts anzuhaben vermochten.

Der Vogel mochte erkennen, daß er jetzt offenbar im Vortheil sei, obgleich sein Schnabel im Schlangenrachen sich befand, denn er zog mit aller Kraft seines Halses den Kopf der Schlange niederwärts, um ihn in die Nähe seiner Krallen zu bringen. – Das gelang ihm auch und er packte mit den Fängen den Hals der Schlange fest wie mit einem Schraubstock.

Das machte dem Kampf ein Ende. Die Ringe der Schlange löseten sich; der Körper zuckte noch einige Zeit im Todeskampfe, dann lag er kraft- und regungslos im Grase. Der Sieger zog nun leicht seinen Schnabel aus dem Rachen der Schlange, hob den Kopf empor, breitete die Flügel aus, flog mit Triumphgeschrei davon und trug die Schlange mit sich hinweg, die wie ein rothes Band herabhing.

Seinem Schrei antwortete alsbald ein anderer, fast wie ein Echo, aber er war weit kräftiger und rauher, er konnte nur aus der Kehle eines weißkopfigen Adlers kommen. Wir sahen empor und hoch über uns am dunkelblauen Himmel segelte in der That einer jener mächtigen Vögel gerade auf den Weih zu, wahrscheinlich um ihm die Beute abzujagen, die dieser mit so viel Mühe sich errungen.

Der Weih hatte den Schrei wohl vernommen und er verstand auch die Bedeutung, denn mit seiner ganzen Flügelkraft hob er sich höher und höher, jedenfalls um zu fliehen.

In einer weiten Spirallinie flog er tiefer und tiefer in das Blau des Himmels hinein; der Adler folgte ihm, ebenfalls in Kreisen, aber in weiteren, als wolle er den Weih umkreisen. – Höher und immer höher ging der Flug; sie schienen sich einander zu nähern, die Kreise schienen enger zu werden, aber das sah wohl nur so aus, weil sie sich mehr und mehr von uns entfernten. – Der Weih war endlich für uns nur noch ein kleiner dunkeler und unbeweglicher Punkt, und dann verschwand er ganz. Der Adler seinerseits verkleinerte sich auch zu einem Pünktchen in der Höhe und verschwand endlich, doch nicht sogleich ganz, denn sein weißer Schwanz schimmerte noch immer, bisweilen wie ein weißes Wölkchen oder wie eine Schneeflocke in dem Blau des Himmels. Dann wurde auch dieses weißschimmernde Pünktchen undeutlicher und zuletzt war gar nichts mehr zu erkennen.

Wir gaben die weitere Beobachtung auf, da - was war das? Isch -. Sch - sch! Ein Zischen wie eine aufsteigende Rakete. Es fiel etwas Schweres dort auf den Baum, wahrhaftig der Weih und - todt. Und U - sch - sch! Der Adler! Mit der Schlange in den Krallen! Aus der Höhe, in der ihn kein menschliches Auge mehr zu erkennen vermochte, schoß er herunter wie ein von mächtiger Sehne abgeschnellter Pfeil. Erst in Thurmhöhe etwa breitete er die riesigen Flügel und den Fächer seines Schwanzes aus. Mit langsamen Flügelschlägen schwebte er majestätisch daher und endlich ließ er sich auf den Gipfel einer abgestorbenen Magnolia nieder.

Ich konnte nicht an mich halten, griff nach meiner Büchse, trat in das Gebüsch, schlich so nahe als möglich an den dürren Baum, legte an und zielte wohl. Der Schuß knallte und der Adler, der die Schlange noch in den Fängen hielt, stürzte, zum Tode verwundet, flatternd herab.




Zur Gesundheitspflege und Erziehungslehre.
Das Knaben- und Mädchenalter.
Die Schuljahre.

Dieses Alter, das eigentliche Jugendalter, reicht vom 7ten oder 8ten Lebensjahre, also vom Beginne des Zahnwechsels bis zum Eintritte der Mannbarkeit (Pubertät), sonach in unserm Klima beim Mädchen bis zum 14ten, beim Knaben bis zum 16ten Jahre. In diesem Alter wächst der Körper hauptsächlich in die Länge und wird deshalb schlanker; das Fett unter der Haut nimmt ab und die Muskeln treten mehr hervor; die Knochen werden fester und dichter, Becken und Brustkasten erweitern sich; der Herzschlag wird kräftiger und erfolgt nur 80 bis 85 Mal in der Minute; das Gehirn hört auf an Umfang zuzunehmen und deshalb erscheint der Kopf im Verhältniß zum übrigen Körper kleiner als in den früheren Lebensaltern. Im Allgemeinen ist die Massenzunahme nicht mehr so stark wie früher, jedoch immer noch groß; die Länge nimmt etwa um 10 bis 12 Zoll auf ungefähr 41/2 Fuß zu, das Gewicht um einige 20 Pfund auf etwa 65 Pfund. Dagegen treten jetzt bei fortschreitender Entwickelung die bleibenden Formverhältnisse immer mehr hervor, die Physiognomie gewinnt festere Züge, das Haar und die Regenbogenhaut des Auges nehmen ihre bleibende Farbe an. Das Leben gewinnt an Kraft und Festigkeit und erträgt ziemlich starke Eingriffe ohne Schaden; es zeichnet sich dieses Lebensalter deshalb durch einen besonders günstigen Gesundheitszustand aus, und von hundert Kindern stirbt jährlich kaum eins. Trotz dem ist jetzt sehr leicht durch schlechte Ernährung und unpassende oder übermäßige Gehirnanstrengung, zumal bei raschem Wachsthume, der Grund zu sehr beschwerlichen und langwierigen Uebeln, besonders zu Blutarmuth und Nervenleiden, zum Schief- und Kurzsichtigwerden, zur Engbrüstigkeit und Beckenmißgestaltung zu legen. Es darf darum auch die allmälige Abhärtung und Kräftigung des Körpers neben der geistigen Ausbildung durchaus nicht vernachlässigt werden. Richtige Erziehung in diesem Alter ist die Grundlage für das Wohl der ganzen übrigen Lebenszeit.

Die Erhaltung sollte beim Knaben wie beim Mädchen so ziemlich dieselbe sein, da bei beiden das Geschlechtliche noch gar nicht in Betracht kommen kann. Beide müssen durch passende Nahrung und gute Luft, gehörige Bewegung im Freien, Turnen, Baden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_174.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2023)