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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

erhält sie um acht Uhr schneeweiß und glänzend geplättet zurück. Die Wäsche wird in Dampf-Cylindern durch einen energischen Strom von Dampf mit Seife gereinigt, dann in Centrifugalmaschinen zu zwei Drittel und von Dampfmaschinen beworfen, Plätteisen zum letzten Drittel getrocknet und spiegelblank geglättet. Die Frauen „mit Wasch-, Scheuer- und Raspellagen," mit ihrem verkochten, verstrickten, verflickten und verstopften Leben (wie Jean Paul sagt) sind hier unbekannte Größen, und insofern die amerikanischen Hotels Seminarien einer bessern, socialen Zukunft.

Das hier überall bereitwillig fließende Wasch-, Dampf-, Bade- und Trinkwasser (mit einem ganzen Springbrunnen in der „Schenke") erinnert mich an die große Wasserkunst New Yorks (Croton Aqueduct), wohl das großartigste Bauwerk der Art, das selbst mit den bewunderten Wasserleitungen des alten Rom Vergleiche aushalten würde. Es bringt für ganz New-York über acht volle deutsche Meilen weit her täglich 60 Millionen Gallonen Wasser durch eine ungeheuere Brücke über den Haarlemfluß hinweg und vertheilt sich hier in Tausende von Adern und Aederchen durch Küchen, Häuser, Fabriken bis in die höchsten Etagen. Dieses Adersystem kostete nach seiner ersten Vollendung über 30 Millionen Thaler und hat diesen Preis seitdem durch Erweiterung um Millionen überstiegen. Das Geld dazu kam aus freien Privatmitteln. Berlin, das seit Menschenaltern durch seine Rinnsteine an eine Wasserleitung erinnert wurde und mit Plänen dazu umging, deren Ausführung kaum den zehnten Theil kosten würde, hat noch nicht angefangen, an einen Anfang zu denken. Und Berlin ist eine Residenz, während in New-York nur Kaufleute schachern.

In New-York residirt kein Hof, keine Geburts-Aristokratie. doch nimmt es in Luxus, Pracht und Geschmack die Aufforderung jeder europäischen Residenz auf. Weiter im Norden, wo die Handels-Aristokratie ihre Privat-Paläste aufbaute, sieht es vornehmer, reicher und vor allen Dingen geschmackvoller aus, als im reichsten Viertel Londons, Belgrave, Square. Schon die architektonischen Fronts dieser Stein-, Granit- und Marmor-Paläste zeugen von dem höchsten Geschmack. Und hinter den großen Spiegelscheiben (in der Regel blos je einer zu einem ganzen kolossalen Fenster) und den ächt silbernen Thürgriffen. Klingelknöpfen und Namensschildern prangen über Mosaik-Fußböden freskogemalte, große Vorhallen, Treppen und Ballustraden von schwarzem Wallnußholz, und oben thun sich hinter Flügelthüren Zimmer mit Marmor-Fußböden und pompejanisch gefelderten und gemalten Wänden auf, mit Meubles und Decorationen, in denen der höchste Kunstgeschmack Meisterwerke bewundern muß. Ich erwähne nur den Marmor-Kamin in einem dieser Zimmer mit Relief-Figuren, die Burns’ Gedicht von der Hochland Manie veranschaulichen und wofür allein der deutsche Bildhauer 1500 Dollars bekam. Man besucht hier solche Paläste (besonders die in der fünften „ „Avenue,“ wie hier die Straßen heißen) wie die Schlösser der Könige in deren Abwesenheit, nur daß hier die Eigenthümer lieber selber da sind, um sich des Staunens ihrer Gäste zu freuen. Einer dieser Herren sprach mit der größten Anerkennung von den Deutschen, durch welche es ihnen allein möglich geworden, ihr Geld zur Ehre des Geschmacks anzuwenden und über die hartnäckige, englische Plumpheit hinauszukommen. Durch die Deutschen in Amerika und die Einfuhren von Frankreich sei es ihnen gelungen, alle Zufuhr der Art von England abzuweisen. Für die Zukunft der Deutschen in Amerika ist mir also nicht bange, obgleich jetzt die Know-nothings triumphiren und allen Einwanderern nicht nur das Bürgerrecht, sondern als Temperanzler auch vierzehnhundert deutschen Kneipiers und Restaurateurs von New-York allen Spiritus und alles Bier confisciren wollen. Die Know-nothings haben ihre Zeit, deutsche Kunst aber (inclusive der des Trinkens) ist ewig.

Kirchen, Banken, Theater[1] und sonstige öffentliche Gebäude, obwohl größtentheils nicht unbedeutend von Ansehen, boten mir nichts Charakteristisches.

Um noch ein Wort von der schon im Allgemeinen angegebenen Umgegend zu sagen. Das eigentliche New-York ist schon eben so wenig zum Leben geeignet, als das eigentliche London. Die Städte selbst sind nur noch Bureaux, zum Geldmachen. Arbeiter, Handwerker und Geldmacher besserer Klasse wohnen bereits vier bis fünf deutsche Meilen weit im Umkreise der Stadt und verbinden den Vortheil hoher Löhne und Gewinne „am Platze“ durch Eisenbahn, Dampfschiff, Fuhre und Omnibus mit den Annehmlichkeiten eines wohlfeilen eigenen Herdes auf dem Lande draußen. New-York ist bis 5 deutsche Meilen im Umkreise ziemlich dicht mit Vorstädten, Dörfern und Kolonien umsternt, von denen manche schon über tausend Einwohner zählen, unter denen die Deutschen besonders stark vertreten sind. Das Dorf Morrisania ist eine durchaus deutsche, wunderhübsche Kolonie von etwa 300 niedlichen, weißen Holzhäuschen, die durch kleine Einzahlungen an Landvereine leicht gewonnen wurden und oft bald darauf für den doppelten Preis verkauft werden können, da Grund und Boden um New-York mit jedem Tage steigen. Der Arbeiter wohnt hier für 90-100 Thaler selbstständig und gesund, in New-York bekommt er dafür kaum die schlechteste Kammer.

Ein neuer, gewaltiger Kolonisationszug bewegt sich um Hoboken herum. Hier sind in den letzten zwei Jahren beinahe ein Dutzend villaartige Dächer entstanden: ein Washington, mehrere Hoboken, ein Gutenberg u. s. w. zum Theil mit glänzenden Läden, Vergnügungsörtern, Kirchen und Schulen und allen Anzeichen eines raschen Gedeihens. Mancher „York Stater“ (Bewohner New-Yorks), der nach zwei bis drei Jahren dort wieder eine schöne, einsame Wald- oder Felsenparthie besuchen will, findet sie dicht bebaut und kultivirt von Dörfern und Gärten und Feldern. So sind alle Anlagen New-Yorks für ein Wachsthum zur Größe Londons vorhanden, ohne dessen Rauch, ohne dessen architektonische und sociale Geschmacklosigkeit, die Anlagen zu einer wahrhaft kosmopolitischen Weltverkehrsstadt, so sehr sich auch die Know-nothings jetzt bemühen, eine nirgends existirende sogenannte amerikanische Nationalität geltend zu machen.

Es bleibt noch Manches übrige, z. B. Schilderung der New-Yorker Gauner und Schwindler im Einzelnen und in Aktien-Compagnien, der Neger- und Irländer-Spelunken, der deutschen Verbrecherkeller und vor Allem der „five points“ („fünf Punkte“, wie das verrufenste Stadtviertel heißt), aber erstens haben wir an unsern „vier Punkten“ des Friedens schon genug und zweitens und letztens kann man sich aus dem „Leben des Phineas Taylor Barnum, geschrieben von ihm selbst,“ das nöthige Material zur Kenntniß der höhern Gauner- und Schwindlerwirthschaft selbst herauslesen.




Ostindische Spiegel-Bilder.

Rußland und England in Indien. – Der birmanische Kaiser. – Was ist Ostindien? – Geschichte der ostindischen Kompagnie. – Ihr Anfang, ihre Ausbreitung und jetzige Größe.

Während der slavische Osten in seinem Vorschreiten nach dem Westen der großen germanischen Kultur in letzterer selbst eine Krisis hervorruft und von ihr bekriegt wird, scheint man vor lauter Krieg und Krim die zu gleicher Zeit östlich vordringende Bewegung Rußlands zu übersehen. Erst neuerdings haben englische Blätter aus Indien betimmte Nachrichten darüber gebracht, die von einem gegen das englische Indien gerichteten russischen Heere erzählen und von Gesandten aus innern Reichen Asiens, die bei der englisch-ostindischen Regierung um Hülfe gegen Rußland bäten. Um dieselbe Zeit war ein Gesandter aus dem stolzen birmanischen Reiche angekommen, das die Indien beherrschende englische Kaufmanns-Compagnie neulich um seine besten Lande am Meere beraubt


  1. Das neue deutsche Theater von Otto Hoym, d'Ardenne (früher in Ulm), August Siegrist, dem Haupt-Barrikadenhelden von Berlin und Worret, früher Direktor in Bockenheim, ist zwar sehr schön und geräumig und gut besetzt, wird sich aber schwerlich eben so wenig halten, wie das kleinere Charles-Theater, da die reichen Deutschen im Durchschnitt geschmack- und kulturlose Deutschverächter sind und die Aermeren sich in 1400 Kneipen zerstreuen und bei Linden-Müller Theater noch umsonst zukriegen. Die amerikanischen Dichter sprechen und ehren Deutsch, die deutschen Prosaiker setzen eine Ehre hinein, es nicht zu verstehen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_094.jpg&oldid=- (Version vom 14.6.2023)