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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

IV. Die Sauerstoffzufuhr zum Blute durch den Athmungsproceß ist im guten Gange zu erhalten, weil durch den in das Blut aufgenommenen Sauerstoff nicht nur die neuen Nahrungsstoffe zur Gewebsbildung tauglich, sondern auch die alten abgestorbenen Körperbestandtheile zur Ausscheidung aus dem Körper erst geschickt gemacht werden, sowie der Sauerstoff auch durch Verbrennung gewisser Stoffe (Heizungsstoffe) zur Erzeugung der Körperwärme das Meiste beiträgt.
1) Durch Athmen in guter Luft, und zwar bei Tag und Nacht, welche
a) die nöthige Menge Sauerstoff enthalten muß;
b) ohne schädliche Beimischung sein, wie:
unathembare Gase (Kohlenoxyd, Kohlensäure, Kloakengase), Rauch, Staub, thierische und menschliche Ausdünstungsstoffe, Fäulnißprodukte;
c) nicht zu hohe oder zu niedrige Temperatur besitzen darf.
2) Durch Gesunderhalten des Athmungsapparates, theils mittels Vermeidung krankmachender Ursachen, theils durch Kräftigen desselben.
a) Der Brustkasten ist nicht zu beengen, durch enge Kleidungsstücke, schlechte Körperhaltung; im Gegentheil ist
b) die Brust zu erweitern durch zweckmäßige Turnübungen, zeitweiliges kräftiges Ein- und Ausathmen, mäßiges Singen, lautes Lesen oder Instrumentenblasen;
c) Blutandrang nach der Lunge ist zu verhüten:
durch Vermeidung Alles dessen, was sehr schnelles und heftiges Athmen und Herzklopfen, sowie Brustbeklemmung macht, von plötzlichem Wechsel zwischen kalter und warmer Luft, von starker Erkältung der Haut, von reizenden Luftarten; – durch Unterstützung des Blutlaufes.
d) Man athme mehrere Male des Tages reine Luft, womöglich im Freien, tief ein und kräftig aus.

B. Die Blutreinigung kommt durch Entfernung der alten unbrauchbaren Gewebs- und Blutbestandtheile mit Hülfe der Ausscheidungsorgane (Lungen, Nieren, Leber und Haut) zu Stande, nachdem vorher die meisten jener unbrauchbaren Stoffe durch den Sauerstoff im Blute zur Ausscheidung geschickt gemacht (verbrannt) wurden.

I. Verbrennung der abgestorbenen Gewebs- und Blutbestandtheile durch Sauerstoff im Blutstrome (zu Kohlensäure, Wasser, Harnstoff und Farbstoffe), ist das erste Erforderniß zur Blutreinigung und deshalb ist
1) die Sauerstoffeinfuhr in das Blut durch das Athmen unentbehrlich (s. vorher IV. 4.), ebenso aber auch
2) der Blutlauf durch alle Theile des Körpers, um die Gewebsschlacken in das Blut aufzunehmen.
II. Der Blutlauf durch die Reinigungsorgane ist in Ordnung zu halten:
1) durch Unterstützung des ganzen Kreislaufs (s. unten);
2) durch richtige Unterhaltung der Thätigkeit der Ausscheidungsorgane, nämlich
a) der Lungen durch kräftiges Ein- und Ausathmen einer guten Luft;
b) der Nieren durch reichlichen Wassergenuß und Muskelthätigkeit;
c) der Haut durch Reinhalten (mittels warmer Bäder, Waschungen, Abreibungen);
d) der Leber durch Beförderung des Unterleibsblutlaufes (s. vorher A. II. 3.).
III. Die Reinigungsorgane verlangen Schonung, damit sie nicht erkranken.
1) Die Lungen (mit Kohlensäure- und Wasserausscheidung) sind am meisten zu hüten (s. vorher A. IV. 2.).
2) Die Haut (mit Schweißausscheidung) ist vor Erkältungen (besonders nach Erhitzungen und in der Nacht) zu schützen, durch zu übermäßiges Warmhalten nicht zu verweichlichen, aber auch durch übertriebene Kälte nicht mit Gewalt abhärten zu wollen.
3) Die Leber (mit Gallenausscheidung) leidet beim Zusammenpressen der Oberbauchgegend (durch Schnürleib, Unterkleiderbänder, Riemen und Hosenbunde, schlechtes Sitzen) und durch Störung des Unterleibsblutlaufes.
4) Die Nieren (mit Harnausscheidung) können durch den häufigen Genuß harntreibender Mittel Schaden erleiden.
B. Der Blutkreislauf, dessen Mittelpunkt das Herz ist, erstreckt sich von diesem durch die Pulsadern zu den Haargefäßen der Organe und sodann aus diesen durch die Blutadern zurück zum Herzen. Er wird unterhalten durch die Thätigkeit des Herzens, der Gefäßwände, des Brustkastens und der Muskeln.
I. Das Herz ist vor Krankheit zu schützen und zu kräftigen.
1) Das Herz ist gesund zu erhalten, besonders in seinen Klappen und Mündungen, sowie in seiner Größe:
a) durch Vermeidung Alles dessen, was heftiges und andauerndes Herzklopfen veranlaßt;
b) durch Vermeidung starker Erkältungen der Haut, besonders nach Erhitzung.
2) Das Herz ist zu kräftigen, durch mäßige Anregung seiner Thätigkeit,
a) durch Bewegungen, vorzugsweise mit den Armen;
b) durch kräftiges und tiefes Ein- und Ausathmen;
c) durch kalte Waschungen der Brust und des Rückens.
II. Das Athmen unterstützt die Circulation durch das Einsaugen des Blutes in den Brustkasten beim Erweitern desselben (beim Einathmen) und durch das Hinaustreiben aus demselben beim Ausathmen.
1) Durch kräftiges Ein- und Ausathmen läßt sich deshalb der Blutlauf fördern und darum sind zu diesem Zwecke
2) die Athmungsmuskeln durch Uebungen zu stärken.
III. Der Druck von Seiten der Muskeln auf die Blutadern drängt das Blut vorwärts, und es wirken deshalb fördernd auf den Blutlauf ebensowohl
1) active Bewegungen, willkürlich von uns selbst ausgeführt, sowie
2) passive Bewegungen, von Andern mit unseren Gliedern vorgenommen. – Beiderlei Arten von Bewegungen müssen womöglich an allen Muskeln angestellt werden.
IV. Der Flüssigkeitsgrad des Blutes ist nicht ohne Einfluß auf den Kreislauf desselben. Es fließt weniger gut:
1) ein zu dickflüssiges Blut, dem es im Verhältniß zum Eiweiß- und Faserstoff an Wasser fehlt;
2) ein zu fetthaltiges Blut (durch zu fettreiche oder fettbildende Nahrung erzeugt);
3) ein schweres schwarzes Blut, welches zu reich an alten farbigen Blutkörperchen und durch Störung der Blutreinigung in der Leber und Milz entstanden ist.
D. Die Ernährung der Gewebsbestandtheile aus der Ernährungsflüssigkeit besteht in fortwährender Neuerzeugung derselben mittels der Zellenbildung und in immerwährendem Absterben und Losstoßen der älteren, abgenutzten Bestandtheile. Die Bedingungen für diesen Stoffwechsel sind:
I. Normale Ernährungsflüssigkeit, welche die Gewebe durchtränket. Ihre Bildung hängt ab:
1) von gutem Blute, welches nur bestehen kann:
a) bei gehöriger Neubildung von Blut durch Zufuhr von passenden Nahrungsstoffen und Sauerstoff (s. vorher A. I–IV.):
b) bei ordentlicher Reinigung desselben (s. vorher B.);
2) von ungestörtem Blutlaufe durch die Haargefäße, wobei der Austritt der abgestorbenen Gewebstheile in denselben möglich wird. Deshalb ist
a) der Blutlauf im Allgemeinen gehörig zu unterhalten (s. vorher C. I–IV.), sowie auch
b) der Blutlauf durch die Haargefäße, mittels richtigen Thätigseins und gehöriger Schonung der Gewebe.
3) Von normaler Durchdringlichkeit der Haargefäßwand, damit der Aus- und Eintritt der Gewebsflüssigkeiten ordentlich vor sich geht.
Widernatürliche Verdünnung der Wand (bei Erweiterung der Haargefäße) bedingt ebenso wie Verdickung und Verdichtung derselben eine unzweckmäßige Beschaffenheit der Ernährungsflüssigkeit.
II. Der gehörige Wärmegrad (+28–30° R.) ist für die regelmäßige Zellen- und Gewebsbildung durchaus nöthig. Er wird erreicht:
1) durch zureichendes Heizungsmaterial und dieses ist ein dreifaches:
a) Fett und Fettbildner (stickstofflose, kohlenwasserstoffige Substanzen, wie Zucker und Weingeist);
b) abgestorbene Gewebstheile, die sich beim Thätigsein der Organe bilden und die nach ihrer Verbrennung aus dem Körper ausgeschieden werden (s. vorher B. I–III.);
c) junges Bildungsmaterial, welches für die Gewebsbildung vorbereitet wird.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_077.jpg&oldid=- (Version vom 7.2.2023)