Seite:Die Gartenlaube (1855) 008.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Bausteine zu einer naturgemäßen Selbstheillehre.
Die Verstopfung.

Die Verstopfung des Leibes, die Quelle vielfacher Beschwerden und Gemüthsverstimmungen, läßt sich nur nach vorheriger Besprechung der Leibeseröffnung richtig beurtheilen, und deshalb sei zuerst die Frage beantwortet: was ist Stuhlgang oder Leibesöffnung? Die Ausfuhr von theils unverdaulichen, theils unverdauten oder auch schon verdauten Resten der genossenen Nahrungsmittel entweder in zersetztem oder unverändertem Zustande und gemischt mit Bestandtheilen der Galle, mit Darmschleim und Oberhautpartikelchen der Darmschleimhaut. Dieser Abgang geschieht aus dem Darmkanale nach unten, in manchen Fällen jedoch (gewöhnlich bei vollständigem Verschluß eines Darmstückes) können diese Speisereste (Excremente genannt) selbst aus dem untersten Theile des Darmkanals, auch rückwärts und zum Magen aufwärts geschoben und durch Brechen entleert werden (d. i. Kothbrechen oder Miserere). Ja, bei widernatürlichen und mit einander zusammenhängenden Oeffnungen im Darme und in der Bauchwand wird der Stuhl ganz oder theilweise durch letztere entfernt (d. i. eine Kothfistel)– Um nun einen richtigen Begriff von diesem Speiserestabgange zu bekommen, muß nochmals kurz des Verdauungsprocesses und Verdauungsapparates (s. Gartenl. I. Jahrg. Nr. 22. S. 232) Erwähnung geschehen.

Die zerkauten und eingespeichelten Speisen, nachdem sie verschluckt und aus der Mundhöhle durch Schlundkopf und Speiseröhre in den Magen gelangt sind, werden hier mit Hülfe des sauern Magensaftes in einen Brei (den Speisebrei, Chymus) verwandelt, welcher nach einiger Zeit, nach der Verdaulichkeit der Speisen, in 1–3 bis 6–8 Stunden durch die wurmförmigen Zusammenziehungen des Magens aus diesem hinaus in den Darmkanal geschafft wird. Im obersten Stücke des Darmkanals, im Zwölffingerdarme, wird jetzt der Speisebrei mit Galle und Bauchspeichel durchtränkt und dann auch noch, während er allmälig durch den Darmkanal hindurch geschoben wird, mit Darmsaft und Darmschleim vermischt. Das Fortschaffen des Speisebreies besorgt hierbei, unterstützt von den Zusammenziehungen der Bauchwand und des Zwerchfells (beim Athmen), die Fleischhaut des Darmes, welche durch ihre vom obern zum untern Theile des Darms fortlaufenden, wurmförmigen Zusammenziehungen den Brei vorwärts drückt. Zum leichtern Fortbewegen desselben ist die innere Oberfläche des Darmes, welche von Schleimhaut mit einem seinen Oberhäutchen überkleidet ist, mit Schleim überzogen und dadurch schlüpfrig gemacht. Je weiter der Speisebrei im Darme herabrückt, desto trockener wird derselbe; der Grund davon ist der, daß die Saugadern und Blutgefäßchen in der Darmwand alles Flüssige, das Wasser und die darin aufgelösten Nahrungsstoffe der Nahrungsmittel, aus dem Speisebreie allmälig heraussaugen und in den Blutstrom schaffen. So bleibt natürlich schließlich nur noch das Ungelöste der Nahrungsmittel übrig, was aber, da von der Galle ebenfalls einige Bestandtheile wieder aufgesogen werden und andere nicht, auch noch mit einigen Gallenstoffen und Darmschleim vermischt ist. Das Ungelöste können nun ebensowohl ganz unverdauliche, wie auch verdauliche, aber aus irgend einem Grunde unverdaut gebliebene, daneben aber auch noch bereits verdaute und nicht aufgesogene Substanzen sein. Die Verdauung oder Auflösung der verschiedenen Nahrungsstoffe geschieht nämlich so, daß die eiweißartigen Substanzen vom Magen- und Darmsafte, die fetten Materien durch die Galle, den Bauchspeichel und Darmsaft, die stärkemehlhaltigen Stoffe durch den Mund- und Bauchspeichel verdaut und zur Aufsaugung geschickt gemacht werden. Es hängt sonach von der Gegenwart und Menge des einen oder des andern der genannten Verdauungssäfte ab, ob dieser oder jener von den Nahrungsstoffen ganz oder theilweise verdaut wird oder unverdaut bleibt und dann im letztern Falle unbenutzt mit dem Stuhle aus dem Körper wieder entfernt wird. So würde z. B. bei Mangel an Speichel die Stärke unverdaut bleiben, bei Mangel an Magen- und Darmsaft würden die Eiweißsubstanzen ungelöst mit dem Stuhle abgehen u. s. f.

Die Untersuchung der Excremente bei gesunder Verdauung hat gelehrt, daß dieselben im Allgemeinen hauptsächlich aus sämmtlichen unverdaulichen Bestandtheilen der Nahrungsmittel, besonders der pflanzlichen Speisen, bestehen, sonach vorzugsweise aus den von Cellulose (Pflanzenfaser oder Pflanzenzellstoff) gebildeten Pflanzengebilden, wie: aus leeren oder (mit Blattgrün, Stärkekörnchen, Harz u. s. f.) gefüllten Zellen, Gefäßbündeln und Oberhaut, sodann aus sehnigen, elastischen und knorpligen, sowie Knochenpartikelchen der Fleischnahrung, abgesehen von einer Menge zertrümmerter Fleischfasern. Gewöhnlich finden sich neben den unverdaulichen Stoffen aber auch noch verdauliche, jedoch nicht verdaute, sowie verdaute und nicht aufgesaugte Nahrungsmittel wie Fett, Stärke, Zucker, Salze (besonders Kalksalze) und Säuren. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn entweder zu viel und zumal von unverdaulichen Substanzen eingehüllte Nahrungsstoffe eingeführt wurden, sodaß die Verarbeitung und Aufsaugung aller unmöglich wurde, oder wenn die Verdauungsorgane nicht in dem Zustande sind, um die gehörige Menge von Verdauungssäften zu liefern und die Aufsaugung des Verdauten zu fördern. Neben diesen Speiseresten machen nun aber auch noch Gallenbestandtheile einen Hauptbestandteil der Excremente aus, und diese befinden sich, nach der Länge der Zeit, welche die Speisen im Darmkanale verweilten, in größerer oder geringerer Zersetzung. Ist der Gallenzufluß zum Speisebrei gehindert (bei Gelbsucht), dann fehlen auch den Excrementen die Eigenschaften, welche sie den Gallenstoffen verdanken. – Die Menge der Excremente muß sich sonach ebenso wie ihre Beschaffenheit nach der Menge und Beschaffenheit der genossenen Nahrungsmittel, sowie nach dem Zustande des Verdauungsapparates und der Menge der Verdauungssäfte richten. Je weniger und je löslichere, flüssigere Nahrungsstoffe genossen werden, desto geringer ist die Menge der Excremente und umgekehrt. – Der Feuchtigkeitsgrad der Excremente hängt theils von der genossenen Flüssigkeit, theils von der Menge und Consistenz der zur Verdauung verbrauchten Säfte ab. – Was die Dauer des ganzen Verdauungsprocesses betrifft, so ist diese ebensowenig fest bestimmt, wie die Beschaffenheit und Menge der Excremente; im Allgemeinen läßt sich etwa sagen, daß nach ungefähr 24 Stunden der Rest des Genossenen wieder aus dem Körper weggeschafft wird. – Der Stuhlgang selbst kommt durch die Zusammensetzungen ebensowohl der Mastdarm- wie der Bauchmuskeln und auch noch durch Beihülfe des Zwerchfells (beim tiefen Einathmen) zu Stande.

Verstopfung des Leibes (Stuhlverhaltung und Stuhlträgheit) kann durch die mannigfaltigsten Ursachen zu Stande kommen und bedarf deshalb zu ihrer Hebung auch sehr verschiedener Mittel und Wege, nicht etwa blos der Anwendung von Abführmitteln. – Bei sehr hartnäckiger und längere Zeit andauernder Verstopfung ist stets ein mechanisches Hinderniß im Darmkanale zu argwöhnen und deshalb vom Arzte eine genaue Untersuchung der Unterleibsorgane vornehmen zu lassen. – In den allermeisten Fällen liegt aber der Grund zur Verstopfung in träger Fortbewegung des Speisebreies und der Speisereste durch den Darm und diese kann abhängig sein: von zu kraftloser Zusammenziehung der Darm- und Bauchmuskeln, von zu großer Trockenheit des Darmes und des Speisebreies und von zu bedeutender Schwere oder Umfänglichkeit der Speisereste. In der Regel kommt die Verstopfung erst im untern Theile des Darmkanales, im sogen. Dickdarme, zu Stande, jedoch können sich die Speisen auch im Magen und Dünndarme länger als Recht ist, aufhalten. – Die widernatürliche Anhäufung und Zurückhaltung der Speisereste im Darmkanale ruft die verschiedenartigsten unangenehmen Empfindungen im Leibe hervor (wie das Gefühl von Vollsein, Druck, Angst), sodann Auftreibung des Bauches durch Gase, Störungen des Unterleibsblutlaufes, Athembeschwerden, Herzklopfen mit Angst und Druck auf der Brust, ärgerliche Gemüthsstimmung und Eingenommenheit des Kopfes. Vorzüglich macht die Verstopfung Diejenigen, welche ängstlich nach täglicher Leibesöffnung spähen, zu sehr unangenehmen Menschen. Uebrigens kann auch langdauernde Stuhlträgheit den ganzen Verdauungsproceß, somit aber die Blutbildung und die Ernährung des Körpers stören, sowie durch Erzeugung von Pfortaderstockungen (s. Gartenlaube Jahrg. II. Nr. 18) Hämorrhoidalbeschwerden und schließlich Gemüthsstörungen (Hypochondrie) hervorrufen.

Bei der Behandlung der Verstopfung und Stuhlträgheit handelt es sich durchaus nicht darum, durch künstliche Mittel Stuhl

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_008.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)