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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Die drei Gesellen.

Es waren drei Gesellen,
Die stritten wider’n Feind,
Und theten stets sich stellen
In jedem Kampf vereint.

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Der ein’ ein Oesterreicher,

Der andr’ ein Preuße hieß
Davon sein Land mit gleicher
Gewalt ein Jeder pries.
Woher war denn der dritte?

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Nicht her von Oestreichs Flur,

Auch nicht von Preußens Sitte,
Von Deutschland war er nur.

Und als die drei einst wieder
Standen im Kampf vereint,

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Da warf in ihre Glieder

Kartätschensaat der Feind.
Da fielen alle dreie
Auf einen Schlag zugleich;
Der eine rief mit Schreie:

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Hoch lebe Oesterreich!

Der andre, sich entfärbend,
Rief: Preußen lebe hoch!
Der dritte, ruhig sterbend,
Was rief der dritte doch?

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Er rief: Deutschland soll leben!

Da hörten es die zwei,
Wie rechts und links daneben
Sie sanken nah dabei;
Da richteten im Sinken

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Sich beide nach ihm hin,

Zur Rechten und zur Linken,
Und lehnten sich an ihn.
Da rief der in der Mitten
Noch einmal: Deutschland hoch!

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Und beide mit dem dritten

Riefen’s, und lauter noch.

Da ging ein Todesengel
Im Kampfgewühl vorbei,
Mit einem Palmenstengel,

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Und liegen sah die drei.

Er sah auf ihrem Munde
Die Spur des Wortes noch.
Wie sie im Todesbunde
Gerufen: Deutschland hoch!

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Da schlug er seine Flügel

Um alle drei zugleich,
Und trug zum höchsten Hügel
Sie auf in Gottes Reich.

 Friedrich Rückert.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_005.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)