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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

sehr wichtigen Handelsartikel, indem die Espartogeflechte, besonders die Matten, Seile und Taue in Frankreich, Italien, England und Amerika allgemein beliebt und geschätzt sind. Aus den südspanischen Häfen werden daher alljährlich große Massen von rohem und verarbeitetem Esparto auf spanischen und fremden Schiffen nach den genannten Ländern ausgeführt. Den meisten Esparto exportirt Murcia über die Häfen von Alicante, Cartagena und besonders von las Aguiles. Der Werth der Ausfuhr soll sich jährlich im Durchschnitt auf 400,000 Realen (29,332 Thaler) belaufen.

So großen und vielfachen Nutzen nun aber auch das Espartogras gewährt, und so viel diese Pflanze dem spanischen Handel einbringt, so ist dieselbe doch für die Bodenbeschaffenheit der Gegenden, wo sie in Menge wächst, ein schlechtes Zeichen. Sie liebt nämlich vorzugsweise einen dürren, des Humus entbehrenden Mergelboden, d. h. einen Boden, welcher dem Ackerbaue die größten Hindernisse entgegensetzt. Sie ist mit einem Worte eine Steppenpflanze, und in der That verdienen die ungeheuern von Sträuchern und Bäumen gänzlich entblößten und wasserlosen Niederungen und Hügelgelände Südvalencia’s, Murcia’s und Ostgranada’s, welche fast nur mit Espartobüscheln bedeckt sind, den Namen von Steppen mit vollstem Rechte. Nichts geht über die Einförmigkeit und Traurigkeit einer solchen Espartosteppe. So weit das Auge reicht, breiten sich graue Flächen oder Hügel aus, deren fernste Contoure endlich im Blau des dort meist wolkenlosen Himmels verschwimmen, wenn die Steppen nicht durch Gebirge oder durch das Meer begrenzt werden. Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, ob jene Einöden, die ohne das Espartogras ganz unbenutzbar sein würden, von Anfang an vorhanden waren oder ob sie in Folge der Vernichtung der Wälder und der dadurch bedingten Versiegung der Quellen entstanden, folglich künstlich hervorgebrachte sind, so viel aber steht fest, daß Spanien schon im Alterthum wegen jenes Grases und dessen Benutzbarkeit berühmt war, denn schon Plinius erzählt, daß die Iberer oder die Bewohner von Hispania Tarraconensis (des östlichen und südostlichen Spaniens) Geiseln, Schleudern, Stricke, Matten einst aus einer Grasart machten, welche er Spartum nannte. Die Espartoflechterei ist also jedenfalls der älteste Industriezweig Spaniens.

Dr. Willkomm. 




Zur Gesundheitspflege.
Der Respirator.


Nicht erst wenn Brustkranke schon mit einem Beine im Grabe stehen, müssen sie sich zum Tragen des Respirators bequemen, sondern gleich beim Beginne ihres Leidens. Thäten sie dies, dann würden weit weniger Menschen in der Blüthe ihrer Jahre an der Lungenschwindsucht dahin gerafft. Es sollten deshalb Alle, welche öfters und auf leichte Veranlassung hin oder auf längere Zeit hindurch (wochen- und monatelang) von leichtern Brust- oder Halsbeschwerden heimgesucht werden, sofort zum Respirator greifen. Jedenfalls ist er allen den Hustenden ganz unentbehrlich, die bleich und mager werden, Blut aushusten und an hartnäckiger Heiserkeit leiden. Für diese ersetzt der Respirator, wenn er mit Consequenz angewendet wird, den Aufenthalt in warmen Klimaten, wo übrigens viele Brustkranke ihres Heimwehs wegen nur noch kränker werden und zu Grunde gehen. Aber nicht blos für Kranke, auch für Gesunde, und zwar für Alle, welche ihre Stimme und Lunge anzustrengen haben, ist der Respirator ein ausgezeichnetes Schutzmittel, insofern er nämlich diese Organe nach ihrer Anstrengung vor der krankmachenden Einwirkung kalter Luft schützt.

Der große Vortheil, welchen der vor den Mund gebundene Respirator gewährt, wenn er nämlich richtig construirt ist, besteht darin, daß man durch denselben ganz ungenirt stets eine solche warme Luft einathmet, welche dem Athmungsapparat, zumal dem schon erkrankten, sehr zuträglich ist, abgesehen davon, daß er nebenbei auch noch das Eindringen unreiner (also schädlicher) Luft in die Luftwege verhüten kann. Kalte, rauhe und unreine (staubige und rauchige) Luft ist nun aber vorzugsweise die Ursache, welche Brustbeschwerden nicht blos unterhält, sondern auch zu unheilbaren Lungenübeln steigert. Wer von den Brustleidenden sonach vom Respirator einen reellen Nutzen haben will, muß denselben immer und überall tragen, wo er eine kalte und unreine Luft einathmen könnte, bei Nacht ebenso wie bei Tage. Vermeidet er daneben noch Alles, was starkes Herzklopfen erregt und den Blutzufluß zu den Lungen vermehrt, so ist alles weitere Kuriren vollkommen überflüssig.

Der Respirator erfüllt seinen Zweck aber nur dann, wenn er sehr schnell durch die ausgeathmete Luft gehörig erwärmt wird und seine Wärme hierauf der eingeathmeten Luft leicht wieder mittheilt. Um dies zu können, muß er, wie der von Heffrey erfundene Respirator, aus sehr vielen feinen Metallfäden bestehen, welche ebenso schnell Wärme aufnehmen, wie ausstrahlen. Alle billigeren Nachäffungen des Jeffrey’schen Respirators, welche aus einem Paar durchlöcherter, schwer zu erwärmender Metallplatten bestehen, zwischen denen (um alle Wirkung zunichte zu machen) die Wärme schlecht leitende Haargeflechte liegen, taugen weit weniger, als ein vor den Mund gebundenes Tuch und werden, wenn sie auch noch so billig sind, doch immer zu theuer bezahlt. Leider schaden viele Arten von untauglichen Respiratoren auch noch der richtigen Würdigung und der häufigeren Anwendung der, wahrhaft segensreichen Erfindung, und man sollte ihre Verfertiger deshalb wie Falschmünzer behandeln. Der Jeffrey’sche Respirator besteht aus einem außen mit dünnem Zeuge (Seide oder Gaze) überkleideten Gitterwerke, welches aus einer größeren oder geringeren Anzahl von hinter einander liegenden Tafeln

feiner Metallfädchen gebildet ist. Die aus der Lunge durch dieses Gitterwerk strömende warme Luft erwärmt dieses sehr schnell und erzeugt so zwischen den Fädchen eine feucht-warme Atmosphäre vor dem Munde, durch welche die von außen eingezogene kalte Luft bedeutend erwärmt wird. Je mehr solcher Gitter (10–20 Stück) in einem Respirator hinter einander angebracht sind, desto wärmer muß natürlich die eingeathmete Luft werden (+12 – 20° R.), aber freilich um so theurer (3 – 12 Thaler) ist auch der Respirator, da die Metallstäbchen aus Silber oder Gold bestehen. Wer den Respirator in einer weniger auffälligen Form wünscht (denn es giebt noch viele eitele Schwächlinge, die sich schämen, einen Respirator zu tragen), braucht denselben ja nur die Gestalt eines Shawls zu geben. Vielleicht ist aber die Zeit nicht mehr so fern, wo man, ohne sich zu schämen, lieber bei Zeiten einen Respirator als Schutz für seine Athmungsorgane trägt, als daß man mit dem geringen Reste von Lunge im skelettartigen Körper erfolglos nach Italien Salzbrunnen, Ems u. s. w, wandert.

(B.) 



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_109.jpg&oldid=- (Version vom 22.2.2023)