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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

mit Wasserdampfe versorgt. Je üppiger, je blattreicher die Vegetation einer Gegend ist, desto mehr Wasserdampf wird deren Atmosphäre enthalten, desto häufigerer atmosphärischer Niederschläge, namentlich Thau und Regen wird sich dieselbe erfreuen und desto mehr Quellen und folglich auch Bäche und Flüsse wird sie besitzen. Da nun ein Baum viel mehr Blätter besitzt als ein krautartiges Gewächs, so versteht es sich von selbst, daß Waldungen eine Hauptquelle der Wasserbildung sein werden. Hieraus ergiebt sich die nie genug einzuschärfende Wichtigkeit der Erhaltung der Wälder. In allen Gegenden, welche keine hohen die Schneegrenze überschreitenden Gebirge besitzen, unterhalten sie allein die Quellen und Flüsse. Dies gilt ganz besondere von denjenigen Gegenden des Erdballes, wo es, wie im Süden von Europa im Sommer wenig, oft gar nicht regnet, aus Ursachen, deren Erörterung nicht hierher gehört, und wo daher die Pflanzenwelt wie die Quellen auf den Niederschlag des in der Luft befindlichen Wasserdampfes, d. h. auf den Thau angewiesen sind. Durch Vernichtung der Wälder können solche Gegenden, auch wenn sie den fruchtbarsten Boden besitzen, für ewige Zeiten in dürre, unwirthbare Steppen umgewandelt werden, indem die Quellen versiegen. Hunderte von weiten Landstrichen, die in den Umgebungen des mittelländischen Meeres gelegenen Länder, besonders Kleinasiens, Griechenlands und Spaniens, wo theils in Folge der Bedürfnisse einer mehrtausendjahrigen Kultur, theils durch den Unverstand der Bewohner die ursprünglich vorhandenen Waldungen vernichtet worden sind, legen das sprechendste Zeugniß für die Wichtigkeit der Wälder ab, denn während jene Gegenden nach historischen Documenten ehedem, als sie noch Wälder besaßen in üppigster Fruchtbarkeit prangten, sind sie jetzt grauenvolle, nackte, sonnenverbrannte Einöden.

Dr. Willkomm. 




Aus dem Skizzenbuche eines sächsischen Auswanderers.
I. Im Walde

– – Drei Tage waren wir bereits in dem endlosen pfadlosen Walde gegangen, zwei Nächte hatten wir in seinem Schatten geschlafen, und noch immer zeigte sich keine menschliche Wohnung, kein Ende des Baumlabyrinthes. Mein Freund war noch weit erschöpfter als ich; in den letzten zwei Stunden hatte ich ihn oft stolpern sehen, und als wir plötzlich an einem tiefen schleichenden Wasser standen, das uns das Weitergehen in der angenommenen Richtung versperrte, setzte er sich nieder und sagte, er könne nicht weiter gehen und wolle lieber da sterben.

Was war zu thun? Ich sprach dem Freunde Muth zu und forderte ihn auf, sich auf mich zu stützen; er schüttelte statt aller Antwort mit dem Kopfe. Sollte ich ihn verlassen oder bei ihm bleiben und mit ihm untergehen? Nach ernster Ueberlegung entschied ich mich für das Erstere, denn es blieb doch eine Möglichkeit, daß ich aus dem Walde hinaus käme und einen Menschen fände, mit dessen Hülfe ich den Verlassenen holen könnte.

So theilte ich mit ihm den geringen Vorrath von Lebensmitteln, ließ ihm Schwefelhölzchen zurück, damit er Feuer anmachen könnte, nahm ihm das Versprechen ab, von dem stillen Flusse sich nicht weit zu entfernen, damit man ihn leichter finde und wanderte mit schwerem Herzen weiter.

Es war ein heißer Sommertag und kein Blatt regte sich. Meine Kräfte schwanden ebenfalls mehr und mehr. Der Weg durch einen Urwald ist unbeschreiblich beschwerlich; buchstäblich bei jedem Schritte finden sich Hindernisse: ein Baumstumpf, ein stacheliger herabgestürzter Fichtenwipfel, ein undurchdringliches stechendes Dickicht, ein Morast mit schwarzem, glänzendem, weichem Boden, ein Gewirr von kriechenden Gewächsen, aufgeschichtete Felsen und – Durst! Durst! Das Wasser in dem stillen Flusse, an dem ich mich immer hielt, war lau und erregte heftigen Ekel nach dem Genusse.

Ich taumelte mehr weiter als ich ging; mehrmals hatte ich mit Gewalt die Sehnsucht niederzukämpfen, wie der verlassene Freund das Weiterwandern aufzugeben, mich hinzulegen und den Tod zu erwarten. Zum Glück gelang es mir immer mich wieder aufzuraffen. So kam allmälig der Abend heran, freilich ohne daß sich ein Ende des Waldes zeigte. Nur die Beschaffenheit des Bodens änderte sich allmälig; es ging etwas aufwärts, das Wasser in dem Flusse strömte rascher und wurde klarer und endlich kam ich an eine Stelle, die zu einem Nachtlager sich vortrefflich zu eignen schien. An dem Flusse lag ein grünes Plätzchen, das nach dem Walde zu drei Baumriesen schlossen, zwischen denen ein dichter Buschvorhang eine Art Wand bildete.

Hier zündete ich mir ein Feuer an, fing mir ein paar Fische, kochte sie mit Speck in der Pfanne, die ich natürlich bei mir getragen hatte, aß und – beschmierte mir Gesicht und Hände, wie es der Wanderer im Walde thun muß, mit dem warmen Schweinefett.

„Pfui!“ denken wahrscheinlich die Leser. „Warum dies?“

In den Wäldern Amerika’s giebt es drei unerträgliche Plagen – Muskitos, Mücken und Sandfliegen. Diese verfolgen den Menschen mit unermüdlichem Eifer und zapfen ihm das Blut ab.

Die Muskitos kann er todtschlagen – wenn er sie bekommt. Die Mücken sind so klein, daß man sie kaum sieht, und folglich schwer zu fangen und zu tödten. Die Sandfliegen endlich schwärmen in so dichten Schaaren umher, daß ein Fangen und Erschlagen derselben ein völlig hoffnungsloses Unternehmen bleibt. Ein tüchtiger Fettüberzug auf Gesicht und Händen ist der beste Schutz gegen die kleinen Feinde. Die Mücken wagen es nicht, sich darauf zu setzen, weil sie kleben bleiben; die Sandfliegen und Muskitos scheinen schon vor dem Geruche des Fettes eine Abneigung zu haben. Ich saß oft Stunden lang da, ohne ein einziges Mal gestochen zu werden, obwohl die Sandfliegen in so dichten Wolken mich umschwärmten, daß ich den Mund nicht aufthun konnte, ohne einige hinein zu bekommen, und sie mir in die Nase und die Augen krochen. Sich so von Millionen kleiner Teufel umsummt zu hören, die ihre Bosheit nicht ausüben können, ist die schönste Serenade, die man sich denken kann.

Nach dem Einreiben mit Fett war das Nächste, mein Bett zurecht zu machen. Ich schnitt eine junge Fichte mit weichen Nadeln ab und streute die Zweige auf einen Platz sechs Fuß lang und zwei Fuß breit, suchte mir dann weiteres Brennholz, um das Feuer zu unterhalten und legte mich nieder um zu schlafen. Auf dem weichen, duftigen Lager, nach der heftigen Anstrengung, schlummerte ich bald ein. In der Nacht wurde ich indeß durch ein Gefühl unangenehmer Wärme bald geweckt. Kein Wunder; da ich mein Feuer auf Grasboden angemacht hatte, das aus hunderten von Schichten abgestorbener Pflanzen bestand, so fraß es unter und um sich, und als ich erwachte, war es mir bereits so nahe gekommen, daß ich in unruhigem Schlafe mich selbst hinein gerollt haben würde.

Ich sprang auf, räumte mein Lager mehre Schritte weit hinweg an eine Stelle, nach welcher das Feuer sich nicht zu wenden schien und legte mich wieder nieder. Wie es aber zu gehen pflegt, wenn der Schlaf im Anfange plötzlich unterbrochen wird, die Fortsetzung desselben ist dann meist unruhig und von Träumen gestört.

Auch ich träumte und träumte seltsam. Mir war es, als sei ich der Erde entrückt, und aus großer Tiefe unter mir dringe ein schauerliches Gemisch zahlloser Menschenstimmen zu mir herauf. Es klang wie ununterbrochene Klagelaute, leise murmelnd wie das ferne Rauschen des Meeres. Aber das Menschliche in den Tönen und das Klagende derselben erkannte ich genau. Dazwischen vernahm ich Töne, die wie Hohn klangen, als sei ich von unsichtbaren Feinden umgeben, und ich empfand eine unbeschreibliche Angst, sie würden mich fassen und mich hinunterschleudern in die bodenlose Tiefe unter mir.

Das dauerte lange und ich mag wohl sehr schwer geathmet haben. Allmälig schien das Klaggeschrei unten lauter und vernehmlicher zu werden, als ob die jammernde Menge zu mir heraufsteige oder ich zu ihr hinunter sinke. Aus dem allgemeinen Gemurmel traten mitunter einzelne Stimmen hervor und näher und immer näher kamen sie mir. Endlich schienen die Stimmen wie ein wildes Heer an mir vorüber zu sausen; sie berührten mich fast; ich fühlte mich mitten unter ihnen; das Entsetzen schnürte mir die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_039.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2023)