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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

welcher den größten Theil seines Gesichts bedeckte. „Aber auch Euch, Herr Julius, muß ich es zum Lobe nachsagen, daß Ihr einen guten Dienst auch gut zu bezahlen versteht.“

„Für meine Freunde habe ich immer eine offene Hand.“

„Ha, ha! Erinnert Ihr Euch noch an die vorjährige Geschichte mit der blauäugigen Betty? Es war eine schmucke Dirne, hol mich der Teufel, und noch so unschuldig wie ein Lamm. Nun was half ihr dies? Ihr hattet nun einmal ein Auge auf sie gerichtet und dem schwarzen Peter sind ein Paar blinkende Goldstücke mehr als solcher Plunder werth.“

„Höre,“ sagte Julius, sich in Ermangelung eines Stuhles auf einen Baumstamm neben dem Bewohner der Hütte niederlassend und ihm vertraulich in das wildfunkelnde Auge blickend, „Deine Hand ist zwar breit, Peter, aber dennoch will ich Dir dieselbe mit Gold füllen, wenn Du den Muth hast, einen Auftrag auszuführen.“

„Muth, Herr?“ fragte der Kerl, indem sein Auge wie das eines Tigers funkelte und seine Fäuste sich krampfhaft zusammenballten. „Nennt mir Einen, der Lust hat, sich mit dem schwarzen Peter zu messen.“

„Höre, hast Du mit dem Förster dort im Walde nicht noch eine alte Geschichte abzumachen?.“

„Gott verdamme mich, glaubt Ihr, daß es ihm geschenkt ist? Zwei Mal hat er mich setzen lassen und warum: Weil ich so gut wie er einen Rehbock zu treffen wußte.“

„Eine passende Gelegenheit, Peter, um Dir Genugthuung zu verschaffen. Das Gesetz ruht. – “

„Hm!“ sagte der Hüttenbewohner, indem er beistimmend mit dem Kopfe nickte.

„Nun, sind wir einig?“

„Ich denke, Herr! Wie viele Goldstücke wollt Ihr anwenden?“

„Zwanzig. Bist Du damit zufrieden?“

„Und was verlangt Ihr dafür?“

„Des Försters Tochter. Führst Du mir dieselbe zu, so erhältst Du noch zehn Goldstücke.“

„Also durch Gewalt?“

„Narr! in Güte höffst Du doch nicht zum Zwecke zu gelangen.“

„Laßt mich machen. Ein Anker Branntwein thut viel und ich soll wohl ein halbes Dutzend Burschen finden, die mit dem Förster auch noch ihre Rechnung abzuschließen haben. – Wann muß das Mädchen in Eurer Gewalt sein?“

„Ich gebe Dir drei Tage Zeit.“

„Verlaßt Euch darauf. – Ich werde pünktlich sein.“

„Hier, Peter, hast Du die Hälfte des Geldes auf Abschlag. Der Förster ist für Dich, das Mädchen für mich, vergiß diese nicht.“

„Seid unbesorgt. In solchen Sachen habe ich ein verdammt strenges Gewissen.“

„Gute Nacht, Peter!“

„Gute Nacht, Herr!“

Mit diesen Worten schlüpfte Julius aus der Hütte und verlor sich bald auf der großen Haidefläche, über welcher in diesem Augenblick eine undurchdringliche Finsterniß lagerte.

Der schwarze Peter aber – einer der berüchtigsten Wilddiebe jener Gegend, schob den hölzernen Riegel wieder vor seine Thür und sich der Länge nach vor dem Feuer hinstreckend, welches er im Innern der Barracke angezündet hatte, schien er über den Plan nachzudenken, welchen er bei dem gegen den Förster und dessen Tochter gerichteten Anschlage zum Grunde legen wollte.



V.

Zwei Tage waren abermals verflossen. Im Walde schien der Mond und die Sterne schimmerten hell, aber in der Wohnung des alten Gruner sah es trüb und düster aus. Der Greis saß in einem Lehnstuhl und blickte finster vor sich hin. Marie war mit einer Handarbeit beschäftigt, doch verrieth die Blässe ihres Gesichts, der trübe, melancholische Blick, die zusammengesunkene Gestalt deutlich den tiefen Seelenschmerz, der sie niederbeugte. In einer Ecke des Zimmers saß der Invalide und war mit der Ausbesserung eines Netzes beschäftigt, aber auch er blieb stumm und sein fast bis auf die Brust herabgesenktes Haupt hob sich nur bisweilen, um sich mit einer Theilnahme und einer Besorgniß dem jungen Mädchen zuzuwenden, welche unverhohlen zeigten, wie sehr das Herz des alten Mannes an derjenigen hing, die in der Einsamkeit des Waldes an seiner Seite groß geworden war.

Endlich brach der Förster das Schweigen und sagte mit einer Stimme, die leiser und weicher wie gewöhnlich klang:

„Marie!“

„Was wünschest Du, mein Vater?“ fragte die Tochter mit einer Stimme, deren sanfter, melancholischer Ton fast erschütternd klang.

„Marie, es ist nicht Alles so zwischen uns wie es sein sollte.“

Ein Blick, in welchem die Seele eines Engels selbst im bittersten Schmerze noch ihre Demuth bewahrt, traf den Vater. Die Tochter stand auf, sie näherte sich geräuschlos dem Greise, kniete vor ihm nieder, ergriff seine Hand und drückte dieselbe mit Innigkeit an ihre Lippen.

„Verzeihung,“ sagte sie, indem zwei heiße Thränen über ihre Wangen rollten – „Vergebung, wenn durch meine Schuld dieses theure Leben auch nur für einen Augenblick getrübt wird.“

Ein tiefer Seufzer aus der Ecke, wo der Invalide saß, folgte unmittelbar diesen Worten.

„Vergiß ihn,“ sagte der Alte, indem er sanft seine Hand auf das Haupt seines Kindes legte – „vergiß ihn und unser Glück wird wieder hergestellt sein.“

„Ich kann nicht,“ sagte das Mädchen, nach ihrem Herzen fassend und leichenblaß auf ihren Platz zurückkehrend.

In diesem Augenblick donnerten gegen den Thorweg mehrere heftige Schläge.

„Was ist das?“ rief der Förster aufspringend und das Fenster öffnend.

„Es muß etwas Außerordentliches sein,“ sagte der alte Soldat aufhorchend. „Hört! – Die Schläge verdoppeln sich.“

„Wer klopft noch zu so später Stunde?““ fragte der alte Gruner in die Nacht hinaus.

„Um Gottes Willen öffnet! Jede Minute ist kostbar!“ tönte es von draußen her.

Der Förster fuhr erbleichend zurück. „Es ist seine Stimme,“ sagte er finster. „Der Wahnsinnige! Will er, daß ich eine Gewaltthat begehe?“

„Oeffnet!“ rief die Stimme noch hastiger „öffnet, denn die Gefahr folgt mir auf dem Fuße!“

Ein durchdringender Schrei ward gehört und einer Ohnmacht nahe, sagte Marie mit halbgebrochenen Augen, beide Hände bittend faltend: „Barmherzigkeit, Vater! Barmherzigkeit mit Ihrer Tochter!“

„Schiebe den Riegel zurück,“ befahl der Forstmann dem Invaliden, „doch wehe ihm, wenn es nur eine List ist, um sich hier abermals einzuschleichen.“

Der alte Soldat ging und einige Minuten darauf stand Herr von Wildenhaupt in der Mitte des Zimmers.

Marie stieß einen Schrei des Entzückens aus und streckte ihre Arme dem Geliebten entgegen. Dieser drückte ihre Hände an sich und führte sie zu ihrem Sitze zurück. Dann wendete er sich zu dem Vater, der stumm und finster in der Mitte des Zimmers stand und sagte hastig:

„Fort, fort von hier! Ihr Leben steht in Gefahr!“

Der Alte sah ihn mit großen Augen an, während Marie weinend an seine Brust sank und ihre Arme um seinen Nacken schlug.

„Mein Leben in Gefahr?“ fragte der Greis, ungläubig mit dem Kopfe schüttelnd. „Die List ist zu plump, als daß sie bei mir Glauben finden könnte. Wer wollte sich wohl an einem alten Manne vergreifen, der hier bereits seit vierzig Jahren in Frieden gelebt hat.“

„Und doch ist es so, so wahr mir Gott helfe!“

„Mein Vater, o mein Vater!“ jammerte Marie.

„Still, Mädchen! Wenn seine Worte Wahrheit sind, so ist es Zeit, daß wir wie Männer handeln. Sprechen Sie, junger Mann, welche Gefahr droht uns?“

„Ein verruchter Plan scheint gegen Sie geschmiedet. Der Zufall ließ mich einen Theil desselben erfahren. Von einem Mann, dem[WS 1] ich von Zeit zu Zeit kleine Wohlthaten erzeigte, wurden mir Andeutungen gemacht, welche mich ein höllische Bubenstück ahnen lassen. Kennen Sie Julius?“

„Gewiß. Es ist der reichste Mann in der Gegend.“

„Aber dem Anschein nach auch der größte Schurke.“

„Wenigstens ein Wollüstling der verdorbensten Art, der vor keiner That zurückbebt, wenn es der Befriedigung seiner wilden Leidenschaften gilt. – Was ist Dir, Marie?“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: den
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_114.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)